Auch wird er zumindest bis zum Parteitag wohl beim Impfnationalismus bleiben, bei dem ausschließlich chinesische Impfstoffe an die Bevölkerung verspritzt werden. Die wirken allein deutlich schlechter als in Kombination mit einer Dosis westlichen mRNA-Impfstoffes von Pfizer oder Moderna. Ein Aufweichen von Xis Politik gilt hier zumindest mittelfristig für denkbar.
Bei Null-Covid dürfte von einer Lockerung schon aus medizinischer Sicht weitgehend abgeraten sein. Chinesische Forscher errechneten zuletzt laut der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ 1,5 Millionen Tote, wenn alle Maßnahmen aufgehoben würden. So hatten sich viele Menschen auf die Wirksamkeit von Xis Null-Covid-Strategie verlassen, auf eine Impfung verzichtet. Hinzu kommt eine verbreitete Impfskepsis in der älteren Bevölkerung, die lieber auf traditionelle chinesische Medizin setzt.
Der Frust in der Bevölkerung wächst derweil massiv, vor allem in von Ausbrüchen betroffenen Städten. „Die Frage ist, wandelt sich dieser Frust in Systemkritik oder gar Unzufriedenheit mit Xi“, sagt Forscher Grünberg, „oder gelingt es der Zentralregierung, lokale Politiker und Behörden zu Sündenböcken zu machen.“ Der Glaube jedenfalls in die staatliche Überwachung und das öffentliche Servicesystem sei langfristig geschädigt. Ein wirklich akutes Problem dürfte das für Xi aber nicht sein. „China hat enorme und effektive repressive Instrumente aufgebaut, sodass eine unzufriedene Bevölkerung nicht genug ist, um einen echten Wandel auszulösen“, so der Wissenschaftler.
Sanftes Bröckeln statt klarer Bruch
Auch deshalb sehen Beobachter in Peking noch keine unmittelbare Gefahr, dass Xi seine dritte Amtszeit nicht wie erwartet durchsetzen kann. „Sein Lager ist so mächtig, dass ein anderer Ausgang undenkbar ist“, sagt ein langjähriger Kenner der Partei. Doch auch er glaubt, dass es zu Kompromissen bei der Besetzung der Führungsebene unter Xi kommen könnte. Ein großes Fragezeichen ist etwa, wer Nachfolger von Premier Li Keqiang wird, der bereits im März angekündigt hatte, das Ende seiner Amtszeit erreicht zu haben. „Gut möglich, dass die Gegner von Xi hier ein Zeichen setzen wollen“, meint der Beobachter.
Spekulationen ranken sich auch um die Personalie Li Qiang, den derzeitigen Parteichef von Shanghai. Li gilt als enger Vertrauter von Xi und wurde lange als aussichtsreicher Kandidat auf einen Posten im Ständigen Ausschuss des Politbüros gesehen. „Wird Li Qiang nicht befördert, wäre das ein klares Zeichen, dass Xi Eingeständnisse machen musste“, meint der Beobachter.
In der politischen Elite wächst offenbar das Bewusstsein, dass die wirtschaftliche Elite die Geduld verliert. Möglicherweise auch, weil an den Universitäten des Landes zunehmend wissenschaftliche Aufsätze kursieren, die die Covid-Strategie und die Wirtschaftspolitik von Xi kritisch beleuchten. Ex-Botschafter Schaefer sagt, „die Kritik von Technokraten, die gut gebildet sind und die die Gefahren einer ideologisch geprägten Politik klar sehen“, wachse. Das heiße aber nicht, dass die Ideologie von Xi am Ende verschwindet.
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