Clinton und Trump im Wirtschaftswahlkampf Große Versprechen verdecken große Ratlosigkeit

Hilary Clinton will mit einem riesigen Investitionsprogramm für neues Wachstum sorgen. Doch selbst wenn das gelänge, wären die sozialen Wunden Amerikas nicht geheilt - eher im Gegenteil.

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US-Konjunktur: Hillary Clinton verspricht neue Arbeitsplätze. Quelle: dpa Picture-Alliance

An wahnhaften Äußerungen aus Amerika herrscht seit Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes kein Mangel. Dafür sorgt vor allem Donald Trump. Einige seiner Äußerungen jüngeren Datums sind nicht mehr lustig oder peinlich, wie in der Frühphase der Vorwahlen. Wenn ein möglicher Präsident der größten Militärmacht der Welt anscheinend ernsthaft fragt, warum das Militär nicht einfach mal Atombomben einsetze, muss man sich tatsächlich Sorgen machen. Auch wenn ein deutscher Außenminister besser beraten wäre, seine Empörung runterzuschlucken. Schließlich wird er im schlimmsten Fall diesem „Hassprediger“ einmal im Weißen Haus die Hand schütteln müssen.

Diese Firmen fuhr Donald Trump gegen die Wand
CasinosNeben zahlreichen Gebäudekomplexen, besaß Trump einst auch Casinos. Unter dem Label „Trump Entertainment Resorts“ liefen drei Spielhäuser auf seinen Namen: Trump Taj Mahal, Trump Plaza und Trump Marina. 2014 meldete Trump Entertainments allerdings zum wiederholten Male Insolvenz an. Seiner Meinung nach ein gekonnter Schachzug: „Wir nutzen die Gesetze. Wir eröffnen ein Verfahren, wir verhandeln mit den Banken, wir machen einen fantastischen Deal“, sagte er 2011 in der ABC-Talkshow „This Week“. Die Investmentfirma des bekannten Großinvestors Carl Icahn kaufte "Trump Entertainment" im vergangenen Monat mitten im Wahlkampf und im laufendem Insolvenzplan auf. Er habe mit Casinos nichts zu tun, da stünde nur sein Name drauf, sagt der Milliardär Trump heute. Quelle: PR
HypothekenAuf die Idee von „Trump Mortgage“, zu deutsch Hypothek, kam der Geschäftsmann im Jahr 2006 - genau ein Jahr bevor die Immobilienblase in den USA platzte. Damals sagte er gegenüber dem Fernsehsender CNBC: „Ich denke, es ist eine großartige Zeit ein Hypotheken-Unternehmen aufzuziehen. Der Immobilienmarkt wird noch für eine lange Zeit sehr stark sein.“ Das scheint Trump allerdings vergessen zu haben. Er behauptete im Vorwahlkampf, er habe die Krise kommen sehen. Quelle: REUTERS
Fluglinie1989 kaufte Trump seine eigene Airline. Er baute die Fluggesellschaft zu einer Luxusvariante um und nannte sie „Trump Shuttle“. Die sollte Geschäftsleute zwischen New York, Boston und Washington hin- und herfliegen. Das Innere der Boeing 727 wurde nobel mit Ahorn-Täfelung und verchromten Sitzgurt-Schnallen ausgestattet, in den Toiletten wurden goldene Armaturen angebracht. Aber die Passagiere wollten lieber bessere Verbindungen. Als dann in Folge des Einmarsches irakischer Truppen in Kuwait der Ölpreis in die Höhe schnellte und der Nordosten der USA selber in eine Rezession schlitterte, war es vorbei. Trump Shuttle war überschuldet. Das Unternehmen wurde verkauft. Am Ende ging Trumps Flotte in US Airways auf. Quelle: AP
Brettspiel ums Geld1989 benannte Trump ein Brettspiel nach sich. Natürlich ging es im Stil von Monopoly darum, wer am Ende das meiste Geld hat. Kurz nach seiner Veröffentlichung wurde die Produktion des Spiels eingestellt. 2005 versuchte er es mit einer Neuauflage in Zusammenarbeit mit Parker Brothers. Aber auch diese Version war ein Flop. Quelle: AP
ReiseportalWenn man heute GoTrump.com eingibt, wird man automatisch auf die offizielle Wahlkampfseite von Donald Trump weitergeleitet. Wo jetzt zu Spenden aufgerufen wird, befand sich vor zehn Jahren noch eine Reisesuchmaschine. Ein Jahr später war die Seite offline. Quelle: Screenshot GoTrump.com
ZeitschriftHier ist Trump bei einem Cover-Shooting für das TIME-Magazin zu sehen, es gab allerdings auch Zeiten als Trump sein ganz eigenes Magazin herausbrachte. Das beschrieb er bei der Veröffentlichung 2007 folgendermaßen: „Trump Magazine wird die Leidenschaften seiner wohlhabenden Leserschaft reflektieren.“ Nur anderthalb Jahre später wurde das Magazin für „VIPS und sehr einflussreiche Menschen“ eingestellt. Quelle: REUTERS
Edel-SteaksEin Steak mit dem Namen Trump gebrandmarkt: Eigens für den Verkauf über die Händlermarke "Sharper Image" konnte man ab 2007 ganze 16 Steaks für bis zu 999 Dollar erwerben. Mittlerweile werden die Steaks nicht mehr frei für jedermann verkauft, dafür aber in jedem Gebäude serviert, das zum Trump-Imperium gehört. Für den Milliardär sind es "die besten Steaks der Welt.“ Quelle: AP

