Corona-Impfstoff Diese Deutsche hat den Biontech/Pfizer-Impfstoff in den USA freigegeben

Pfizer und Biontech hatten im vergangenen Monat einen Antrag auf Notfallzulassung bei der FDA eingereicht. Quelle: dpa

Nachdem das Weiße Haus mächtig Druck auf die Arzneimittelbehörde FDA ausgeübt hatte, wurde der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer dort nun zugelassen. Die USA sind damit das sechste Land, dass den Impfstoff genehmigt.

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So richtig überschwänglich reagierte Marion Gruber nicht, nachdem das Beratungsgremium der amerikanischen Arznei- und Lebensmittelaufsicht FDA am Donnerstag die Notfallzulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs gegen Covid-19 empfohlen hatte. „Wer werden das, was wir heute gehört haben, in Erwägung ziehen. Nicht nur, wenn es um die Notfallzulassung geht, sondern auch, mit Blick auf die endgültige Lizenzierung des Produkts“, so die Biologin. Gruber leitet die FDA-Impfstoffbehörde. Am Ende entschieden sie und ihr Team darüber, dass die Anti-Coronaspritze von Biontech und Pfizer in den USA zugelassen wird.

Damit sitzt eine in Deutschland geborene Wissenschaftlerin an einer der weltweit wichtigsten Schaltstellen für die Bekämpfung der Pandemie. Gruber, ursprünglich aus einem Dorf bei Itzehoe, studierte Biologie in Ulm, promovierte schließlich am Institut für Mikrobiologie und Immunologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit magna cum laude.

Bald darauf wurde Deutschland zu klein für die aufstrebende Wissenschaftlerin. Über eine Postdoc-Stelle in Oklahoma landete sie einen frischen Doktortitel im Gepäck in den USA – und bald darauf beim Center for Biologics Evaluation and Research (CBER) bei der FDA. Das war 1989. Dort arbeitete sie sich über die Jahre zur Direktorin der Impfstoffbehörde hoch. Mittlerweile leitet sie die Abteilung mit Sitz in Silver Spring, Maryland, einem Vorort von Washingtin, DC, seit mehr als neun Jahren.

Dr. Marion Gruber (FDA) im SWR Exklusiv-Interview (Screenshot) Quelle: SWR

Am Freitag warteten die USA sehnsüchtig auf das Urteil der Biologin – den „Gruber Moment“, wie er in manchen Fachpublikationen bereits genannt wird. Wann genau ihre Abteilung über die Notfallzulassung des Impfstoffs entscheiden würde, war bis zuletzt nicht klar. Gruber schwieg dazu bis zuletzt. Man wolle sich nicht hetzen lassen, die Sicherheit gehe vor. Nach dem Votum des Beratungsgremiums werde es „sehr schnell“ gehen, sagte Gruber kürzlich im Interview mit dem SWR. Ob das jedoch Tage oder Wochen bedeutet, darüber schwieg sie sich aus.

Am Ende waren es nur Tage. Am Freitagabend (Ortszeit) teilte die US-Arzneimittelbehörde FDA mit, dass der Impfstoff des Mainzer Pharma-Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer eine Notfallzulassung bekomme und somit nun bei Menschen ab 16 Jahren eingesetzt werden könne. Grubers Chef, der Leiter der FDA Stephen Hahn sprach von einem „bedeutenden Meilenstein im Kampf gegen diese verheerende Pandemie“.

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Grubers Vorsatz, sich nicht hetzen lassen zu wollen, schien jedoch in den vergangenen Tagen ins Wanken gekommen zu sein – zumindest konnte dieser Meinung sein, wer die Medienberichte in den USA verfolgte. Verschiedene Zeitungen und Fernsehsender berichteten, das Weiße Haus habe die FDA mit Drohungen zur umgehenden Notfallzulassung gedrängt haben. So soll die Trump-Administration FDA-Chef Hahn nach übereinstimmenden Medienberichten am Freitag die umgehende Zulassung des Impfstoffs gefordert haben – verbunden mit Drohungen. Die „Washington Post“ berichtete, der Stabschef des Weißen Hauses, Mark Meadows, habe Hahn aufgefordert, die Kündigung einzureichen, sollte der Biontech/Pfizer-Impfstoff nicht vor Ablauf des Tages zugelassen werden. Die „New York Times“ berichtete, Meadows habe Hahn gesagt, dieser solle andernfalls erwägen, nach einem anderen Job Ausschau zu halten.

