Ceta-Verhandlungen Ein „Weiter so“ darf es nicht geben

Das Hin und Her bis zur Unterzeichnung des kanadisch-europäischen Freihandelsabkommens Ceta sollte ein Weckruf für die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten sein. Es muss sich etwas ändern. Ein Kommentar.

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Die europäischen Prozesse fit für die Zukunft machen. Quelle: Reuters

Die Unterzeichnung des seit mehr als sieben Jahre verhandelten Freihandelsabkommens Ceta zwischen der EU und Kanada wird am Donnerstag wahrscheinlich nicht stattfinden. Wer den Prozess begleitet hat, hat sich inzwischen abgewöhnt, von Sicherheiten zu sprechen.

Vielleicht kann die kleine Region Wallonien in den nächsten Tagen doch noch umgestimmt werden. So oder so – das Hin und Her auf der Zielgeraden sollte den Vertretern der EU-Institutionen und ihren Mitgliedstaaten ein Weckruf sein. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben.

Europas große Stärke ist auch seine größte Schwäche: die 28 Mitgliedsstaaten. Gebündelt sind sie ein unverzichtbarer Handelspartner – gemeinsam haben sie so viel mehr Verhandlungsmacht, um ihre Interessen gegenüber selbst so mächtigen Nationen wie der USA durchzusetzen, als jeder allein.

Doch ihre Größe ist auch gleichzeitig die Achillesferse der Europäischen Union. Die einzelnen Mitgliedsstaaten haben sich längst noch nicht damit abgefunden, ihre Handelspolitik – wie eigentlich abgesprochen – ganz in die Hände der EU zu legen.

Das ist ein Fakt, ob man das nun gut findet oder nicht. Und die grundsätzliche Skepsis ihrer Wähler treibt sie noch weiter dazu, sich in den Prozess einzuschalten und ihre Einzelinteressen ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen. Das Resultat haben wir in den vergangenen Monaten gesehen. Deutschland setzte Nachbesserungen durch, ebenso Bulgarien und Rumänien und nun wollen die Wallonen auch noch ihre Extrawurst.

Für den Verhandlungspartner Kanada ist das Gerangel auf den letzten Metern nervig und auch andere Länder wie die USA werden sich das Schauspiel mit Blick auf ihre Verhandlungen mit der EU mit Grauen ansehen. Wenn Wallonien Erfolg hat mit seiner Strategie, und danach sieht es momentan stark aus, dann könnte es in der EU bei künftigen Verhandlungen noch viele Nachahmer geben.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen daher ihre Lehren aus diesem Debakel ziehen. Die Mitgliedsstaaten sollten sich fragen, ob sie die Kommission bei ihren Verhandlungen im jeweiligen eigenen Land genug unterstützt haben, etwa bei der Aufklärung der Bürger.

Aber auch die Institutionen der EU müssen sich endlich ernsthaft fragen, was sie eigentlich hätten tun können, um dieses unwürdige Hin und Her am Ende zu vermeiden. Hätten sie die Mitgliedsstaaten früher einbinden müssen? Ja, auch wenn sie es rein rechtlich nicht hätten tun müssen?

Die EU sollte sich auch endlich ernsthaft fragen, warum die Bürger in Deutschland, in Belgien und in anderen Ländern ihnen nicht über den Weg trauen, und sich dabei auch an die eigene Nase fassen. Es macht wütend, wenn man von manchen EU-Politikern jetzt nur Schuldzuweisungen an die nationalen Regierungen hört.

Es sollte bei der Fehleranalyse nicht um Prinzipien gehen, um reine Gesichtswahrung oder darum, wer Recht hat. Es muss jetzt darum gehen, wie man die europäischen Prozesse für künftige Verhandlungen fit macht. Die Krise muss als Chance zu Verbesserung ergriffen werden. Denn eines dürfte jetzt schon klar sein: Gegen die TTIP-Verhandlungen mit den USA waren die Verhandlungen mit Kanada ein Spaziergang.

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