China Xi bei Militärparade in Peking: „Keine Macht kann China aufhalten“

Zum 70. Gründungstag der Volksrepublik demonstriert Chinas Führung seine Stärke und hat mehr Waffen aufgefahren als je zuvor. Darunter auch seine neuste Interkontinentalrakete.

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Bei der Parade wurde unter anderem auch das Bild des früheren Präsidenten Jiang Zemin gezeigt. Quelle: Reuters

Mit der größten Waffenschau ihrer Geschichte hat die Volksrepublik China ihren 70. Gründungstag gefeiert. An der riesigen Militärparade am Dienstag am Platz des Himmlischen Friedens in Peking nahmen 15.000 Soldaten, mehr als 160 Flugzeuge und 580 Panzer und Waffensysteme teil, darunter auch nuklear bestückbare Interkontinentalraketen. Mit der Truppenschau will die kommunistische Führung nach Angaben von Experten militärische Stärke, ihren Machtanspruch und internationalen Gestaltungswillen demonstrieren.

In einer schwarzen Limousine des Typs „Rote Flagge“ stehend nahm Xi Jinping als Oberkommandierender die Truppen auf der Straße des Ewigen Friedens ab. „Es gibt keine Macht, die die Grundlagen dieser großen Nation erschüttern kann“, sagte der Präsident in einer Rede zu Beginn der Zeremonie. „Keine Macht kann den Fortschritt des chinesischen Volkes und der Nation aufhalten.“ Er rief zur Einigkeit auf und versprach dem Milliardenvolk „noch mehr Wohlstand“.

Mit Blick auf die seit fünf Monaten anhaltenden Proteste in Hongkong forderte Xi Jinping „langfristige Stabilität“ in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Er bekräftigte den Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“, nach dem die frühere britische Kronkolonie autonom regiert wird. Er betonte aber auch mit Blick auf Taiwan den Grundsatz der „friedlichen Wiedervereinigung“. Peking betrachtet die demokratische Insel als Teil der Volksrepublik. „Der Kampf für eine vollständige Wiedervereinigung des Vaterlandes muss fortgesetzt werden.“

Auch in Hongkong wurde der Nationalfeiertag gefeiert – allerdings abgeriegelt von der Öffentlichkeit. Im Messezentrum verfolgten geladene Gäste eine Flaggenzeremonie, die per Live-Stream übertragen wurde. Zwei Helikopter mit einer großen chinesischen und einer kleineren Hongkonger Fahne flogen über den Hafen der früheren britischen Kronkolonie. Aus Angst vor Ausschreitungen waren Straßen gesperrt und U-Bahn-Stationen geschlossen. 6000 Polizisten wurden mobilisiert. Trotz eines Demonstrationsverbots zogen bereits am Morgen wieder Aktivisten durch die Straßen.

Mit der Militärparade in Peking zeigte China auch seine Fortschritte in der Entwicklung moderner Waffensysteme. Die präsentierte Ausrüstung sei „komplett selbst produziert“, sagte Generalmajor Cai Zhijun, Vizedirektor des Generalstabs. Es solle die „unabhängige Innovationsfähigkeit“ der chinesischen Verteidigungsindustrie demonstrieren. „Das chinesische Militär wird resolut die nationale Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen verteidigen.“

Erstmals wurde eine neue Interkontinentalrakete und einen sehr schnellen Gleitflugkörper gezeigt. Als ein Höhepunkt wurde am Ende der Waffenschau die Dong Feng 41 (Ostwind) präsentiert, die nach Expertenangaben mit bis zu zehn nuklearen Sprengköpfen bestückt in einer halben Stunde die USA erreichen kann. Sie zählt zu den mächtigsten Raketen in der Welt. Ihre Reichweite beträgt zwischen 12.000 und 15.000 Kilometer.

