Chinesische Technologie So treffen US-Sanktionen gegen China die deutsche Bundeswehr

Quelle: dpa

US-Präsident Job Biden hat neben Huawei und ZTE drei weitere chinesische Unternehmen auf die schwarze Liste gesetzt. Davon ist auch die deutsche Bundeswehr betroffen – aber sie steht damit bei Weitem nicht alleine da.

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Die Fuchs-Transport-Panzer stehen im Wald versteckt vor Stullenstadt. Das Dorf selbst sieht so aus, als läge es in Afghanistan. Im Café Berisha schmoren Fleischstücke auf dem Grill, an der Tankstelle herrscht reger Betrieb. Auf dem Dach lauern Scharfschützen der deutschen Bundeswehr und tauschen sich per Funkgerät miteinander aus.

Doch Stullenstadt liegt in Letzlingen bei Magdeburg. Im Gefechtsübungszentrum Heer auf dem Truppenübungsplatz Altmark sind gleich mehrere Städte aufgebaut, in denen pro Jahr 25.000 deutsche Soldaten vor Auslandseinsätzen detailgetreu Kampfszenarien einüben.

Ausgerechnet hier funkt man mit chinesischer Technologie.  Genauer gesagt: Mit deutscher Technologie aus chinesischer Hand. Hytera heißt das Unternehmen, das die Funktechnologie liefert – und nun von der Regierung des neuen US-Präsidenten Joe Biden auf der berüchtigten schwarzen Liste  seines Amtsvorgängers Donald Trump bestätigt wurde. Es handelt sich in der Essenz um einen deutschen Mittelständler, der 2012 nach China verkauft wurde. Auf der befindet es sich in der Gesellschaft der Telekommunikationsanbieter Huawei und ZTE. Noch ist unklar, was genau das amerikanische Verbot für deutsche Anwender wie die Bundeswehr bedeuten wird. Auch der Truppenübungsplatz Hohenfels nordwestlich von Regensburg, den die US Army im Auftrag der Nato betreibt, läuft auf Hytera-Funktechnologie. „Bei der Tetra-Technologie handelt es sich um eine Standardtechnologie, gegen deren Nutzung grundsätzlich keine Sicherheitsbedenken bestehen“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Häuser und ein Sakralbau der Bundeswehr-Übungsstadt Schnöggersburg in Letzlingen (Sachsen-Anhalt) auf dem Trüppenübungsplatz Altmark. Quelle: dpa


Alarm in Bad Münder

Im deutschen Sitz der Hytera Mobilfunk GmbH in Bad Münder bei Hannover herrscht auf alle Fälle Alarm. „Wir in Bad Münder sind ein in Deutschland gegründetes Unternehmen und beliefern seit 40 Jahren Sicherheits- und Rettungskräfte mit Kommunikationslösungen ‚made in Germany‘“, sagt Bernhard Klinger, hochrangiger Manager der Hytera Mobilfunk. „Die Entscheidung der amerikanischen Telekommunikationsaufsicht Federal Communications Commission (FCC)  entbehre „inhaltlich jeder Grundlage. Sie hat keine Auswirkungen auf das Deutschlandgeschäft der Hytera Mobilfunk GmbH.“

Bis 2012 gehörte das Unternehmen noch zu Rohde & Schwarz, dem führenden deutschen Anbieter für Cybersicherheit für militärische und zivile Kunden. 78 Millionen Euro setzte die deutsche Tochter von Hytera, die neue Produkte entwickelt und den Vertrieb in Europa und Südamerika verantwortet, 2019 um – fast elf Millionen davon entfielen auf deutsche Kunden. Die Streitkräfte von Nato-Partnern wie Norwegen, sowie Brasilien und Südkorea funken mit dem mobil einsetzbaren „Tetra Cubes“.

In Deutschland gehört neben der Bundeswehr die Autobahn Sachsen zu den Kunden von Hytera, dazu betreiben die Verkehrssysteme in Leipzig und Würzburg und in der Region Bochum-Gelsenkirchen-Herne ihren Funk mit Hytera-Systemen. Auch die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag funkt bei ihrem Übertagebau komplett mit Hytera. Auch führende deutsche Autobauer nutzen „Tetra made by Hytera“ auf ihren Betriebsgeländen.

Eurotunnel und Panama-Kanal unter Kunden

Im Ausland sind die Kunden noch deutlich eindrucksvoller: So funkt in den Niederlanden sowohl die Polizei als auch alle Rettungsdienste auf der chinesischen Technologie – ebenso das britische Notfallsystem. In Nordmazedonien rüstete Hytera gleich Polizei, Innenministerium und Grenzschutz aus. Doch auch verkehrstechnisch entscheidende Nadelöhre wie der Eurotunnel und der Panama-Kanal sind Kunden von Hytera.

Die Spurensuche, wie die robuste Funktechnologie Tetra, die weltweit in sicherheitsrelevanten Behörden wie Polizei und Feuerwehr, im militärischen Bereich und bei Öl- und Gas-Pipelines oder Energieversorgern eingesetzt wird, in chinesische Hände geraten konnte, führt zu Heinz Bick. Der Ingenieur hatte sein Unternehmen für professionellen Funk 1980 gegründet – ihm gelang als erstem Techniker die Entwicklung einer wetterfesten Tetra-Basisstation für den Außeneinsatz. Schon 1988 nahm er Rohde & Schwarz (R&S) als Teilhaber mit ins Boot. Vier Jahre später kaufte R&S die Mehrheit und übernahm das Unternehmen 2007 komplett. In den 90er Jahren war die stürmischste Wachstumsphase des Geschäfts, damals lieferte die R&S Bick Mobilfunk 75 Prozent aller Bündelfunksysteme in Deutschland, der nächstgroße Konkurrent war Nokia.

Das Tetra-Netz entspricht in der Qualität noch heute am ehesten dem längst abgeschalteten 2G-Mobilfunknetz. Hier geht es um Robustheit der Sprachfunktion, nicht schnelle Datenübertragung. Doch der Markt änderte sich – neben dem Einmalgeschäft mit dem Aufbau von stabilen Netzen war auch die stetige Versorgung mit Handgeräten nötig – die aber wollte Rohde & Partner nicht bauen. Es machte Sinn, beide Dienstleistungen aus einer Hand zu verkaufen, wie es auch die Wettbewerber Motorola und Nokia taten. China wiederum hatte die Tetra-Technologie verschlafen und war erpicht darauf, einen Fuß in diesen Markt zu bekommen.

So übernahm die chinesische Hytera das Unternehmen. Seitdem verdoppelte sich der Umsatz des von jeher exportlastigen Geschäfts der deutschen GmbH. In Deutschland entstanden bei der Hytera Mobilfunk  seither 100 zusätzliche Arbeitsplätze - es gab sogar Zuschüsse aus deutschen Steuergeldern für den Bau von einem neuen Technologiezentrum in Bad Münder.

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