Chinesischer Corona-Impfstoff Chinas Impfstoff ist beliebter als vielleicht vermutet

Das EU-Land Ungarn hat fünf Millionen Dosen des in der EU nicht zugelassenen chinesischen Impfstoffs Sinopharm bestellt. Quelle: imago images

Die Regierung in Peking hat bislang vor allem Entwicklungsländern auf der Südhalbkugel ihre Impfstoffe angeboten. Doch auch in Europa finden die Chinesen immer mehr dankbare Abnehmer.

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Der Streit zwischen Großbritannien und der EU um die Lieferung des Impfstoffes von AstraZeneca scheint in China ziemlich weit weg zu sein. Trotzdem brauchte die parteinahe Zeitung „Global Times“ nicht lange, um das Thema für sich zu entdecken. „Inmitten eines heißen Rennens um die Verteilung von Impfstoffen wären chinesische Impfstoffe eine verlässliche Wahl und ein weiteres Instrument für die EU, um die Öffentlichkeit so schnell wie möglich zu impfen“, analysierte die Zeitung kürzlich.

Genau das dachte sich offenbar auch Ungarns Ministerpräsident Victor Orban. Nachdem er bereits in Moskau zwei Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V bestellt hatte, ließ er Ende vergangener Woche auch fünf Millionen Dosen des Impfstoffes der chinesischen Firma Sinopharm bestellen.

Ungarns oberste Amtsärztin Cecilia Müller hatte zuvor erklärt, dass Sinopharm in Ungarn eine Notzulassung erhalten habe. Möglich ist das nur, weil Orban eine Verordnung erließ, die es ermöglicht, nicht in der EU zugelassene Impfstoffe gegen das Coronavirus unter bestimmten Bedingungen ohne Prüfung einzusetzen.

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Ungarn ist zwar das erste EU-Land, das auf einen chinesischen Impfstoff setzt. Auf dem europäischen Kontinent gibt es aber schon eine ganze Reihe anderer Staaten, die ähnlich vorgehen.

Der EU-Beitrittskandiat Serbien erhält bereits seit Beginn seiner Impfkampagne Impfstoff aus China, wozu die „Global Times“ ebenfalls eine eindeutige Meinung liefert: „Serbiens Bemühungen, seine Beziehungen zu China aufzubauen, zahlen sich mit der Führerschaft bei Impfungen in Europa aus“, schrieb das Blatt. Auch die Ukraine und die Türkei haben sich für Impfstoff aus China entschieden. Mit Belarus laufen darüber Gespräche, wie das chinesische Außenministerium mitteilte.

Beobachter in Peking gehen davon aus, dass die chinesische Regierung auch auf dem für kommende Woche geplanten Online-Gipfel mit 17 mittel- und osteuropäischen Nationen für seine Impfstoffe werben wird. Der sogenannte 17+1-Gipfel, von dem Kritiker sagen, dass er China als Plattform dient, um seinen Einfluss in Europa auszuweiten, war davor zwei Mal in Folge wegen der Coronapandemie abgesagt worden.