Für keine Empörung sorgt dagegen eine Ankündigung von Trumps Gegnerin Hillary Clinton, in der auch eine gute Portion Wahn steckt. Und deren Umsetzung ist angesichts ihrer deutlich größeren Wahlchancen sehr viel wahrscheinlicher als die halbgaren Prahlereien Trumps. Es geht um das von Clinton versprochene größte Investitionsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg.

Sie hat sich ganz offensichtlich angesichts des großen Zuspruchs für ihren nur knapp abgehängten innerparteilichen Konkurrenten Bernie Sanders an die eher linke und keynesianische Tradition der demokratischen Partei erinnert. Franklin D. Roosevelts legendärer „New Deal“ lässt grüßen.

Vom damals während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre herrschenden  Massenelend der unteren Schichten - durch die Romane John Steinbecks veranschaulicht - ist das heutige Amerika zwar sehr weit entfernt. Aber die Radikalisierung des Wahlkampfes zeigt, dass die wachsende soziale Ungleichheit, verwoben mit dem wieder erstarkenden Ressentiments zwischen den Rassen, am Zusammenhalt der Gesellschaft noch mehr nagt als im sozialstaatlich verfassten Europa.

Vom „Digital Divide“, der digitalen Trennung, ist die Rede: Die kreativen Eliten, die von den neuen digitalen Techniken als Unternehmensgründer oder gut bezahlte Angestellte profitieren, und die ohnehin schon Reichen, die durch Finanzinvestition in ebenjene neuen Unternehmen noch reicher werden, stehen auf der Gewinnerseite dieser Trennlinie. Auf der Verliererseite stehen die um ihren Job fürchtenden Industriearbeiter und die digitaltechnologisch Minderbemittelten, denen oft nur die Arbeiten verbleiben, zu denen Roboter oder Computer (noch?) nicht in der Lage sind: Putzen, Kochen, Pflegen, etc.  

Dazu kommt vielleicht noch stärker als in den westeuropäischen Einwanderungsgesellschaften das Gefühl der Weißen auf der Verliererseite, durch Zuwanderung austauschbar geworden zu sein. Nicht nur als potenzielle Arbeitnehmer, sondern auch als Objekte der Fürsorge des Staates und seiner Funktionseliten. Hier ist zumindest teilweise der Grund für die extreme Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft und das daraus erwachsene Phänomen Trump zu finden.  

Auf die brennenden Fragen der Zeit, vor allem für die Suche nach mehr Stabilität angesichts der wachsenden sozialen Ungleichgewichte, hat die professionelle Elitenvertreterin Clinton allerdings offenbar ebenso wenig eine neue Antwort zu bieten wie der polternde Milliardärs-Proll Trump. Ihre Angebote sind beide Rückgriffe auf die Zeiten der großen ökonomischen Expansion in der Mitte und zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Trump lockt mit dem alten Wundermittel der Steuerkürzung. Er setzt, wie einst zu Reagonomics-Zeiten, auf den „Trickle-down-Effekt“, also darauf, dass von den zusätzlichen Früchten der Reichen auch genug zu seinen weniger begüterten Wählern durchsickert. Doch das funktionierte allenfalls in Zeiten sehr hoher Wachstumsraten einigermaßen. Clinton greift noch weiter zurück: nämlich auf das alte keynesianische Rezept der staatlichen Großinvestitionen zur Ankurbelung der Nachfrage. Wie weiland Roosevelts Regierung, die – inspiriert durch den damaligen Ökonomie-Superstar John Maynard Keynes - durch den Bau von Straßen, Brücken und Tunnels Millionen neuer Jobs schuf, will auch Clinton ein riesiges öffentliches Investitionsprogramm starten. Finanziert durch neue Staatsschulden – was sonst.  

