China in der Krise Die drei großen Fehler des Xi Jinping

Das Machtgefüge des chinesischen Machthabers Xi Jinping scheint in den vergangenen Wochen Risse bekommen zu haben. Quelle: imago images

Chinas Staatspräsident hat zuletzt massive Fehler gemacht, unter anderem in der Coronapolitik. Beobachter wie der frühere deutsche Botschafter in Peking, Michael Schaefer, halten Machtverschiebungen im Politbüro zugunsten der Wirtschaft für möglich.

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Das kleine Einmaleins des Autokraten hat Chinas Staatspräsident Xi Jinping drauf. Über Jahre baute er seine Macht in der Kommunistischen Partei auf, räumte mithilfe von Antikorruptionskampagnen Gegner aus dem Weg. Das mächtige Gremium im Politbüro, den sogenannten Ständigen Ausschuss, hat er zu seinen Gunsten von neun auf sieben Sitze verkleinert. Und er scharte loyale jüngere Kader um sich, die kein eigenes Netzwerk haben und somit entsprechend abhängig von ihm sind.

Dennoch scheint das Machtgefüge des Xi Jinping in den vergangenen Wochen Risse bekommen zu haben. Der Grund: eine Serie großer politischer Fehlentscheidungen. Mit denen setzt er China-Experten zufolge vor allem den Rückhalt jener breiten Wirtschaftselite aufs Spiel, die die Maschine China am Laufen hält. Noch wirke die Propaganda, doch die Menschen würden nachdenklicher, heißt es.

„Das trifft vor allem auf jene Leute zu, die gebildet sind, bisher aber kein politisches Interesse hatten. Die fangen nun an, die Pekinger Politik für sich zu hinterfragen“, erklärt Michael Schaefer, der von 2007 bis 2013 Botschafter der Bundesrepublik in China war. Hier setze jetzt ein Gärungsprozess ein, bei dem Xi ungeheuer aufpassen müsse. Doch wie gefährlich wird das für den eher ideologisch geprägten Staatschef wirklich? Wackelt sein Stuhl? Ist gar seine Wiederwahl im Herbst auf dem 20. Parteitag in Gefahr?

Fakt ist, die vergangenen Monate waren keine guten für Xi Jinping. Mit seiner Coronapolitik hat er sich klar verkalkuliert. Inzwischen ist offensichtlich, dass er mit seiner Null-Covid-Strategie das Land nicht aus der pandemischen in die endemische Phase führen kann, auf die die restliche Welt gerade zusteuert. „Das sind Politikfehler, die ihm auch in China klar angerechnet werden“, sagt Nis Grünberg, der am Mercator Institute for China Studies in Berlin Beziehungen zwischen dem chinesischen Staat und der Kommunistischen Partei sowie Chinas Elitenpolitik erforscht. Xi sei offenbar überzeugt gewesen, China werde gegenüber dem Westen als Sieger aus der Pandemie hervorgehen. Dann kam die leicht übertragbare Variante Omikron.

Die gnadenlosen Lockdowns und die Versorgungsengpässe frustrieren nicht nur die Bevölkerung. Sie würgen auch die Wirtschaft der Volksrepublik ab.

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Die Konsumentennachfrage nach Produkten und Dienstleistungen im Land bricht gerade ein, die Arbeitslosigkeit klettert auf Rekordniveau. Unterbrochene Lieferketten sorgen dafür, dass sich Unternehmen im Westen diversifizieren, nicht mehr alles in China einkaufen. Das schwächt die Wirtschaft des Landes auch langfristig. Chinesische Ökonomen hatten auf diese Gefahren hingewiesen. Xi aber hat sie nicht gehört.



Als sei das alles nicht genug, verschätzte sich Xi auch im Ukrainekrieg. So hatte Peking Beobachtern zufolge gehofft, Russland werde die Aufmerksamkeit der USA so komplett binden, dass der Druck auf den wirtschaftlichen und politischen Rivalen China abnimmt. Auch das eine Fehlannahme. „In der Summe führen all diese Fehler meines Erachtens dazu, dass hinter den Kulissen in Peking die Frage nach der Strategie von Xi gestellt wird“, sagt Ex-Botschafter Schaefer.

Leute, die Xi in der Partei wirklich gefährlich werden könnten, kennt der frühere Diplomat allerdings keine – zu undurchsichtig sei das machtpolitische Gefüge im Land. Auch seien jene, die ausreichend Kompetenz und Erfahrung hätten, zu alt. Dennoch glaubt Schaefer, dass Xi womöglich bei der Besetzung des Ständigen Ausschusses im Politbüro und bei der Neubesetzung jener Posten, die altersbedingt frei werden, in Zukunft Kompromisse eingehen muss. Mehr Einfluss könnten jene wirtschaftsfreundlicheren Kräfte bekommen, die dem Westen gegenüber zumindest etwas offener eingestellt sind. Politiker, wie sie traditionell oft in der Wirtschaftsmetropole Shanghai anzutreffen sind. 

Einen schnellen und radikalen politischen Wandel wird das nicht mit sich bringen, sind sich die Beobachter einig. Jeglichen Ausweg aus seiner verfahrenen Coronapolitik hat sich Xi verbaut. Beim letzten Treffen des Politbüros sagte er ziemlich klar, Null-Covid sei der einzige Weg, daran werde er nichts ändern. Mit einem Kurswechsel würde der Staatspräsident nur seine Wiederwahl im Herbst gefährden.

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