So läuft es bei Curevac, Sinopharm und Co.
In der Europäischen Union ist ein dritter Covid-19-Impfstoff zugelassen worden. Die Europäische Kommission erteilte dem Vakzin des Pharmakonzerns AstraZeneca am Freitag die Genehmigung für eine bedingte Marktzulassung für Erwachsene ab 18 Jahren. Zulassungen in der EU erhielten zuvor bereits die Impfstoffe der Partner Biontech und Pfizer sowie von Moderna. Weltweit forschen Pharmafirmen mit Hochdruck an Impfstoffen und Medikamenten gegen das neuartige Coronavirus. Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO befinden sich gegenwärtig 63 Impfstoffprojekte in der klinischen Entwicklung, davon 16 in für die Zulassung entscheidenden Phase-3. Es folgt eine Auswahl der zugelassenen Impfstoffe und der wichtigsten in der Testphase befindlichen Impfstoff-Kandidaten: Quelle: dpa
Biontech/Pfizer: Großbritannien ließ den Impfstoff als weltweit erstes Land am 2. Dezember zu. Viele weitere Länder sind inzwischen gefolgt – darunter die USA, Kanada, Mexiko, die Schweiz, Saudi-Arabien und Singapur sowie die EU-Staaten. In der EU erhielt das Vakzin die bedingte Marktzulassung am 21. Dezember, sechs Tage später lief die Impfkampagne an. Studien zufolge hat der Impfstoff eine Wirksamkeit von 95 Prozent – das heißt, die Wahrscheinlichkeit an Covid-19 zu erkranken, ist mit Impfung um 95 Prozent geringer als ohne. Großangelegte Tests an mehreren Tausend Probanden hatten Ende Juli begonnen. Das Mittel mit der Bezeichnung BNT162b2 kommt unter dem Namen „Comirnaty“ auf den Markt. Der Impfstoff basiert auf einem neuen Ansatz, der sogenannten Boten-RNA (mRNA).Mehr zum Thema: Inzwischen helfen auch Pharmakonzerne wie Bayer, Sanofi und Novartis bei der Produktion. Bis die neuen Anlagen anlaufen, werden aber noch Monate vergehen Unsere Grafik zeigt, wer wo im Impfstoff-Rennen dabei ist. Quelle: REUTERS
Moderna: Als zweiter Impfstoffhersteller nach Biontech und Pfizer erhielt Moderna in den USA am 18. Dezember eine Notfallzulassung. Die EMA machte den Weg am 6. Januar für den Einsatz in der EU frei. Der US-Biotechkonzern hatte im November positive Ergebnisse aus seiner zulassungsrelevanten Studie veröffentlicht. Demnach zeigt der Impfstoff, der ebenfalls auf dem mRNA-Ansatz basiert, eine Wirksamkeit von gut 94 Prozent. Moderna hatte als erstes Unternehmen weltweit Mitte März eine klinische Studie der Phase I mit einem Corona-Impfstoff gestartet. Ende Juli begann die entscheidende Phase-III-Studie mit mehr als 30.000 Teilnehmern.Mehr zum Thema: Verpatzte Impfkampagne, analoge Ämter und stockende Hilfen – Berlin und Brüssel drohen an der „Jahrhundertaufgabe“ Corona zu scheitern. Die Infektionszahlen sinken. Aber die Lage spitzt sich zu. Quelle: AP
AstraZeneca: Der britisch-schwedische Pharmakonzern entwickelte den Impfstoff zusammen mit der Universität Oxford. Großbritannien ließ das Vakzin am 30. Dezember als weltweit erstes Land zu. Es folgten unter anderem Notfallgenehmigungen in Argentinien, der Dominikanischen Republik, El Salvador, Mexiko, Marokko, Indien, Südafrika und Chile. AstraZeneca hat bislang nur Ergebnisse der Phase-III-Studien im Vereinigten Königreich und Brasilien veröffentlicht. Danach zeigte der Impfstoff eine durchschnittliche Wirksamkeit von gut 70 Prozent. Das Vakzin beruht auf einer eher herkömmlichen Herstellungsweise und ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, der auf Erkältungsviren von Affen basiert. Er kann bei normalen Kühlschrank-Temperaturen gelagert und transportiert werden, während das Biontech/Pfizer-Vakzin bei minus 70 Grad gelagert werden muss.Mehr zum Thema: Nie war die Pharmaindustrie so wertvoll wie heute, da alle Welt ihre Impfstoffe benötigt. Hersteller wie Astrazeneca hätten zu Helden der Pandemie werden können. Doch leider verspielen sie gerade ihre große Chance. Quelle: REUTERS
Johnson & Johnson: Der US-Pharmakonzern hatte seine Phase-III-Wirksamkeitsstudie Ende September gestartet und veröffentlichte am 29. Januar Ergebnisse. Anfang Februar will das Unternehmen in den USA eine Notfallgenehmigung beantragen. Laut J&J zeigte der Impfstoff in einer weltweiten Studie mit rund 44.000 Teilnehmern eine Wirksamkeit von 66 Prozent. Eine höhere Wirksamkeit von 72 Prozent zeigte das Vakzin in einer Untersuchung in den USA. Die unterschiedlicheren Studienergebnisses hängen offenbar auch mit den ansteckenderen Virus-Mutanten zusammen. In Südafrika, wo eine solche festgestellt wurde, zeigte der Impfstoff nur eine Wirksamkeit von 57 Prozent. Der Impfstoff soll den Vorteil bieten, dass von ihm nur eine Dosis verabreicht werden muss und nicht wie üblich zwei, zudem muss das Mittel nicht tiefgefroren gelagert werden.Mehr zum Thema: Biontech & Moderna sind die frühen Stars der Coronaimpfstoffproduktion. Doch schon bald kommen verbesserte Vakzine auf den Markt. Etwa von Johnson & Johnson. Quelle: REUTERS
Novavax: Das US-Biotechunternehmen veröffentlichte am 28. Januar erste Zwischenergebnisse aus der entscheidenden Phase-3-Studie mit seinem Impfstoff im Vereinigten Königreich. Demnach zeigte das Vakzin eine Wirksamkeit von gut 89 Prozent. Die Studie, an der 15.000 Menschen zwischen 18 und 84 Jahren teilnahmen, solle Grundlage für das Zulassungsverfahren in Großbritannien, der EU und anderen Staaten werden. Da es sich aber um Zwischenergebnisse handelt, wird es nach Angaben von Novavax noch zwei bis drei Monate dauern, bis Zulassungsanträge gestellt werden können. Quelle: dpa
Curevac: Der Tübinger Impfstoffentwickler hat im Juni mit der klinischen Erprobung seines Vakzins begonnen und startete vor Weihnachten die zulassungsrelevante Studie mit mehr als 35.000 Teilnehmern. Erste Ergebnisse werden im ersten Quartal 2021 erwartet. In der Phase-I-Studie, an der mehr als 250 Probanden teilnahmen, wurde der Impfstoff in verschiedenen Dosierungen getestet. Er zeigte eine gute Verträglichkeit und eine ausgewogene Immunantwort. Der Bund unterstützt das Projekt mit bis zu 252 Millionen Euro, im Sommer war er mit 300 Millionen Euro bei Curevac eingestiegen. Curevac teilte am 7. Januar mit, Unterstützung vom Leverkusener Bayer-Konzern bei der Entwicklung und Lieferung des Impfstoffs zu erhalten.Mehr zum Thema: Als erstes Unternehmen legt Curevac den Vertrag mit der EU-Kommission zu den Impfstoffbestellungen offen. Die Konkurrenz aber zögert. Quelle: dpa

