Chinas Außenpolitik Wie Peking mit Geschenken sein Bild in der Welt formt

Der Baudezernent von Trier, Andreas Ludwig, und der chinesische Künstler Wu Weishan (l.) vor einer Karl-Marx-Statue. Sie ist ein Geschenk für die deutsche Stadt. Quelle: Stadt Trier

Karl-Marx-Statuen und Konfuzius-Insititute sollen für den positiven Anstrich sorgen. China will weltweit seinen Einfluss ausbauen. Dafür setzt es auf wirtschaftlichen Druck und politische Verfolgung. Auch in Deutschland.

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Andreas Ludwig kann sein Glück kaum fassen. Der Baudezernent der kleinen deutschen Stadt Trier ist ins riesige, ferne Peking gereist und steht nun im Westen der Stadt, in einem riesigen Atelier. Während neben ihm der chinesische Künstler Wu Weishan am Gesicht von Karl Marx spachtelt, setzt Ludwig zu einem Vortrag über den deutschen Philosophen an. Jahrelang hat der 56-Jährige auf diesem Moment hingearbeitet. Welcher Baudezernent träumt nicht davon, mal eine Skulptur in seiner Stadt aufstellen zu dürfen. Und was für eine. Fünfeinhalb Meter haben die Chinesen beschlossen soll sie groß sein.

Einen halben Meter größer als die Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Das sei ihm am Anfang auch etwas groß vorgekommen, sagt Ludwig. Nun blickt er aber stolz vom Gerüst in Marx’ Gesicht. Für einen kurzen Moment auf Augenhöhe.  

Die gewaltige Bronze-Skulptur ist ein Geschenk der Chinesen an Ludwigs Heimatstadt - zum 200. Geburtstag des Philosophen. Ein neuer Touristenmagnet, hoffen die Stadtoberen, soll da entstehen. Ein Aushängeschild für Trier. Und all das gratis: Nur den Sockel für die Statue muss die Kommune selbst gießen. Da fragte man beim Abgesandten der Botschaft nicht lange nach dem Kleingedruckten seines Angebotes, machte sich keine Gedanken über die Menschenrechtslage in China oder die Motive der Volksrepublik. Da greift man zu, dachten sich Bürgermeister und Baudezernent.

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Nun könnte man die Statue in Trier für eine Lappalie halten, eine Provinzposse, die nicht übermäßige Beachtung verdient. Doch damit täte man den Chinesen Unrecht: Der Vorgang ist Teil einer ganz neuen Außenpolitik des Riesenreichs von Xi Jinping, der sich dieser Tage zum ewigen Präsidenten küren ließ. Nach Jahren der Zurückhaltung und des freundschaftlichen Dialogs, will die Volksrepublik endlich die Führungsrolle übernehmen, die ihr – so sieht Xi das – aufgrund ihrer ökonomischen und geopolitischen Kraft seit langem zusteht. Xi will Chinas Einfluss in der Welt ausbauen. Dafür finanziert das Land längst nicht mehr nur Infrastrukturprojekte in Osteuropa und Afrika. Es nutzt vermeintliche Geschenke wie in Trier, kauft sich an deutschen Universitäten ein, setzt Verlage unter Druck und akquiriert eine Armee im Ausland, die seine Mission im Ausland umsetzen soll. Wer nicht mitzieht, wird unter Druck gesetzt und mundtot gemacht. Auch in Deutschland.

Die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung und politisch Andersdenkender gehört in China zum Alltag. Nun geht es aber nicht mehr nur darum, das eigene Volk zu beeinflussen, sondern auch die Meinung im Ausland. Und dafür braucht man Ausländer wie Ludwig, die von Missverständnissen reden anstatt von Menschenrechtsverstößen. Anfang dieses Jahres veröffentlichte das Sprachrohr der chinesischen Regierung, die Tageszeitung Renmin Ribao, auf ihrer Titelseite einen Kommentar mit der Forderung, China müsse die „historische Chance“ ergreifen und als Land „zur einstigen Größe“ zurückführen. Der Rückzug der USA auf globaler Ebene schaffe „einen strategischen Spielraum für die Entwicklung zu unserem Vorteil“.

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Während ausländische Journalisten in China gegängelt werden, investiert China Milliarden in Propaganda im Ausland. Auf Facebook und Twitter haben die chinesischen Staatsmedien Millionen Follower. In Afrika hat es ein Netz von Medienhäusern aufgebaut. Gezielt gehen die staatlichen Sender Kooperationen mit internationalen Nachrichtenagenturen wie Reuters ein, über die sie ausgewähltes Bildmaterial in die ausländischen Medien spülen. Mei Jianming, Chefberater der Shanghai Cooperation Organization, einem politischen Forum von China, Russland und Usbekistan, erklärte bei einer Konferenz jüngst, Gruppen, die die Unterdrückung der uighurischen Minderheit in Westchina thematisierten, sollten wie „Terroristen“ behandelt werden. Beijing müsse noch stärker gegen solche Gruppen in sozialen Netzwerken im Ausland vorgehen. Man hätte zwar bereits Kanäle auf Twitter und Facebook, aber die Propaganda reiche „noch lange nicht“. 

Auch in sozialen Netzwerken in Deutschland wirbt China gezielt um wohlmeinende Bürger. Im Dezember erst warnte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen: „Chinesische Nachrichtendienste nutzen neue Angriffsstrategien im digitalen Raum. Soziale Netzwerke, insbesondere LinkedIn, werden im großen Stil zur Abschöpfung und Quellenwerbung genutzt.“ Es handle sich dabei, so Maaßen weiter, um den „breit angelegten Versuch der Infiltration insbesondere von Parlamenten, Ministerien und Behörden“. Allein im ersten Halbjahr habe man 100.000 Anwerbeversuche der Chinesen registriert. Daran hat sich, so ist zu hören, nichts geändert. Im Gegenteil: das Problem der Spionage und Infiltration ist eher noch schlimmer geworden. Betroffen sind inzwischen nicht mehr nur Behörden, sondern vor allem Unternehmen. Im Gange ist da, so deutlich sagt man das in Berlin inzwischen, der Versuch einer Spaltung Europas durch Investitionen in Unternehmen und Infrastruktur. „China wird zu einem massiven außenpolitischen Problem für die Bundesrepublik“, sagt ein hoher Beamter der Bundesregierung.

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