Chinas Perlflussdelta Hightech statt Billigfabriken

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Protest in 40 Meter Höhe: Ein Wohnungskäufer klagt die Immobilienfirma an Quelle: Stefen Chow für WirtschaftsWoche

Experten schätzen, dass von einem Laptop etwa, das in Deutschland 1000 Euro kostet, jeweils 300 Euro an Intel und Microsoft für Speicherchip und Software gehen, jeweils 150 Euro an die Lieferanten des CD-Laufwerks und der anderen elektronischen Komponenten. Die Tastatur schlägt mit bis zu 20 Euro zu Buche. So bleiben gerade 30 bis 40 Euro beim Hersteller in China.

Das soll sich ändern. Schon vor der Krise hatte die chinesische Regierung dem Perlflussdelta ein neues Wachstumsmodell verordnet. Die Provinz Guangdong sollte, wie schon vor drei Jahrzehnten, als hier die ersten Sonderwirtschaftszonen eingeführt wurden, Testlabor für Chinas neue Wirtschaftsreformen sein.

Arbeitsintensive Billigproduzenten sollten von Guangdong in den rückständigen Westen Chinas ziehen, um dort Jobs zu schaffen und hier Platz für innovative Unternehmen mit höherer Wertschöpfung. Die Behörden strichen Herstellern von Spielzeug, Bekleidung oder Schuhen Steuervorteile, erhöhten die Mindestlöhne und verschärften Umweltschutzvorschriften. High-Tech-Unternehmen genießen dagegen weiterhin Vergünstigungen bei der Körperschaftsteuer.

Nur ein Bruchteil bleibt in China

Viele Billigproduzenten zogen denn auch vom Perlflussdelta ab in den billigeren Westen Chinas oder auch nach Indien, Indonesien oder Vietnam. Von mehr als 60.000 Fabrikschließungen sprachen Hongkonger Unternehmerverbände schon im Sommer vergangenen Jahres.

Zwar stornierten die Behörden einige Anordnungen, um die Region vor dem totalen Absturz zu bewahren. Am Ziel des wirtschaftlichen Umbaus halten sie gleichwohl fest. Er werde keine „rückständigen Produktivkräfte stützen“, entgegnete Guangdongs KP-Chef Wang Yang, als Premierminister Wen Jiabao mehr Hilfen für kleinere Fabriken anmahnte.

Wer Guangdongs High-Tech-Zukunft sehen will, muss zu Chen Chunsheng gehen, dem Vizepräsidenten der Sun-Yat-sen-Universität in Guangzhou. Die Hochschule liegt in einem malerischen Park im Zentrum der Stadt und hat sich vor allem mit ihren Fakultäten für Medizin und Life Sciences einen Namen gemacht.

Der Strukturwandel sei überfällig, meint Chen. „Mit dem langen Boom sind die Arbeitskosten und der Lebensstandard stark gestiegen.“ Jetzt sei die Zeit zur Modernisierung der Industrie gekommen. Und daran will die Uni mitwirken – als schneller Brüter für innovative Unternehmen. Ein Vorbild hat Chen bereits: Vor wenigen Jahren gründeten junge Wissenschaftler der Sun-Yat-sen-Uni das Unternehmen Da An Genetic. Es ist auf neuartige Diagnoseverfahren etwa für die Lungenkrankheit SARS oder die Schweinegrippe spezialisiert, an der Börse Shenzhen gelistet und beschäftigt heute 800 Mitarbeiter. „Wir werden künftig noch viele solcher Ausgründungen fördern“, kündigt der Uni-Manager an.

Was Chen mit wissenschaftlichem Input anstrebt, versucht Ke Aiqun zwei Autostunden entfernt in Zhuhai mit Steuervergünstigungen und Mietzuschüssen. Zhuhai hat heute 1,5 Millionen Einwohner, 1979 war es noch ein Fischerdorf, als hier eine der ersten Sonderwirtschaftszonen Chinas eingerichtet wurde. Ke soll als Geschäftsführer High-Tech-Gründer und -Unternehmen in den Southern Software Park locken.

Damit hat er Erfolg. Fast 100 Firmen mit insgesamt 3000 Mitarbeitern forschen schon hier, darunter auch der deutsche Halbleiterhersteller Semikron. „Momentan verhandeln wir mit rund 20 weiteren Firmen“, verrät Ke.

Aber auch ohne Subventionen lassen sich High-Tech-Firmen in der Region nieder. Die Telekomausrüster Huawei und ZTE etwa haben ihre Zentralen in Shenzhen, der mit zwölf Millionen Einwohnern größten Stadt im Perlflussdelta. Mit ihren innovativen und kostengünstigen Produkten feiern die beiden Telekomausrüster auch im Ausland Riesenerfolge.

Viele kleinere Unternehmen, die nicht mehr nur einfache Produkte für den Export fertigen, haben sich ebenfalls in Guangdong angesiedelt. Die Firma Echom in der Provinzhauptstadt Guangzhou etwa ist erfolgreich mit dem Design von Chassis für Fernsehgeräte.

Trotz dieser High-Tech-Priorität werden auch die alten Industrien nicht völlig aus dem Perlflussdelta verschwinden. Zumal die Chinesen hier gewohnt pragmatisch vorgehen. Der Deutsche Thomas Schneider, Chef und Gründer der Ledergerberei Tantec in Guangzhou, hat zwar einen Teil der Produktion nach Vietnam verlagert, als die Umweltgesetze verschärft wurden. Doch seine Fabrik in Guangzhou will er halten, wegen der strategischen Bedeutung des chinesischen Marktes. Darum hat er die Gerberei jetzt mit modernsten Umwelt-Anlagen ausgestattet. So ist Tantec offiziell als High-Tech-Firma anerkannt.

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