Längst wird auch im Herzen der EU über die Zulassung chinesischer und russischer Impfstoffe offen nachgedacht. „Wenn ein Impfstoff sicher und wirksam ist, egal in welchem Land er hergestellt wurde, dann kann er bei der Bewältigung der Pandemie natürlich helfen“, zitierte die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ am Wochenende Gesundheitsminister Jens Spahn. Zuvor hatte sich bereits Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dafür ausgesprochen, dass die europäischen Zulassungsbehörden schnellstens auch den russischen und chinesischen Impfstoff prüfen.

Kritik an der Intransparenz der chinesischen Impfstoffe gibt es dabei längst nicht nur im Westen. Selbst chinesische Forscher beklagen sich darüber. So kommen Untersuchungen in verschiedenen Ländern zu sehr unterschiedlichen Quoten bei der Impfstoffwirksamkeit. Im Unterschied zu den chinesischen Impfstoffen sind die Testreihen zum Beispiel von Biontech längst in international renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht.

China selbst geht bei der Impfung der eigenen Bevölkerung pragmatisch vor. Zwar griffen chinesische Staatsmedien zuletzt Fake-News auf, wonach der Impfstoff von Biontech in Europa eine ungewöhnlich große Zahl von Todesfällen unter alten Menschen ausgelöst habe. Doch daran, dass der Impfstoff der Mainzer bald in der Volksrepublik zum Einsatz kommen wird, gibt es keine Zweifel.

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Wie so viele waren auch die Chinesen bei ihrer Bestellung schneller als die EU. Bereits im März 2020 hatten Biontech und Fosun Pharma eine Zusammenarbeit vereinbart. Fosun kümmert sich um die Zulassung und die Vermarktung der Impfstoffe in China. Die Gewinne daraus wollen sich beide Unternehmen teilen.

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