Wer die Spratly-Inseln kontrolliert, beherrscht auch den Großteil des Südchinesischen Meeres mit seinem riesigen Fischreichtum und großen Rohstoffvorkommen. Vietnam, Malaysia, Taiwan und die Philippinen erheben Anspruch auf Teile der Inselgruppen. Und vor allem: China beansprucht mehr als 80 Prozent der Inseln. Am Dienstag hatte das UN-Schiedsgericht in Den Haag entschieden, dass es für die chinesischen Gebietsansprüche keine Grundlage gibt. Chinas Vize-Außenminister erklärte das Urteil daraufhin zu einem "Stück Altpapier". Am Mittwoch drohte Peking damit, eine Flugüberwachungszone einzurichten, wenn der Grad der Bedrohung zunehme.
Das Haager Urteil beendet den Streit also nicht, der schon seit einigen Jahren schwelt. Was dabei oftmals übersehen wird ist, dass am Ausgang dieses Territorialkonfliktes nicht nur die Anrainerstaaten, sondern auch die USA und Europa ein großes Interesse haben. Sebastian Eder, China-Experte am Mercator Institut in Berlin, sieht in den aktuellen Entwicklungen bereits jetzt eine direkte Beeinträchtigung deutscher Wirtschaftsinteressen.
„China untergräbt mit seiner Ablehnung des Urteils die internationale Rechtsordnung. Diese Ordnung ist allerdings die Grundlage, auf der Deutschland weltweit Handel betreibt, und eine der zentralen Säulen gemeinsamer europäischer Außenpolitik.“ Als Handelspartner ist China für Deutschland von großer Bedeutung. Allein das Exportvolumen in die Volksrepublik, betrug im vergangenen Jahr über 70 Milliarden Euro.
Eine Eskalation würde dazu führen, dass der politische Druck auf Berlin wächst, sich klar zu positionieren. Es würde zunehmend schwieriger werden, „nur“ eine Mittlerrolle einzunehmen und zu vermeiden, dass die Beziehungen zu den USA, vor allem aber zu China, Schaden nehmen.
Warum sind die Inselgruppen im südchinesischen Meer so wichtig? Und warum sind die Gebietsansprüche nicht eindeutig? Wir haben die wichtigsten Fragen für Sie zusammengestellt.
Worum geht es in dem Inselstreit?
„Eine der wichtigsten internationalen Handelsrouten zieht sich durch das Gebiet, das zudem über einen großen Fischbestand verfügt. Im Boden werden reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet“, sagt Eder. Tatsächlich geht es auch um strategische Überlegungen. Die Volksrepublik sieht sich zur See von zwei Inselketten umgeben. Die eine zieht sich von Japan über die Philippinen bis Indonesien, die andere von den Aleuten bis zur Marianeninsel Guam.
Diese Territorien sind entweder Verbündete oder, wie Guam, selbst Teil Amerikas. Peking lässt innerhalb der Zone Inseln aufschütten, Streitkräfte errichten Häfen und Flugpisten und stationieren Raketen. Das lädt den Konflikt zusätzlich auf.
Warum sind die Gebietsansprüche nicht geregelt?
Seit den 1950er Jahren kommt es so immer wieder zu Territorialkonflikten im südchinesischen Meer. Eigentlich haben die Vereinten Nationen geregelt, wem was gehört. Nach dem internationalen Seerechtsübereinkommen stehen jedem Land 200 Seemeilen vor der Küste als exklusive Wirtschaftszone zu.
„China beansprucht im Südchinesischen Meer ein Gebiet, das mehr als tausend Kilometer von seiner Küste entfernt liegt. Und beruft sich dabei auf die sogenannte Neun-Striche-Linie aus den 40er-Jahren“, erklärt Eder. Ein riesiges U, das zwischen Vietnam und den Philippinen im Meer liegt. Danach gehören rund 80 Prozent des Südchinesischen Meeres zu China.
„China hat sich in eine schwierige Situation manövriert.“
Was hat das UN-Schiedsgericht entschieden?
Am Dienstag hatte das UN-Schiedsgericht in Den Haag entschieden, dass es für die chinesischen Gebietsansprüche keine Grundlage gibt. „Mit dem Urteil hat der Gerichtshof in Den Haag klargestellt, dass er die historischen Ansprüche der Neun-Striche-Linie Chinas nicht akzeptiert“, sagt Eder. Die besetzten Riffe seien lediglich als sogenannte Niedrigwasser-Bodenerhebungen einzustufen, und nicht als Insel. Damit habe China eine schwere rechtliche Niederlage erlitten.
China hat demnach die Ansprüche der Philippinen etwa am Riff Scarborough Shoal verletzt. Das heißt auch: Kein Teil der von China reklamierten Spratly-Inseln gehören zum exklusiven Wirtschaftsgebiet Pekings. Wem genau sie zuzurechnen sind, entschieden die Richter allerdings nicht.
Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Während Deutschland im Vorjahr noch auf Rang sechs lag, schafft es die Bundesrepublik in diesem Jahr nur noch auf den zehnten Platz. Der mitteleuropäische Staat steht 2015 vor vielen Herausforderungen. Dazu gehört der Druck, die Energiewende zu meistern, die digitale Transformation der Industrie voranzutreiben und private und öffentliche Investitionen zu fördern.
Bauen kann Deutschland auf seine hoch qualifizierten Arbeitskräfte und eine Politik der Stabilität und Vorhersehbarkeit.
Schweden fällt im Vergleich zu 2014 um vier Ränge von Platz fünf auf Platz neun. Das nordeuropäische Königreich kann besonders mit qualifizierten Arbeitskräften, den stabilen politischen Verhältnissen, einem wirksamen Rechtssystem und einem starken Fokus auf Forschung und Entwicklung glänzen. Auch das Bildungsniveau ist sehr hoch und die Infrastruktur sehr verlässlich.
Auch Dänemark konnte sich im Vergleich zum Vorjahr verbessern, von Platz neun geht es hoch auf Platz acht. Gut schneidet das nordeuropäische Königreich bei Managementpraktiken, Gesundheit und Umwelt sowie Arbeitsstandards ab. Auf dem ersten Rang landet Dänemark in der Kategorie der Regierungseffizienz gleich fünf Mal, denn es zeichnet sich nicht nur durch eine besonders große Rechtstaatlichkeit aus, sondern auch dadurch, dass Bestechung und Korruption kaum eine Chance haben.
Norwegen kann im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von drei Plätzen verzeichnen und landet damit auf dem siebten Platz. Die skandinavische Halbinsel kann vor allem mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aufwarten, mit denen sie im internationalen Vergleich auf Platz eins landet. Weitere Faktoren, mit denen Norwegen punkten kann, sind im Bereich der Regierungseffizienz zu finden. Chancengleichheit, Transparenz sowie Rechtstaatlichkeit sind nur einige der besonders effektiven Maßnahmen der öffentlichen Hand.
Für Luxemburg ging es von Platz elf im Jahr 2014 hoch auf Platz sechs. Sehr gut schneidet das Großherzogtum im Bereich der politischen Stabilität, der wettbewerbsfähigen Besteuerung, des unternehmerfreundlichen Umfeldes und der qualifizierten Arbeitskräfte ab.
Kanada hat es in diesem Jahr auf Platz fünf geschafft. Im Vorjahr landete der nordamerikanische Staat noch auf Platz sieben des IMD World Competitiveness Ranking. Die gute Platzierung hat Kanada vor allem der Stabilität und Vorhersehbarkeit in der Politik, dem hohen Bildungsniveau, qualifizierten Arbeitskräften und einem wirksamen Rechtssystem zu verdanken. Ganz gut schneidet Kanada auch aufgrund einer unternehmerfreundlichen Umgebung und einer offenen und positiven Haltung ab.
Der vierte Platz geht in diesem Jahr an die Schweiz. Unternehmen aus aller Welt wissen vor allem die sehr gute Infrastruktur des kleinen Alpenstaates zu schätzen. Die hohe Bildung und der Umweltschutz landen gar im Vergleich zu 2014 nicht mehr nur auf Platz drei, sondern gleich auf der Eins. Auch die robuste Wirtschaft, Arbeitsstandards, geringe Entlassungs- sowie Kapitalkosten sind im internationalen Vergleich so gut wie unschlagbar.
Unter die ersten drei schafft es in diesem - wie auch schon im vergangenen Jahr - der Insel- und Stadtstaat Singapur. Besonders punkten konnte das asiatische Land bei Unternehmen in diesem Jahr mit seinem institutionellen Rahmen, der im weltweiten Vergleich auf Rang eins landet. Außerdem liegt Singapur bei der technologischen Infrastruktur sowie der Bildung ganz weit vorne.
Platz zwei geht an die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. Im Vergleich zum Vorjahr hat die chinesische Metropole zwei Plätze gut gemacht. Unternehmen aus aller Welt schätzen Hongkong insbesondere aufgrund der betriebswirtschaftlichen Gesetzgebung, der Managementpraktiken, der unternehmerischen Einstellungen und Werte und der technologischen Infrastruktur. Ganz gut steht Hongkong auch bei internationalen Investitionen, der Fiskalpolitik und bei den Betriebsfinanzen da.
Die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Das hat das IMD World Competitiveness Center in seiner aktuellen Vergleichsstudie bekannt gegeben.
