China Kaum Innovation trotz 1,6 Millionen Patente

Chinas Zahl der Patentanmeldungen explodiert. Doch hinter den beeindruckenden Neuanmeldungen verbergen sich ein Haufen unausgereifter Ideen. Schuld ist die Politik.

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Die Kreativität der großen Innovationsschmieden wie Apple fehlt den Chinesen. Die große Anzahl neuer Patente täuscht über den Mangel an Ideen hinweg. Quelle: dpa

"Der neue iPod wird nicht in China erfunden." Diesen Satz hört man oft, wenn es um Kreativität in China geht. Chinesen würden zwar hart arbeiten und gut kopieren können, eine Kultur des selbstständigen Denkens gäbe es in dem pro-forma noch immer kommunistischen Land aber nicht. Und Kreativität zu erzwingen, sei eben ähnlich sinnlos wie die Aufforderung, jetzt doch mal endlich spontan zu sein. Neue Ideen entstehen am besten in einem Klima der Freiheit und Sicherheit und nicht in einem Klima der Repression. Wer dieser Meinung ist, dürfte zunächst einen Schreck bekommen, wenn er einen Blick auf die Zahl der Patentanmeldungen in China wirft. 

Wurden 1993 in der Volksrepublik noch 1,8 Prozent aller Patente weltweit angemeldet, stieg der Anteil 2009 auf 17 Prozent. In absoluten Zahlen waren dies 1996 laut der "World Intellectual Property Organization" (WIPO) 11967 und 307588 im Jahr 2010. Bei der Anzahl der inländischen Patentanmeldungen liegt China mittlerweile auf Platz eins weltweit. Auch was die international anerkannten Patente betrifft, hat China stark aufgeholt und liegt nun auf dem zweiten Platz hinter den USA. Im selben Zeitraum hat sich das chinesische BIP knapp verdreifacht. China soll vom Land der Patentklagen zum Land der Patentanmeldungen werden. Doch ganz so beeindruckend, wie die Zahlen suggerieren, ist die Lage nicht. 

Patentanmeldungen in China
Chinesische Flagge Quelle: dpa
Sony-Gebäude Quelle: dpa
Amerikanische Flagge Quelle: dpa
Kia-Logo Quelle: Reuters
Ein Schild mit der Aufschrift "Patent" liegt auf mehreren Brokkoli Quelle: dpa
Produktionsband der Firma Heineken Quelle: Reuters
Eiffelturm

Denn, das hat eine Studie der Europäischen Handelskammer jetzt ergeben, der Ideen-Boom entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Luftnummer. Nicht alles, was in China als Patent angemeldet wird, ist tatsächlich Ausdruck schöpferischer Kraft. Die Studie unterteilt zunächst in Gebrauchsmuster, Design- und Erfindungspatenten. Nur letztere gelten als Hochqualitätspatente, die auch zur wirtschaftlichen Innovation des Landes beitragen. Diese haben sowohl gute Aussichten, vermarktet zu werden, als auch sozial, ökonomisch oder ökologisch zum Fortschritt beizutragen.

Dazu zählen aber nur rund 30 Prozent der 1,6 Millionen in China angemeldeten Patente. "Der Preis dieses Patentbooms sind minderer Qualität und ein schlechter Mix", sagt der Generalsekretär der europäischen Kammer Dirk Moens. Das Innovationspotenzial des Landes sei zwar eindrucksvoll, die tatsächliche Innovation aber "overhyped". Laut der Studie würden somit rund 20 Staaten als innovativer gelten als China.

Eine gute Idee und du kommst aus dem Knast 

China hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2020 sollen in China über zwei Millionen Patente jährlich im Land angemeldet werden. Um das zu erreichen, ergreift die Partei zahlreiche Maßnahmen. Das Spektrum reicht von einfachen finanziellen Anreizen, die Unternehmen erhalten, wenn sie Patente anmelden, zur Förderung an Universitäten, bis zu skurrilen Programmen: So können in manchen Provinzen Häftlinge ihrer Haftstrafe verkürzen, wenn sie neue Erfindungen tätigen.

Immer mehr Klagen gegen Know-how-Klau


Kleinere chinesische Unternehmen erhalten die Kosten für die Entwicklung und Anmeldung eines Patents erstattet. Auch die Erteilung von Steuervergünstigungen ist üblich, sobald ein Unternehmen eine bestimmte Anzahl von Patenten angemeldet hat. Da kein Unterschied zwischen Patenten und Gebrauchsmustern gemacht wird, führt dies zu einer Flut von Meldungen, die allerdings mit tatsächlicher Innovation wenig zu tun haben. Hinzu kommt, dass viele der Maßnahmen nur für chinesische Unternehmen gelten, was in Konflikt mit den Regeln der WTO stehen kann. 

"Die Anzahl von Patenten zu erhöhen, ist sehr einfach", sagt Dr. Oliver Lutze, Vorsitzender der Arbeitsgruppe "Intellectual Property Rights" bei der Europäischen Handelskammer. "Über die Qualität der Innovationen sagt dies aber nicht unbedingt etwas aus. Wichtiger ist vor allem die Langlebigkeit der Patente." 

Mit allen Mitteln scheint die chinesische Regierung das Land an die Spitze hieven zu wollen, was Innovation und Erfindungsreichtum betrifft. China soll wieder das Land werden, in dem einmal Schießpulver, Spaghetti und Papiergeld erfunden wurden. Doch viele der Maßnahmen greifen ins Leere: "Die staatliche Förderung führt sicherlich auch zu positiven Entwicklungen", so Dr. Lutze. "Aber die Politik sollte sich auch die Frage stellen, was passieren muss, damit ausländische Unternehmen ihre Technologien gerne hierher bringen?" 

Denn nach wie vor ist Technologietransfer in China ein großes Thema für ausländische Unternehmen. Das Problem ist besonders eklatant in den Schlüsselbranchen wie Transport oder Energie, wo Ausländer nur über chinesische Partner Marktzugang erhalten. So genannte Raw-Deals zwingen nicht-chinesische Firmen zum Technologie-Transfer. Darüber hinaus wird schlicht und einfach kopiert. Das jüngste Opfer Volkswagen: Ende Juli wurde bekannt, dass der Joint-Venture-Partner FAW ein Getriebe kopierte. Der "Partner" habe in Changshun bereits eine Fabrik errichtet, um dort einen bei VW abgekupferten Motor zu produzieren. 

Auch wenn noch viel Zeit vergehen wird, bis der nächste iPod in China erfunden wird, dürfte sich Deutschland langsam auf eine Zeit einstellen müssen, in der es China nicht immer nur mit Kopien und Ideendiebstahl verbindet. Die Unternehmen mit den meisten Patentanmeldungen weltweit waren ZTE, Panasonic, Huawei, Sharp und Robert Bosch. Sowohl ZTE als auch Huawei sind chinesische Unternehmen. Zudem wächst nicht nur die Zahl der Patentanmeldungen rasant; auch in China nehmen die Klagen gegen Diebstahl geistigen Eigentums jährlich im zweistelligen Prozentbereich zu.

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