China Gabriel darf nicht übers Ziel hinausschießen

Die härtere Gangart der Bundesregierung gegenüber chinesischen Investoren ist in vielen Fällen vernünftig – aber nicht in allen. Denn einige Vorhaben von Sigmar Gabriel erschließen sich auch auf den zweiten Blick nicht.

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht zur Eröffnung der deutsch-chinesischen Wirtschaftskonferenz in Chengdu (China). Quelle: dpa

Dass das Klima zwischen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und seinen chinesischen Gastgebern auf seiner jüngsten Peking-Visite unterkühlt war, dürfte als untertrieben gelten. Manche Beobachter sprachen von einem „Eklat“, auch der Kommentar „diplomatisches Desaster“ fiel.

Grund für den frostigen Empfang und abgesagte Termine in der chinesischen Hauptstadt ist Gabriels neuer Kurs bei Unternehmenskäufen durch China in Deutschland. Der Minister will in Zukunft genauer hinsehen: Handelt es sich bei den Investitionszielen um strategisch wichtige und womöglich sicherheitsrelevante Unternehmen? Drohen Schlüsseltechnologien in fremde Hände zu fallen? Steckt hinter den – manchmal vorgeschobenen „privaten“ – Investoren in Wirklichkeit der Staat? All diese Fragen will das Wirtschaftsministerium künftig genau beantwortet haben.

Konkreter Auslöser für die Verärgerung der Chinesen bei Gabriels Peking-Besuch war die Ankündigung des Ministers, den angepeilten Kauf des deutschen Maschinenbauers Aixtron – einem Hersteller von Anlagen zur Fertigung von Halbleitern – durch einen chinesischen Fonds „vertiefend“ prüfen zu wollen. Das gleiche will Gabriel beim Verkauf von Ledvance an ein chinesisches Konsortium tun. Unter dem Namen Ledvance firmiert das Geschäft mit Glühbirnen und Leuchtstoffröhren des Münchner Technologiekonzerns Osram.

Gabriels neuer Kurs im Umgang mit Investoren aus China ist grundsätzlich richtig. Es ist schwer verständlich, warum chinesische Unternehmen, manchmal auch der Staat, sich unter deutschen Weltmarktführern, siehe Kuka, wie an einem reichhaltigen Büfett bedienen dürfen, deutschen Unternehmen in China dagegen bestenfalls Hausmannkost serviert wird. Unternehmen aus bestimmten Branchen, etwa der Telekommunikation oder der Finanzwirtschaft, hat Peking per Gesetz zu No-Go-Areas für ausländische Investoren erklärt.

Deutsche Firmen haben bislang nicht geklagt

Wer in bestimmten Branchen, etwa der Automobil- oder der Eisenbahnindustrie, in China eine Fertigung eröffnen möchte, muss zwingend einen chinesischen Partner mit an Bord nehmen. Das ist aber nicht alles: In vielen Fällen verlangt China auch einen umfassenden Technologietransfer. Die Deutschen müssen oftmals sämtliche Pläne und Blaupausen ihrer Produkte und Anwendungen offenlegen. Nur mit Hilfe wertvoller Siemens-Technologie konnte China beispielsweise seinen inzwischen recht erfolgreichen Hersteller von Hochgeschwindigkeitszügen entwickeln.

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Deutsche Unternehmens- und Verbandsvertreter haben die Ungleichbehandlung bislang klaglos hingenommen. Kritik wurde bestenfalls geäußert, wenn die Türen wirklich dicht verschlossen waren. Oberste Devise: Peking darf nicht verärgert werden, der chinesische Markt ist zu wichtig. Öffentliche Kritik kam einzig, dafür aber regelmäßig, von der Europäischen Handelskammer in China unter ihrem kantigen wie charismatischen Präsidenten Jörg Wuttke.

Bewusste Verschleierung?

Doch noch aus einem anderen Grund sollte die Bundesregierung bei chinesischen Investitionsvorhaben in Deutschland künftig genauer hinsehen. Wer sich etwa die Mühe macht, das Geflecht hinter dem vermeintlich privaten Fonds, der Aixtron kaufen will, zu entwirren, stellt schnell fest, dass der Staat bei dem geplanten Kauf die Strippen zieht.

von Matthias Kamp, Anke Henrich, Christian Ramthun, Lea Deuber

Wollte China diese Tatsache mit Hilfe der extrem unübersichtlichen Struktur der Gesellschaft bewusst verschleiern? Die politischen Entscheidungsprozesse in der chinesischen Staatsspitze sind noch immer zu einem großen Teil intransparent. Die Gefahr besteht, dass deutsche Unternehmen, sich im ungünstigsten Fall einer weithin intransparenten Einparteienherrschaft ausliefern.

Es stimmt ja, dass die allermeisten chinesischen Unternehmenskäufe in Deutschland bislang reibungslos funktionieren. Die chinesischen Eigentümer lassen dem deutschen Management freie Hand, stellen neue Mitarbeiter ein, statt zu entlassen und achten deutsche Vorschriften und Gepflogenheiten, etwa zur Mitbestimmung. Bei politischen Krisen in China könnte das aber schnell anders aussehen. Da geht es in letzter Konsequenz ums Überleben des Regimes in Peking, und da können Fertigungen schnell geschlossen werden; Versprechen von gestern zählen da nicht mehr.

Gleichzeitig muss Gabriel aber aufpassen, dass er mit seiner neuen Linie gegenüber chinesischen Unternehmenskäufern nicht übers Ziel hinausschießt. Warum etwa der Ledvance-Verkauf durch die Bundesregierung vertiefend geprüft werden muss, erschließt sich auch auf den zweiten Blick nicht. Leuchtstoffröhren und Glühbirnen sind nicht Schlüsseltechnologien, geschweige denn sicherheitsrelevant – es sind Technologien von vorgestern. Genau deshalb möchte Osram sie ja verkaufen.

Ganz anders sieht es bei Osram selbst aus. Auch dort pirschen sich chinesische Investoren an. Aus gutem Grund: Das Unternehmen ist nach der Neuausrichtung durch seinen Vorstandsvorsitzenden Olaf Berlien kein Lampenhersteller mehr, sondern ein Technologiekonzern, der unter anderem Leistungshalbleiter für wichtige Industrien fertigt. Hier darf Gabriel, wenn es soweit ist, ruhig ein zweites Mal hinschauen.

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