Carsten Brzeski "Russland ist nicht groß und wichtig genug"

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der Direktbank INGDiba, über Russlands Wirtschaftskrise und die Folgen für Industrie und Banken in Europa.

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Welchen Staaten der niedrige Ölpreis besonders schadet
Erdölförderung Quelle: dpa
Ölförderung in Saudi-Arabien Quelle: REUTERS
Ölförderung in Russland Quelle: REUTERS
Oman Ölpreis Quelle: Richard Bartz - eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons
Öl-Leitung im Niger-Delta Quelle: dpa
Ölförderpumpe in Bahrain Quelle: AP
Venezuela Ölförderung Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: Herr Brzeski, Russland rutscht in eine Krise, was sind die Ursachen?

Brzeski: Die Krise liegt an einer Kombination aus fallenden Öl- und Gaspreisen und westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim. Dem russischen Staat brechen die Einnahmen weg, denn Öl und Gas sind die wichtigsten Exportartikel des Landes. Dadurch fällt die Regierung als Nachfrager aus, was die Wirtschaft schwächt.

Wie lange halten die gewaltigen Devisenreserven Russlands?

Diese werden nicht ewig halten, zumal die Währungsreserven eingesetzt werden, um den fallenden russischen Rubel zu stützen. Außerdem sinkt ihre Kaufkraft wegen des immer schwächeren Wechselkurses.

Zur Person

An den Finanzmärkten geht daher Angst vor einer Staatspleite Moskaus um. Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?

Momentan halte ich das für unwahrscheinlich. Die Neuverschuldung des Staates ist gering, der Haushalt ausgeglichen. Russlands Schuldenstand ist mit einem Anteil von nur zehn Prozent an der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes außerordentlich niedrig. Zum Vergleich: Manche Industrienationen sind zu mehr als 100 Prozent verschuldet.

Ist die Krise also gar nicht so gravierend?

Doch. Für die russische Wirtschaft ist die Krise gravierend, die Zentralbank warnte vor ihrer jüngsten Leitzinserhöhung vor einem Wirtschaftseinbruch um vier Prozent.

Welche Folgen hat es für die Weltwirtschaft, wenn Russland als Wachstumslokomotive ausfällt?

In den Jahren 2010 bis 2012 hatte Russland tatsächlich die Rolle einer globalen Konjunkturlokomotive. Allerdings ist die Dynamik danach deutlich zurückgegangen. Für sich allein genommen ist Russland nicht groß und wichtig genug, um die Weltwirtschaft stark nach unten zu ziehen. So wird die aktuelle Krise für Europa und Deutschland spürbar sein, aber beherrschbar bleiben. Von den deutschen Exporten gehen nur 2,5 Prozent nach Russland. Und etwa in den USA wird man die Auswirkungen kaum spüren.

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der Direktbank INGDiba, im Interview mit WirtschaftsWoche. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Wann kommen die Auswirkungen in Deutschland an?

Auf den Finanzmärkten spüren wir die Auswirkungen bereits. Schon vor der Eskalation der Krise sind die deutschen Exporte nach Russland im Jahresvergleich um etwa 20 Prozent zurückgegangen. Wenn der Rubelverfall weiter fällt, könnten deutsche Qualitätswaren wegen ihrer relativ hohen Preise für russische Importeure schnell unerschwinglich werden.

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