Am Nachmittag des 9. Dezember 2022 fand ein in Europa weitgehend unbeobachteter Termin statt, der rückblickend vielleicht einmal als historisch bezeichnet werden wird. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping traf im Rahmen seines Besuchs in Saudi-Arabien erstmals mit den im Gulf Cooperation Council (GCC) versammelten Staats- und Regierungschefs der Golfstaaten zusammen, und er machte ihnen ein außergewöhnliches Angebot.
Er bot an, dass China in den nächsten drei bis fünf Jahren bereit sei, langfristige Verträge über Lieferungen großer Mengen an Öl und Gas abzuschließen und diese Verträge über die Shanghaier Börse in chinesischer Währung abzuwickeln.
In der gleichen Rede machte Xi den Golfstaaten das Angebot, in den Bereichen Clean Energy Infrastruktur, Big Data, Cloud Computing, 5G/6G, Industrie 4.0 und in der Raumfahrt eng zusammenzuarbeiten – alles Themen, die in den Zukunftsvisionen der Golfstaaten, wie zum Beispiel der „Saudi Vision 2030“ seines Gastgebers, auftauchen.
Peking streckt die Hand aus
Zugleich zeigte er damit den Verkäufern der von China benötigten Rohstoffe eine Möglichkeit auf, wie sie die großen Summen an chinesischer Währung sinnvoll investieren können. Zum Wohle der chinesischen Wirtschaft wie auch der Golfstaaten – Win-win. Sollte danach immer noch ein Überschuss an chinesischer Währung bestehen, ließe sich dieser auch in Gold eintauschen, denn seit 2016/17 ist der Renminbi an den Börsen in Shanghai und Hongkong konvertierbar.
Und damit nicht genug. Präsident Xi ging noch einen Schritt weiter und machte das zusätzliche Angebot, das Projekt m-CBDC Bridge für einen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr digitaler zentralbankgestützter Währungen zu beschleunigen. An diesem Projekt sind derzeit die Notenbanken von China, Thailand, den Vereinigten Arabischen Emiraten und das Pendant in Hongkong beteiligt.
Zusammengefasst kann man also festhalten, dass ein erheblicher Warenaustausch zwischen den Golfstaaten und China künftig in chinesischer Währung erfolgen wird, die wiederum für Käufe in China verwendet werden kann. Dies alles digital, alles ohne Dollar und ohne Einbeziehung des westlichen Korrespondenzbankensystems.
Bye-bye, Petro-Dollar?
Was passiert hier gerade? Einzelne Marktteilnehmer bezeichnen diesen Moment als Geburtsstunde des Petro-Yuan in Anlehnung an den Petro-Dollar. So wie die USA seinerzeit den Golfstaaten Öl und Gas abkauften und diese wiederum die erzielten Dollar-Summen zunächst in Sicherheit durch amerikanische Waffenlieferungen investierten, so bietet China nun an, Öl und Gaslieferungen in Zukunftsinvestitionen einzutauschen und sich dabei gleichzeitig unabhängiger zu machen vom US-Dollar und den damit verbundenen Sanktionsmöglichkeiten. Dieser Pitch ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Vertragsabschlüssen, mit denen sich China große Mengen an Öl und Gas aus US-sanktionierten Ländern gesichert hat.
Begonnen hat es 2019 damit, dass China mit Venezuela einen Vertrag über Öl abschloss, bei dem sich das südamerikanische Land nicht nur zur Zahlung in Renminbi, sondern auch zu einem erheblichen Preisabschlag verpflichtete. Mitte 2021 folgte dann das Comprehensive Strategic Partnership mit dem Iran, in dem dieser sich verpflichtete, rund 20 Prozent Preisnachlass zu gewähren auf Öl, Gas und petrochemische Produkte – im Gegenzug für einen 25-Jahres-Vertrag im Wert von 400 Milliarden US-Dollar. Zuletzt musste auch Russland die Zahlung in Renminbi sowie einen erheblichen Preisabschlag akzeptieren.
Eine neue Zeit
Addiert man die Mengen an Öl, kommt man zum Ergebnis, dass Russland, Iran und Venezuela ungefähr 40 Prozent der weltweiten Ölreserven ausmachen und die GCC-Staaten weitere 40 Prozent. China hat die Situation von drei US-sanktionierten Ländern genutzt, um seine Forderungen nach einem erheblichen Preisabschlag und der Zahlung in chinesischer Währung durchzusetzen. Da die Golfstaaten nicht sanktioniert sind, erhebt China keine Forderung nach einem Preisabschlag.
Aber sollte der Golfkooperationsrat auf das Angebot eingehen, wäre ein substanzieller Teil der weltweiten Öl- und Gasreserven dem Dollar-Raum und dem westlichen Bankensystem entzogen. Die Einnahmen aus diesen Geschäften wiederum werden – da in Renminbi gezahlt – in China beziehungsweise in Produkte aus chinesischer Fertigung investiert. Zudem wird China durch die Internationalisierung seiner Währung weniger verwundbar durch US-Sanktionen, vielmehr wird es zunehmend selbst handelspolitische Maßnahmen effektiv einsetzen können.
Wie auch immer man diese Entwicklungen bewerten mag: Die bisherige, nachkriegsgeprägte Welt(wirtschafts)ordnung verändert sich; die USA bleiben relevant, aber China wird zunehmend relevant. Will Europa ebenfalls politisch und wirtschaftlich relevant bleiben, muss eine Reihe strategischer Fragen zügig beantwortet werden. Für Unternehmen gilt dies umso mehr.
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