Corona-Hilfsmaterial China wirft die Propaganda-Maschine an

Hier kommen medizinische Produkte aus China auf dem Flughafen Lüttich an. Quelle: imago images

China schickt in großem Stil Masken, Schutzanzüge und Beatmungsgeräte nach Europa. Die Lieferungen sind allerdings alles andere als selbstlos. Die kommunistische Führung will ihr Image aufbessern – und über Versäumnisse im eigenen Land hinwegtäuschen.

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In einer Woche mit vielen schlechten Nachrichten wandte sich Italiens Außenminister Luigi di Maio vergangenen Donnerstag über Facebook an seine Mitbürger. Die Zahl der Corona-Infizierten steige leider weiter, sagte der Politiker der Fünf-Sterne-Bewegung mit besorgter Miene. Dann schwenkte die Kamera auf seinen Laptop, und die guten Nachrichten konnten beginnen. In Rom war soeben ein Flugzeug aus China gelandet, das Hilfsgüter nach Italien liefert. „Es gibt Solidarität“, unterstrich Di Maio und drehte sich auf seinem Bürostuhl.

Es war eines von vielen Flugzeugen aus China, das in diesen Tagen in Europa landet, um dringend benötigtes Hilfsmaterial im Kampf gegen das hochansteckende Corona-Virus zu bringen. Im belgischen Lüttich, ab kommenden Jahr das Logistikzentrum des chinesischen Onlinehandelsriesen Alibaba, haben die Maschinen für ebenso großen Enthusiasmus gesorgt wie im spanischen Zaragoza. Die EU-Kommission verhandelt mit China über weitere Hilfe, die unter den 27 Ländern verteilt werden soll. Diplomaten erwarten noch diese Woche eine offizielle Ankündigung. Und im Beitrittskandidatenland Serbien versteigt sich Präsident Aleksander Vucic gar zu der Aussage: „China ist das einzige Land, das uns helfen kann.“

Doch was verbirgt sich wirklich hinter der chinesischen Großzügigkeit? „Nur ein kleiner Teil der Lieferungen sind Spenden“, schätzt Lucrezia Poggetti von der auf China spezialisierten Denkfabrik Mercator Institute for China Studies in Berlin. Für den Rest bezahlten die Europäer. Den Chinesen kommt sichtlich zupass, dass die in China wieder anlaufenden Fabriken in Europa reißenden Absatz finden.

China-Experten wie Poggetti sprechen in diesen Tagen davon, dass China seine Propaganda-Maschine angeworfen hat. „Aus dem Parteistaat China kommen Gesten, die der europäischen Bevölkerung im Gedächtnis bleiben sollen“, beobachtet Poggetti.

Damit will die Führung ganz offensichtlich von Versäumnissen im eigenen Land ablenken. Zu Beginn der Corona-Krise hat China die Welt nur sehr ungenügend über die Krankheit informiert und das Ausmaß der Probleme heruntergespielt. Mit der Wahrheit nimmt es die chinesischen Führung weiter nicht so genau. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums postete ein Video auf Twitter, in dem Italiener von ihren Balkonen angeblich „Grazie Cina“ rufen, um sich für die Hilfslieferungen zu bedanken. Das Video ist eine Fälschung.

Wenn das Narrativ von China als großem Helfer trotzdem durchsetzt, dann liegt das daran, dass die Chinesen in Europa Verbündete finden, die gerne am Mythos mitarbeiten. Italiens Außenminister Di Maio etwa, in der italienischen Presse schon als „chinesischer Minister“ tituliert, hat ein politisches Interesse, die chinesischen Anstrengungen möglichst positiv darzustellen. Er hat im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass Italien als erstes Land der G7 der chinesischen Seidenstraßeninitiative beigetreten ist. In der EU hat das zu erheblicher Kritik geführt. Jetzt versucht er seinen Landsleuten zu suggerieren, dass sich die Annäherung an die asiatische Großmacht für Italien ausgezahlt hat.

Die chinesische Staatsführung hat bei der Hilfsaktion für Europa Chinas Unternehmen eng eingebunden. Alibaba hat alleine zwei Millionen Gesichtsmasken versprochen. Offiziell zuständig sind die Alibaba Stiftung und die Stiftung von Gründer Jack Ma. „Der Alibaba-Gründer Ma ist ein prominentes Mitglied der kommunistischen Partei und weiß, wie die Dinge laufen“, sagt Poggetti. Auch der Telefonhersteller Xiaomi sowie der Mobilfunkausrüster Huawei sind an der konzertierten Aktion beteiligt. Huawei hat Krankenhäusern in Italien Technologie versprochen, um den Datenfluss zwischen den Krankenhäusern zu verbessern und will ebenfalls Schutzmasken liefern. Der umstrittene Konzern will den Kampf gegen das Coronavirus offenbar gezielt zur Imageverbesserung nutzen. Denn Hilfe soll auch nach Tschechien und Polen gehen - wie Italien Länder, die Huawei beim Aufbau ihrer 5G-Netze skeptisch gegenüber stehen und streng regulieren wollen.

Bisher unbekannt ist, wer die Sinnsprüche auswählt, mit denen die Hilfslieferungen versehen werden. „L´Union fait la force. Eendracht maakt macht“, stand in den Landessprachen Französisch und Niederländisch auf den Masken für die Belgier getreu dem Landesmotto „Einigkeit macht stark“. Auf den italienischen Masken wurde es noch poetischer. Sie waren mit Zeilen aus der Puccini-Arie „Nessun dorma“ versehen. Das passt. Denn auch die chinesische Propagandamaschine schläft nicht.

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