Unzufriedene Weiße

Beide Konzepte werden, selbst wenn sie ihren ökonomischen Zweck – mehr Wachstum – vordergründig erfüllen, das Problem wohl nicht grundlegend lösen können, sondern es möglicherweise sogar noch verschärfen. Denn in einer derart reifen Volkswirtschaft und reichen Gesellschaft wie den USA laufen beide Rezepte auf erneute Verschärfungen der Bedingungen heraus, die diese Probleme erst geschaffen haben: mehr Staatsschulden, also mehr Abhängigkeit des Staates und der ganzen Gesellschaft von den Finanzmärkten und langfristig immer weniger Spielraum für die (Sozial-)Politik. Hinter den großspurigen Plänen und Versprechungen aus vergangenen Epochen verbirgt sich die reine Ratlosigkeit, wie es mit dem amerikanischen Kapitalismus und dem Land weitergehen kann.

Diese Ratlosigkeit herrscht in allen früh industrialisierten und heute hochentwickelten westlichen Gesellschaften. Man glaubt einen Organismus durch immer höhere Doping-Dosen anfeuern zu müssen – in der immer weniger begründbaren Hoffnung, dass er irgendwann wieder aus eigener Kraft immer wieder über sich selbst hinauswächst - wie in seinen Jugendjahren. Amerika als Modell der Moderne und Wirtsnation des Kapitalismus leidet natürlich besonders an den Phantomschmerzen einer Gesellschaft, die sich (noch) nicht damit abfinden kann, dass die ökonomischen Expansionsmöglichkeiten offensichtlich an Grenzen stoßen. Das Gebot des "immer weiter, immer mehr!" ist schließlich in keinem Land so sehr Grundlage des nationalen Selbstverständnisses wie in den USA.

Für Amerika gilt in ganz besonderer Weise, was für alle kapitalistischen Gesellschaften gilt: Die Leute sind nicht unbedingt zufrieden, wenn es ihnen nach objektiven Kriterien gutgeht. Entscheidend ist, dass es ihnen besser geht als früher, als den Eltern und vor allem als den Nachbarn: „Keeping up with the Joneses“ lautet die Parole. Der Schwarze oder der hispanische Einwanderer, der sich gerade so durchschlägt, ist womöglich zufriedener als ein Mittelklasse-Weißer in Kentucky, der das Gefühl hat, mit seinen früheren Klassenkameraden nicht mithalten zu können und sich von selbstgerechten Bewohnern der West- oder Ostküste als „white trash“ bezeichnen lassen muss.

Für viele weiße Männer in Amerika ist es derzeit besonders schwierig, aus Vergleichen mit anderen Zufriedenheit zu gewinnen. 73 Prozent der weißen Amerikaner sagen, so eine Umfrage vor einigen Monaten, dass sie mindestens einmal am Tag sauer sind, aber nur 56 Prozent der Schwarzen und 66 Prozent der Hispanics. Die Weißen, zumindest die auf der Verliererseite des Digital Divide, erleben, dass sie allmählich als Kollektiv ihre dominierende Stellung verlieren. In früheren Generationen konnten selbst durchschnittlich erfolgreiche weiße Männer Selbstbewusstsein aus ihrer Überlegenheit über Frauen und nicht-weiße Männer beziehen. Vorbei.

50 prominente Republikaner haben mit scharfen Worten vor einer Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten gewarnt - dem Kandidaten ihrer eigenen Partei.

Egal, ob Trump oder Clinton an die Macht kommt: mit ihren gestrigen oder vorgestrigen Wirtschaftsrezepten werden beide die heutigen und morgigen sozialen Wunden nicht grundlegend heilen. Das Wachstum, das sie sich erhoffen, ist erstens schlicht unmöglich und zweitens würde es wohl mehr neue Wunden schlagen als alte heilen. Denn seine Profiteure wären sicher nicht in erster Linie die wütenden weißen Männer von Kentucky.

Dem Zeitalter der säkularen Stagnation, das Ökonomen wie Larry Summers vermutlich zu Recht voraussehen, werden Gesellschaften und ihre Eliten nicht entkommen. Man wird sich in ihm einrichten müssen. Amerika wird der Abschied vom immer neuen Aufstieg besonders schwerfallen.

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