Ceta und TTIP Neuer Streit über Freihandelsabkommen

„Dumm“ und „töricht“: Junckers Vorstoß bei EU-Handelsabkommen stößt in Deutschland und Österreich auf scharfe Kritik. Der Kommissionspräsident will bei Ceta die nationalen Parlamente übergehen.

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Schild auf einer Demonstration gegen TTP und Ceta: Der Widerstand gegen die Freihandelsabkommen in der deutschen Bevölkerung ist groß. Quelle: Reuters

Brüssel Die EU-Kommission hat einen neuen Streit über das Zustimmungsverfahren für die umstrittenen Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA angefacht, an die die EU trotz des gewünschten britischen Austritts aus der Union festhält. Sowohl Deutschland als auch Österreich kritisierten die Ankündigung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass beim Ceta-Abkommen mit Kanada nur das Europäische Parlament zustimmen soll, nicht aber die nationalen Parlamente.

Alle 28 Regierungen inklusive der britischen seien sich einig gewesen, beide Abkommen weiter anzustreben, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Brüssel nach Abschluss des ersten Tages des EU-Gipfels. „Für mich ist das kein Grund, die Verhandlungen abzubrechen“, fügte sie mit Blick auf Brexit hinzu. Es sei der klare Auftrag an die EU-Kommission gegangen weiterzuverhandeln.

Merkel kündigte an, der Bundestag werde auf jeden Fall über Ceta abstimmen. Dies sei wichtig, weil es eine breite öffentliche Debatte über das Handelsabkommen gebe. Die EU-Kommission habe in dieser Hinsicht eine andere Rechtsauffassung. Bei früheren EU-Handelsabkommen mit Drittstaaten sei nie auf eine Zustimmung auch der nationalen Parlamente gepocht worden.

Juncker hatte in der Sitzung der Regierungschefs nach Teilnehmerangaben angekündigt, er werde kommende Woche vorschlagen, dass Ceta nur vom EU-Parlament ratifiziert zu lassen. „Wenn wir EU-Abkommen aus politischen Gründen zur gemischten Zuständigkeit erklären, ist das ein Rezept zur Lähmung der EU“, warnte er am Dienstagabend. „Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, überhaupt noch Handelsabkommen verhandeln zu können.“ In der EU hat die Kommission und damit die europäische Ebene die Zuständigkeit für den Bereich Handel, sie liegt nicht bei den Nationalstaaten.

SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kritisierte Junckers Ankündigung in scharfen Worten. „Die EU-Kommission will beim Freihandelsabkommen mit Kanada mit dem Kopf durch die Wand“, sagte Gabriel dem Berliner „Tagesspiegel“ (Donnerstagsausgabe). „Jetzt zu beschließen, dass die nationalen Parlamente zu diesem Handelsabkommen nichts zu sagen haben, ist unglaublich töricht.“

Die EU-Kommission werde auf diese Weise alle Verschwörungstheorien zu den geplanten weiteren Freihandelsabkommen „explodieren“ lassen, sagte Gabriel mit Blick auf das umstrittene Abkommen mit den USA. Niemand werde noch glauben, dass es bei TTIP mit den USA nicht genauso laufen werde.


„Im Interesse der EU darf man so was nicht tun“

Am Mittwochmorgen warf Österreichs Bundeskanzler Christian Kern der Kommission dennoch vor, mit einem Hauruckverfahren die Glaubwürdigkeit der EU zu unterminieren. „Im Interesse der EU darf man so was nicht tun“, sagte er. Kern räumte aber ein, dass es rechtlich schwierig werden könnte, dies noch zu ändern.

Eine nötige Zustimmung der nationalen Parlamente dürfte nach Ansicht der EU-Kommission das Scheitern von Ceta bedeuten. Denn eines der vier belgischen Regionalparlamente, die ebenfalls zustimmen müssten, hat sich bereits auf ein Nein festgelegt. Bulgarien und Rumänien wiederum wollen eine Zustimmung mit Visa-Erleichterungen durch Kanada für ihre Bürger verbinden.

Die EU-Handelsbeauftragte Cecilia Malmström hatte gesagt, sie hoffe, dass Ceta vor Ende Oktober unterzeichnet werden könne. Dann ist ein Besuch des kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau in Brüssel geplant. Kanada geht davon aus, dass der Handel mit der EU durch das Abkommen um 20 Prozent wachsen könnte. Kritik an dem Abkommen kommt dagegen von Nichtregierungsorganisationen - auch mit Blick auf das von ihnen ebenfalls abgelehnte transatlantische Wirtschaftsabkommen mit den USA (TTIP), für das Ceta auch nach Angaben von Juncker eine „Blaupause“ wäre.

US-Außenminister John Kerry sorgte unterdessen bei einer Veranstaltung im amerikanischen Aspen mit der Bemerkung für Verwirrung, dass die USA nun Handelsabkommen gleichzeitig mit der EU und Großbritannien verhandeln könnten. Ein Sprecher des Außenministeriums betonte später, Kerry habe damit keine konkreten Verhandlungen gemeint. US-Präsident Barack Obama hatte vor dem britischen Referendum noch angekündigt, Großbritannien müsse auf die Aushandlung eines bilateralen Handelsabkommens sehr lange warten.

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