CBI-Vorsitzender Josh Hardie „Ein Brexit ohne Deal wäre Plan Z“

Britische Unternehmen drängen in den Brexit-Verhandlungen auf eine Übergangsfrist. Der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsverbandes CBI erzählt im Interview, wie sich die Firmen auf den Ernstfall vorbereiten.

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Brexit: Interview mit Josh Hardie Quelle: Confederation of British Industry's

London Der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) am 30. März 2019 rückt näher. Aber noch immer ist unklar, wie das Verhältnis zwischen der Insel und dem Kontinent nach dem Brexit aussieht. Unternehmern sind besorgt. Einer Umfrage des Wirtschaftsverbands CBI unter ihren Mitgliedern zufolge werden bis März 2018 rund 60 Prozent der Unternehmen ihre Notfallpläne in Kraft setzen, wenn bis dahin keine Übergangsphase vereinbart wurde. Josh Hardie, stellvertretender Vorsitzender des CBI, beschreibt im Gespräch mit dem Handelsblatt die Stimmung in britischen Unternehmensetagen.

Viele Unternehmen fordern eine Übergangsphase. Warum? Was für einen Unterschied macht das für Unternehmen?
Eine solche Übergangs- oder Umsetzungsphase ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen gibt sie Unternehmen Sicherheit, falls sie über eine Investition entscheiden müssen. Zum anderen ist es eine Zeit, in der sie sich auf die Veränderungen vorbereiten können, die auf sie zukommen werden.

Bislang haben sich die EU und Großbritannien nicht auf eine solche Phase geeinigt und es gab Befürchtungen, dass die Übergangsphase auch an Bedeutung verliert, wenn sie zu spät kommt. Was sagen Sie dazu?

Das stimmt. Je länger es dauert, bis eine solche Phase vereinbart wird, desto weniger wert ist sie mit Blick auf die Investitionsentscheidungen. Aber es gibt nicht einen Termin, zu dem alle Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen getroffen haben werden. Und weil die Unternehmen sich schließlich auf die Veränderungen vorbereiten müssen, ist eine Übergangsphase niemals vollkommen wertlos.

Halten Sie es denn für realistisch, dass eine Übergangsphase in den kommenden Wochen vereinbart wird?
Ich halte es für möglich, eine Einigung noch vor Weihnachten zu erzielen. Natürlich müssen sich dafür beide Seiten in den Verhandlungen bewegen. Aber die Rede der britischen Premierministerin in Florenz hat die Lage verändert.  

In welcher Hinsicht?
Zum ersten war die Tonalität in der Rede eine andere, und das war ein großer Schritt. Zum zweiten hat sich die Premierministerin auf eine Übergangsphase festgelegt.  

Wie schlimm wären die Folgen, wenn sich die EU und Großbritannien am Ende nicht auf einen Brexit-Deal verständigen?
Wenn wir keinen Brexit-Deal erreichen und die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zum Zuge kommen, hätte das sehr schwerwiegende Folgen für die britische Wirtschaft – selbst für diejenigen Unternehmen, die sich für nicht betroffen halten, weil sie keinen direkten Kontakt zum EU-Markt haben. Auch sie werden durch ihre Lieferketten in Mitleidenschaft gezogen. 42 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen fangen an, ihre Investitionen wegen der Unsicherheit um den Brexit zurückzufahren. Das ist eine beängstigend hohe Zahl.  


Niedriger Pfund-Kurs gut für einige Unternehmen

Aber wenn man mit Brexit-Verfechtern spricht, äußern sich diese ziemlich optimistisch und sagen, dass Großbritannien selbst ohne eine Vereinbarung mit der EU gut dastehen werde.
Wenn es keinen Deal gibt, wäre das nicht Plan B, sondern Plan Z. Das ist keine Option, die wir erwägen sollten. Es gibt zwar Unternehmen, die derzeit von dem niedrigen Pfund-Kurs profitieren. Und es gibt einige Unternehmer, die eine solche Meinung kundtun. Aber wir vertreten 190.000 Unternehmen in unserem Verband. Und diese sind sich einig in dem, was sie sich wünschen: einen Deal, der es ihnen ermöglicht zu handeln, mit den gleichen regulatorischen Anforderungen, und einen Deal, der ihnen die Möglichkeit gibt, diejenigen Menschen zu beschäftigen, die sie für ihr Unternehmen brauchen.

Wie gut sind die britischen Unternehmen denn auf den Ernstfall vorbereitet?
Die Unternehmen sind sich sehr wohl der möglichen Folgen eines Brexit bewusst. Bis Weihnachten werden immer mehr Finanzinstitute ihre Umzugspläne vorantreiben und nächstes Jahr werden wir in fast allen Branchen Veränderungen sehen.  

Wie sieht es mit Notfallplänen der britischen Unternehmen aus? Einige – wie etwa GlaxoSmithKline – haben derartige Überlegungen öffentlich gemacht, andere nicht.
Die meisten großen Unternehmen haben Notfallpläne gemacht. Einige haben bereits damit begonnen, Entscheidungen zu treffen, beispielsweise neue Immobilien anzumieten. Aber das sind Entscheidungen, die wieder rückgängig gemacht werden können. 

Sie sprachen davon, dass große Unternehmen vorbereitet sind – wie sieht es mit dem Rest der Wirtschaft aus?
Kleinere Unternehmen sind weniger gut vorbereitet. Oft fehlen ihnen auch die Mittel, um eine solche Planung anzugehen. Aber je besser man vorbereitet ist, desto besser kann man mit den Folgen umgehen.  

Sie sind optimistisch, dass die EU und Großbritannien sich bald über eine Übergangsphase einig werden. Aber wie optimistisch sind Sie, dass die EU und Großbritannien sich am Ende auf einen Brexit-Deal einigen?
Ich bin der Meinung, dass für beide Seiten zu viel auf dem Spiel steht. Wir werden einen Deal erzielen. Aber es wird nicht einfach werden.

Herr Hardie, vielen Dank für das Interview.

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