„Calexit“-Bewegung Trump-Gegner träumen vom autonomen Kalifornien

Die Kalifornier sind stinksauer. Mehr als 66 Prozent haben für Clinton gestimmt, aber bekommen haben sie Trump. Nun werden Rufe nach Eigenständigkeit laut – doch eine Trumpfkarte hält den Staat im Würgegriff der USA.

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Bei einer Protestveranstaltung gegen den designierten US-Präsidenten Trump in Oakland, Kalifornien, verbrennt eine Demonstrantin die amerikanische Flagge. Quelle: dpa

So ein paar milde belächelte Spinner träumten schon seit Jahren davon: Ein souveräner Staat Kalifornien, nur über Verträge eingebunden in die USA. Aber seit der Wahl des US-Präsidenten ist „Yes California“ eine angesagte Internetadresse, die 35-seitige Anleitung zur Abspaltung aus dem Verbund der Vereinigten Staaten von Amerika ein gefragter Download. Der Hashtag #calexit liegt auf Twitter im Trend und die Likes auf Facebook explodieren.

Das liegt nicht zuletzt am Tech-Multimillionär Investor Shervin Pishevar. Der Mitgründer von Hyperloop One und Uber-Investor rammte noch am Dienstag Pflöcke ein. „Wenn Trump gewinnt, werde ich eine legale Kampagne gründen und finanzieren, um Kalifornien zu einem eigenständigen Staat zu verwandeln. Was in den USA von Superreichen finanziert wird, muss man heute ernst nehmen.

„Aus unserer Sicht vertreten die USA so viele Dinge, die im Konflikt zu unseren Werten stehen und mit einer andauernden Bundesstaatlichkeit werden wir diese anderen Staaten immer weiter subventionieren, zu unserem eigenen Nachteil und dem unserer Kinder“, bekennen die Gründer der Initiative offen. Wer ein paar Jahre in den USA gelebt hat, der weiß, was damit gemeint ist. Die Masse der Amerikaner verachtet Kalifornien. Für viele der Bewohner der hochreligiösen Bundesstaaten des „Bible Belt“, des Bibel-Gürtels, oder des „Rust Belt“, den alten Industriestaaten im Inneren der USA, ist Kalifornien nur ein einziges Sodom und Gomorra, bevölkert von gottlosen Hippies, Schwulen und Lesben, die nichts von traditionellen Werten halten.

"Das ist nicht mein Präsident"
In New York protestierten am Mittwochabend Tausende Menschen gegen den zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump. Quelle: dpa
Viele Demonstranten hatten sich auch vor dem Trump-Tower in New York versammelt. Quelle: dpa
Demonstranten vor dem Hochhaus des nächsten US-Präsidenten Quelle: AP
Trump-Gegner vor dem Trump Tower in New York Quelle: dpa
Schüler in Berkley demonstrieren gegen Trump Quelle: AP
Studenten der University of California Berkeley protestierten Quelle: AP
Brennender Müll in Oakland - Demo gegen Trump Quelle: AP

Im Süden dann Los Angeles mit dem verlotterten Hollywood und der größten Porno-Industrie der Staaten, im Norden superreiche Tech-Kids und Städte wie San Francisco, die sich weigern ohne Grund (schwere Verbrechen) illegale Einwanderer an die Bundesbehörden auszuliefern. Städte, die der kommende Präsident Donald Trump finanziell ausbluten und so zur Kooperation zwingen will. Das hat er unter lautem Jubel seiner Anhänger schon angekündigt.

Kalifornien ist stinksauer. Zu über 66 Prozent sind die Stimmen an Hillary Clinton gegangen und bekommen haben sie Trump. Jeden Tag gibt es seitdem größere und kleinere Proteste. Der Surfer- und Programmierer-Staat wäre auch nicht der erste, der die auch in Deutschland bekannten Bayrischen Gelüste nach Eigenständigkeit hegt: Als Barack Obama 2012 wiedergewählt wurde, entstand in Texas eine breite Bewegung, den kreuzkonservativen Staat mit den riesigen Ölvorräten aus den USA herauszulösen. Am Ende ist es aber nie dazugekommen.

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Doch Kalifornien ist reich, das Bruttosozialprodukt ist nur weniger geringer als das von Deutschland. Man könnte sich den Alleingang leisten. Zumindest ist das im Prinzip so. Denn in der Realität ist der Golden State fast immer pleite und hat mit die höchsten Steuern in den USA. Nach Ansicht der Yes-California-Gründer hat das einen einfachen Grund: 16 Milliarden Dollar an Steuergeldern fließen netto jedes Jahr nach Washington D.C, damit heruntergewirtschaftete Bundesstaaten über Wasser gehalten werden. Die Kalifornier müssen im Gegenzug Schulden machen und Steuern erhöhen. Die Debatte erinnert an die lautstarke Diskussion um die „Geber- und Nehmerländer“ in Deutschland. Und wenn das Geld im Land bleibt, so die Argumentation, wer braucht dann noch die paar Millionen, mit denen Trump San Francisco oder San Jose unter Druck setzen will. Das Geld flösse in Infrastruktur und Schulen.

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