15 Jahre ist es her, dass China der Welthandelsorganisation (WTO) beitrat. Damals, im Jahr 2001, wurde in Artikel 15 des Beitrittsvertrags zugesagt, dass die Staatengemeinschaft die Volksrepublik zum Stichtag 11. Dezember 2016 als Marktwirtschaft anerkennt. Mit diesem Status erhielte China erheblich größeren wirtschaftlichen Einfluss. Nach den Bestimmungen der WTO wäre es der EU nämlich nicht mehr so leicht möglich, Anti-Dumping-Zölle zu erheben oder Anti-Subventions-Maßnahmen anzuwenden. Diese Instrumente sind zurzeit die einzige Barriere gegen Billigware aus China.
Vor allem die europäische Stahlindustrie macht daher seit geraumer Zeit mobil. Ihre Befürchtung: Wegen des höheren Lohnniveaus in Europa und der staatlichen Subventionierung des Stahlsektors in China könnte sie am Weltmarkt ins Hintertreffen geraten. Bereits jetzt kommen laut Wirtschaftsvereinigung Stahl 49,5 Prozent aller Stahlerzeugnisse aus China.
Die Volksrepublik verdoppelte ihre Exporte seit 2012 von 55 Millionen auf 111 Millionen Tonnen. Europa importierte im vergangenen Jahr 22 Prozent des benötigten Stahls aus China. Beim Walzstahl haben die Importe seit 2013 sogar um 113 Prozent zugenommen.
Auch in den EU-Staaten ist die Skepsis groß. „Die EU-Kommission hat klargestellt, dass China keine Marktwirtschaft ist und es diesen Status auch nicht verliehen bekommt“, heißt es bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl. 2001 waren eine Reihe von Kriterien als Bedingung für die Anerkennung als Marktwirtschaft festgelegt worden. Diese sind nach Ansicht von Experten bislang nur teilweise erfüllt. Beispielsweise subventioniert China nach wie vor seine Rohstoffindustrie in starkem Ausmaß. Laut Wirtschaftsvereinigung erhalten chinesische Unternehmen ihre Energie teilweise zum Nulltarif.
Die EU-Staaten basteln daher mit Hochdruck an einem - juristisch und politisch heiklen - Modell, das die Anti-Dumpingregeln so ändert, dass der Marktwirtschaftsstatus irrelevant wird. Die Reaktion aus China ist unmissverständlich: Das Reich der Mitte droht offen mit einem Handelskonflikt, sollte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt weiter hingehalten werden. Alle WTO-Mitglieder müssten die Verpflichtungen einhalten, die sie bei Chinas WTO-Beitritt eingegangen seien, "um zu vermeiden, dass die normale Entwicklung der bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen beeinträchtigt wird", sagte der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums am Freitag.
Zumal nicht alle Branchen so vehement gegen die Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft sind wie die Stahlkocher. Die Autoindustrie und die Bauwirtschaft etwa würden als größte Verarbeiter von Rohstahl von günstigeren Preisen profitieren. „Man muss bei den Verhandlungen auch die Interessen der verarbeitenden Industrie beachten“, mahnt Rolf Langhammer, Ökonom vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.