Die 21 Meter lange Rakete kann von mobilen Startrampen auf Lastwagen oder Zügen sowie aus Silos gestartet werden. Die Zahl der Sprengköpfe im chinesischen Nukleararsenal wird auf 290 geschätzt. Rund 180 bis 190 sollen für landgestützte Raketen sein, während die anderen von Schiffen oder U-Booten sowie von Flugzeugen gestartet werden können. Die USA hingegen verfügen über 6185 Atomsprengköpfe in ihrem Arsenal, so das Stockholmer Friedensforschungsinstitut (Sipri).

Mit Spannung war auch der neue Hyperschallgleiter DL-17 erwartet worden. Der Gleitflugkörper gilt als gefährliche Waffe, da er fünffache Schallgeschwindigkeit erreicht, niedrig fliegen und Luftabwehrsysteme überwinden kann. Der Gleiter kann mit konventionellen und atomaren Sprengköpfen ausgerüstet werden. Eine Standardrakete startet ihn, doch trennt sich der Gleiter mit einem eigenen Triebwerk bei einer bestimmten Höhe von dem Trägersystem und sucht sich sein Ziel.

China verfolgt nach eigenen Angaben eine Nukleardoktrin, wonach es nicht als erstes Land Atomwaffen einsetzen würde, sondern nur als Vergeltung für einen nuklearen Angriff. Auch präsentiert die chinesische Propaganda am Nationalfeiertag die Errungenschaften Chinas, das mit seiner Refom- und Öffnungspolitik seit den 80er-Jahren zur zweitgrößten Volkswirtschaft nach den USA aufgestiegen ist.

„Wir sind nicht mehr das arme China von vor 70 Jahren“, sagte Zhu Lijia, Professor der Verwaltungshochschule. „China ist stark und reich geworden.“ Obwohl viele Fabriken in der Hauptstadt geschlossen worden waren, herrschte zur Parade aber Smog. Empfohlene Grenzwerte wurden um das Sechsfache übertroffen.

In Anlehnung an ein Zitat des „großen Steuermanns“ Mao Tsetung, der am 1. Oktober 1949 die Gründung der Volksrepublik ausgerufen hatte, lautete die Botschaft zum Feiertag: „Ohne die Kommunistische Partei gäbe es kein neues China.“ Es geht nach Angaben der Expertin Kristin Shi-Kupfer vom Berliner China-Institut Merics „um die Kampfbereitschaft der Kommunistischen Partei unter Xi Jinping“. „Deswegen die Militärparade.“

Innenpolitisch sei „eine ideologische Disziplinierung“ gefordert, sagte Shi-Kupfer. Aus Sicht Pekings brauche es absolut ergebene Parteikader, die „zu allererst der Linie des Parteivorsitzenden folgen“ und in der Lage seien, die „Kämpfe“ des 21. Jahrhunderts zu führen. Dazu zählten das langsamere Wirtschaftswachstum und die Auseinandersetzung mit „feindlichen Kräften“.

Die Feiern werden gleich von mehreren Krisen überschattet. Dazu zählt neben den Protesten in Hongkong auch der Handelskrieg mit den USA, der das Wachstum in China und auch die globale Konjunktur bremst. In China grassiert zudem die afrikanische Schweinegrippe und könnte die Hälfte des Bestandes dahinraffen. Auch steht China wegen der Inhaftierung von Uiguren in Umerziehungslagern in der Kritik.

„Massive Menschenrechtsverletzungen ziehen sich durch die Geschichte des modernen Chinas“, sagte Hanno Schedler von der Gesellschaft für bedrohte Volker (GfbV) in Göttingen. Unter Xi Jinping hätten sie „einen neuen, traurigen Höhepunkt erreicht“. Er setze auf „gnadenlose Verfolgung“ von Uiguren und Tibetern, von Kasachen, Kirgisen und Mongolen, von Bürgerrechtsanwälten und Müttern der 1989 beim Tian'anmen-Massaker getöteten Demonstranten. „Die Kommunistische Partei setzt alles daran, kritische Stimmen auszuschalten.“

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