Besonders attraktiv finden Firmen in den USA - laut Ranking - die dynamische Wirtschaft (66,2 Prozent), den guten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten (55,1 Prozent), den starken Fokus auf Forschung und Entwicklung (49,3 Prozent) sowie das unternehmensfreundliche Umfeld (43,4 Prozent).
Punkten können die USA zudem als attraktiver Forschungsstandort. Nachholbedarf gibt es im Bereich der Schulbildung.
Welche Konsequenzen hat das Urteil?
Das Urteil ist rechtlich bindend, doch gibt es keine konkreten Mittel, seine Umsetzung zu erzwingen. China hatte dem Gericht vorab bereits die Zuständigkeit abgesprochen und erkennt daher das Urteil nicht an. „Der Schiedsspruch ist ein bedeutender Einschnitt, denn damit ist klar: China hat Völkerrecht gebrochen.“
Welche Position vertritt China?
Nach Ansicht Chinas ist das Seegericht nicht zuständig, deshalb hat Peking bereits im Vorfeld angekündigt, das Urteil zu ignorieren. Peking akzeptiere „mit Blick auf territoriale Streitigkeiten und maritime Abgrenzungsfragen keine Schlichtung durch Dritte“, so das Außenministerium.
Durch solche „harschen Aussagen“, habe sich China in eine schwierige Situation gebracht hat, so Eder. „China wird das Urteil ignorieren, und auch auf dem im September anstehenden G20-Gipfel versuchen, das Thema von der Agenda zu halten.“ Das werde der Volksrepublik allerdings nicht gelingen. Dafür sei das Interesse der anderen Staaten am Inselstreit zu groß.
Inwiefern wären Deutschland und andere europäische Staaten von einer Eskalation betroffen?
Laut der deutschen Industrie- und Handelskammer ist der Handel mit Asien im Vergleich zu 2014 im vergangenen Jahr kräftig gestiegen: Die deutschen Exporte in die Region um 2,7 Prozent, bei den Importen war ebenfalls ein Zuwachs von 10,8 Prozent zu verzeichnen. Aus China führte Deutschland sogar fast 15 Prozent mehr ein, als im Vorjahr. China rangiert damit unter den wichtigsten Herkunftsländern für deutsche Importe 2015 auf Platz eins vor den Niederlanden.
„Der gesamte Handel zwischen Europa und Ostasien wäre massiv von einer Eskalation des Inselstreits betroffen“, warnt Eder. Nicht nur die Importe von China nach Deutschland (Handelsvolumen 2015: mehr als 90 Milliarden Euro), sondern auch die Exporte deutscher Industriegüter (Handelsvolumen 2015: mehr als 71 Milliarden Euro) würden starken Einschränkungen erliegen. Wenn durch weitere Manöver die Sicherheit der Handelsroute beeinträchtigt würde, könnten die Versicherungssummen für die Reedereien steigen, oder die Schiffe müssten im Extremfall auf längere und teurere Routen umgelenkt werden, so Eder.
„Der Druck auf Berlin wächst“
Wie wahrscheinlich ist es, dass der Konflikt eskaliert?
Weil auch die USA daran interessiert sind, wem die Inseln im südchinesischen Meer zufallen, könnte die Reaktion Chinas auf das UN-Urteil, das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen China und den USA weiter verschärfen. Die USA haben als Verbündete der Philippinen ihre Präsenz in der Region bereits verstärkt.
Seit Jahren häufen sich die Zwischenfälle im Luftraum über dem Gebiet, wenn sich amerikanische und chinesische Militärflugzeuge nahekommen. Die USA werde ihre Operationen jetzt nach Eders Einschätzung noch erweitern. „Auch China könnte jetzt dazu übergehen, seine Luftwaffe permanent auf einer der künstlichen Inseln zu stationieren, und seine Marinepräsenz zu verstärken.“ Man dürfe Pekings Bereitschaft zur Verteidigung der Vorherrschaft in dem Gebiet nicht unterschätzten.
Welche Rolle spielen Deutschland und Europa bei der Lösung des Konflikts?
„Es wird zunehmend schwieriger werden, „nur“ eine Mittlerrolle einzunehmen," erklärt Eder. Eine Eskalation würde dazu führen, dass der politische Druck auf Berlin wächst, sich klar zu positionieren.
„Im Rahmen der G7 können sie den G20-Gipfel in Hangzhou im September nutzen, um fehlendes Entgegenkommen Chinas öffentlich zu kritisieren“, fordert der Experte. Sollte sich die chinesische Regierung bis dahin zur weiteren Eskalation entscheiden, ließe sich der Gipfel auch boykottieren. Eine militärische Einmischung Deutschlands, bzw. Europas, ist nach Eders Ansicht unwahrscheinlich. Ein Ende des Konflikts sei allerdings nicht in Sicht. „Im Moment kann man nicht davon ausgehen, dass eine der Konfliktparteien abrückt.“