China Schritte zum nachhaltigen Wohlstand in China

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Auch hier hat die Regierung bereits einen vorsichtigen Kurswechsel eingeleitet. So hat sie in den vergangenen zwölf Monaten bereits zweimal die Preise für Benzin und Diesel angehoben. Allerdings nicht ganz freiwillig: Die chinesischen Raffinerien häuften angesichts des steigenden Preises für Rohöl immer höhere Verluste an, weil sie das Öl zu hohen Weltmarktpreisen einkaufen mussten, an der Tankstelle für ihre Produkte aber nur den staatlich festgesetzten niedrigen Preis bekamen. Dies konnte so nicht endlos weitergehen.

Auch beim Umweltschutz befindet sich China auf dem richtigen Weg. Seine Gesetze, Vorschriften und Durchführungsverordnungen gehören mittlerweile zu den strengsten der Welt. Das Problem: Viele Gesetze werden in der Praxis kaum umgesetzt. Um das zu ändern, sollen Lokal- und Regionalpolitiker nun nicht mehr nur bei höherem Wirtschaftswachstum befördert werden, sondern anhand eines Kriterienkatalogs, zu dem auch die Verbesserung der Energieeffizienz und der Umweltsituation in ihren Städten und Kreisen gehört.

Welchen Unterschied saubere Luft bei der Lebensqualität macht, haben Pekings Bürger während der Spiele erfahren. Um für die Athleten in der sonst smoggeschwängerten Hauptstadt erträgliche Bedingungen zu schaffen, hatten die Behörden Hunderte Fabriken in sechs Provinzen vorübergehend stillgelegt und außerdem die Zahl der Autos auf Pekings Straßen halbiert.

Zunehmender Druck auf Chinas Herrschenden wegen soziale Ungleichgewichte

Das Ergebnis war ein blauer Himmel, wie ihn viele Pekinger schon gar nicht mehr kennen. Nach Angaben der Behörden fiel die Luftverschmutzung um 50 Prozent. Nun fordern viele Einwohner, diese Maßnahmen beizubehalten. Nach einer Umfrage der Zeitung „Beijing News“ befürworten das 70 Prozent der Pekinger Bevölkerung. In einem Online-Forum haben sich 400 000 Bürger dafür ausgesprochen.

Zunehmenden Druck verspüren die Herrschenden in Peking auch aufgrund der wachsenden sozialen Ungleichgewichte im Land. Gemessen an der Kluft zwischen den ärmsten und reichsten Chinesen gehört China 30 Jahre nach Beginn der Reformen zu den Gesellschaften mit der größten sozialen Ungleichheit – größer noch als im erzkapitalistischen Amerika. Nach der erzwungenen Gleichheit der Mao-Ära hatte die wachsende Kluft zunächst sicherlich ihre Vorzüge, sorgte sie doch für höhere Produktivität und Leistung.

Inzwischen führt die soziale Ungleichheit aber immer öfter zu Protesten und Ausschreitungen. Land- und Hausbesitzer, die Fabriken weichen müssen und sich ungerecht entschädigt sehen, protestieren gegen Behördenwillkür und Korruption. Arbeiter, denen die Löhne nicht ausgezahlt wurden, legen mit Streiks den Betrieb lahm.

Wie Peking mit Protesten in Zukunft umgeht, dürfte darüber entscheiden, ob es gelingt, das Land weiter in einem stabilen Umfeld aufzubauen. Ohne mehr Partizipation der Bürger jedenfalls geht es nicht. Die Zeichen, die die Parteiführung während der Olympischen Spiele aussandte, sind nicht unbedingt ermutigend. In drei Parks, so hatten die Behörden versprochen, sollten Chinas Bürger gegen Missstände demonstrieren dürfen. Doch von 77 Anträgen auf Demonstrationen, die bei den Behörden eingingen, wurden 77 abgewiesen.

Darunter auch der Antrag von zwei älteren Frauen, die dagegen demonstrieren wollten, dass sie für ihre Umsiedlung keine ausreichende Entschädigung erhalten sollten. Die Behörden wiesen den Antrag der beiden alten Damen ab und verurteilten sie darüber hinaus zu einem Jahr „Umerziehung durch Arbeit“. Die Strafe bleibt zunächst ausgesetzt, solange die Frauen nicht auffällig werden, so das zynische Urteil.

Gleichzeitig jedoch hat die Regierung mit einer Reihe von Maßnahmen signalisiert, dass sie bereit ist, auf die wachsende Unzufriedenheit im Volk und die Forderungen nach mehr Mitsprache zu reagieren. So stellte sich Staatschef Hu in einem OnlineForum den Fragen der Bürger. Zudem, so hat die Führung angekündigt, soll das Volk die Beamten künftig mithilfe eines Fragebogens bewerten können. Die mit den schlechtesten Bewertungen sollen dann ihren Job verlieren – ein Verfahren, das schon seit einiger Zeit erfolgreich in der reichen Ostprovinz Jiangsu praktiziert wird. Zudem will die KP bei Wahlen zu den Parteigremien für eine Reihe von Posten mehr Kandidaten aufstellen als Ämter zu vergeben sind, damit die Mitglieder eine Wahl haben. Erste kleine Schritte, die nach dem Willen der Herrscher in Peking zu mehr Transparenz und Berechenbarkeit im chinesischen Einparteienstaat führen sollen.

Es scheint, dass der Tanker China langsam in Bewegung kommt. Dann dürften nicht nur Parteichef Hu und Premier Wen Grund zum Lächeln haben – wie bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele.

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