China verbannt Unabhängigkeitsbefürworter Hongkong bangt um Sonderstatus

Hongkong ist das Tor zu China: Schlanke Verwaltung, geringe Steuern, Rechtssicherheit und Nähe zum chinesischen Festland zeichneten die autonome Hafenmetropole bisher aus. Jetzt droht dieses Fundament zu zerbrechen.

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Das Hongkong-Modell ist in Gefahr. Quelle: dpa

Hongkong Gregory So hat einen Ruf zu verteidigen. „Fast nirgendwo auf der Welt können sie so einfach ein Unternehmen eröffnen wie bei uns“, wirbt der Hongkonger Handelsminister. Auf die Gerichte der autonomen Sonderverwaltungszone sei Verlass und geringe Steuern böten hervorragende Bedingungen für internationale Konzerne. „Wir sind das Sprungbrett nach China“, sagt So vor internationale Unternehmern am Wochenende beim Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel.

Wie kein anderer Ort hat Hongkong von Chinas Aufstieg profitiert. Internationale Konzerne wählten die frühere britische Kronkolonie als Basis für ihr Chinageschäft. Während strenge Visa-Regeln, Marktbeschränkungen und Finanzkontrollen Niederlassungen auf dem Festland die Arbeit erschwerten, schien Hongkong ein idealer Standort zu sein.

Die Rückgabe Hongkongs von Großbritannien an China zum 1. Juli 1997 verschlechterte die Situation der Hafenmetropole nicht, sondern verbesserte sie sogar. Nach dem chinesischen Slogan „ein Land, zwei Systeme“ gewährt Peking den mehr als sieben Millionen Hongkongern viele Freiheiten. Die Sonderverwaltungszone hat ein eigenes Zoll- und Steuergebiet, macht ihre eigene Währungs- und Grenzpolitik. Auch herrscht weitgehende Presse- und Meinungsfreiheit.

Doch der Status gerät unter Druck. Trotz Protesten in Hongkong gegen eine chinesische Einmischung beschloss der Ständige Ausschuss des Volkskongresses in Peking eine Interpretation des Gesetzes für die Sonderverwaltungsregion. Hongkonger Abgeordnete werden verpflichtet, ihren Treueeid auf das Grundgesetz Hongkongs abzulegen und der Sonderverwaltungsregion der Volksrepublik China die Gefolgschaft zu schwören. Damit wurden praktisch zwei neue Abgeordnete des Hongkonger Parlaments ausgeschlossen, die der Volksrepublik ihre Gefolgschaft verweigert hatten.


Reaktionen aus Peking

Das Hongkong-Modell ist in Gefahr. „Wir wissen nicht mehr, auf was wir uns noch verlassen können“, klagt ein deutscher Unternehmer in Hongkong. Die Unabhängigkeit der Gerichte sei gefährdet. „Aus Pekings Sicht ist Hongkong zu eigenständig. Sie wollen die Metropole schwächen, um etwa Schanghai zur neuen Finanzmetropole zu machen“, vermutet der Manager.

Bei den Regeln für die Einreise zeichnen sich erste Veränderungen ab. Zur Asien-Pazifik-Konferenz (APK) der deutschen Wirtschaft wurden anreisende Reporter aufgefordert, Journalistenvisa zu beantragen. Die Hongkonger Einreisebehörden hätten das verlangt, hieß es von der Organisation.

Eine Mitarbeiterin der Hongkonger Grenzbehörden teilte mit, für geschäftliche Einreisen nach Hongkong müssten Visa beantragt werden. Diese Praxis sei in der Vergangenheit nur lockerer ausgelegt worden. Auf welchen Passus sich diese Praxis stütze dürfe sich jedoch nicht weitergeben, das müsse zunächst ihr Vorgesetzter genehmigen, sagte sie. Auch zwei Wochen später steht eine Rückmeldung dazu noch aus.

Peking erhöht den Druck, vermutet Professor Willy Lam von der Chinese University of Hong Kong. „Präsident Xi Jinping will seine Macht festigen“, sagt Lam. In den vergangenen sechs Monaten ist mehr als ein Drittel der Parteisekretäre in den Provinzen ausgetauscht worden. Einige von ihnen könnten im nächsten Jahr ins Zentralkomitee gewählt werden. Deshalb könnte Xi versuchen, das Land und die Partei auf Linie zu bringen.

Vor rund zwei Jahren waren in Hongkong tausende Menschen mit der Forderung nach mehr Demokratie auf die Straße gegangen. Die „Regenschirm-Proteste“ legten die Wirtschaftsmetropole wochenlang lahm.

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