Chinas Perlflussdelta Hightech statt Billigfabriken

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Den Weg von Taiwan gehen

Davon profitieren auch die Arbeitskräfte, etwa die 32-jährige Xu Juan, die als Wanderarbeiterin vor zwölf Jahren nach Guangzhou kam. Seit neun Jahren arbeitet sie in der Gerberei. Von ihrem Lohn von etwa 300 Euro im Monat legt sie ein Drittel auf die Seite. Vorher hatte sie in einer Spielzeugfabrik gearbeitet. Da sei es überall dreckig gewesen, sie habe ständig Überstunden geschoben, und korrekt bezahlt worden sei sie auch fast nie, berichtet Xu. „Hier sind die Bedingungen viel besser“, sagt sie: „Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen in Guangzhou halten sie sich hier an die Gesetze.“

Wie ihr Mann kommt sie aus der Provinz Guizhou, fast 900 Kilometer weiter westlich gelegen. In ihrer Familie hatte niemand die Chance, eine Schule oder gar eine Universität zu besuchen. Für die siebenjährige Tochter und den einjährigen Sohn schmiedet Xu große Pläne: „Mit unserem gesparten Geld werden unsere Kinder eine gute Schule und eine gute Uni besuchen können.“

Mit dieser Familienplanung liegt sie auf gleicher Linie mit Partei und Regierung, die das Perlflussdelta zu einer wissensbasierten Gesellschaft umbauen wollen. Dafür gibt es den Masterplan „Perlflussdelta 2020“. Er listet eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen auf: Steigerung der Forschungsausgaben der Provinz bis 2020 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, Kooperation mit Hochschulen im Ausland, neue Venture-Capital-Gesellschaften und Forschungsinstitute, Anwerbeprogramme für Talente aus dem Ausland sowie Ausbau des Dienstleistungssektors von 47 Prozent des BIPs auf 60 Prozent. Darüber hinaus soll die Infrastruktur mit Milliardeninvestitionen ausgebaut werden, um die rückständigeren Regionen des Perlflussdeltas an die entwickelten Teile anzuschließen.

„Der Weg von Taiwan und Südkorea ist für die Region absolut richtig“, sagt Graeme Maxton, Ökonom in Hongkong. „Wenn der Sturm vorüber ist, wird das Perlflussdelta gesünder dastehen“, glaubt auch Dragonomics-Experte Miller.

Kein Wunder, dass die Stimmung fast schon wieder Vorkrisenniveau erreicht. In Guangzhou treffen sich die Jungmanager abends in der Soho-Bar. Aus den Lautsprechern dröhnt chinesischer Rap, Scheinwerfer tauchen die Diskothek in buntes Licht. Auf der Tanzfläche drängen sich Mädchen in knappen Shorts und noch knapperen Tops. Es geht auf Mitternacht zu, schon seit Stunden lassen die Türsteher keinen mehr rein, der Club ist überfüllt. „Das Schlimmste scheint vorbei zu sein“, sagt Paco Chen, Chef eines Handelshauses – und bestellt noch eine Flasche Champagner.

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