Hahn selber sprach in einer Stellungnahme an US-Medien dagegen von „einer unwahren Darstellung des Telefonats mit dem Stabschef“. Die FDA sei „ermutigt“ worden, den Antrag von Biontech und Pfizer zügig zu bearbeiten. Die „New York Times“ berichtete, die Behörde habe die Zulassung für Samstagmorgen geplant gehabt. Es sei unklar, was eine um einen halben Tag beschleunigte Zulassung an Vorteilen bringe.

Donald Trump preist die USA mit falschen Fakten

Der abgewählte US-Präsident Trump präsentierte die Entwicklung als einen Erfolg seiner Regierung: Die USA seien „das erste Land der Welt“, das einen nachweisbar sicheren und wirksamen Impfstoff produziere. Eine nachweislich falsche Aussage, da das US-Unternehmen Pfizer lediglich als Partner an der Entwicklung des Impfstoffs durch das deutsche Unternehmen Biontech beteiligt war. Das Biotechunternehmen hat in einer Rekordzeit von nur zehn Monaten, unterstützt vom US-Konzern, in Mainz den Impfstoff BNT162b2 entwickelt. Der erste Impfstoff gegen das Coronavirus ist dabei vor allem der Erfolg von Ugur Sahin, 55 Jahre alt und seiner Frau Özlem Türeci, 53 Jahre alt. (Mehr darüber erfahren Sie hier.)

Zudem wird der Corona-Impfstoff bislang in erster Linie außerhalb der USA hergestellt und in einigen anderen Ländern sogar bereits eingesetzt. So hatte Anfang des Monats die britische Aufsichtsbehörde für Arzneimittel dem Präparat von Biontech/Pfizer eine Notfallzulassung erteilt. Damit wurde Großbritannien der erste Staat weltweit, der das Vakzin freigab. Inzwischen haben aber auch Kanada, Bahrain, Saudi-Arabien und Mexiko den Impfstoff zugelassen. Die USA sind somit das sechste Land, dass den Impfstoff einsetzt. Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (Ema) wurde die Zulassung des Corona-Impfstoffs in der EU ebenfalls beantragt, eine Entscheidung darüber steht allerdings noch aus. In der EU ist, anders als in den USA oder Großbritannien, keine derartige Notfallzulassung geplant. Die Entscheidung soll spätestens am 29. Dezember fallen.


„Mehr Tote an einem einzelnen Tag, als an 9/11 oder Pearl Harbor“

US-Präsident Trump versprach seinen Landsleuten nach der Zulassung erste Impfungen noch an diesem Wochenende. „Der erste Impfstoff wird in weniger als 24 Stunden verabreicht werden“, kündigte Trump in einem auf Twitter veröffentlichten Video an. Seine Regierung habe bereits mit der Verschickung des Impfstoffes begonnen. Trump betonte, Impfungen seien für alle Amerikaner kostenfrei. Mit Blick auf die Entwicklung des Impfstoffs in Rekordzeit sagte er: „Das ist eine der größten wissenschaftlichen Errungenschaften der Geschichte.“ Der Impfstoff werde Millionen Menschenleben retten „und die Pandemie bald ein für allemal beenden“.

Trump selber hatte am Freitag den Druck auf die FDA erhöht. Er kritisierte die Behörde als „große, alte, langsame Schildkröte“. Auf Twitter schrieb er: „Geben sie die verdammten Impfstoffe jetzt raus, Dr. Hahn. Hören Sie auf, Spielchen zu spielen, und fangen Sie an, Leben zu retten!!!“ Trump hatte in der Vergangenheit mehrfach Druck auf die Behörde in Hinblick auf die Zulassung von Corona-Impfstoffen und -Therapien ausgeübt. Er war dafür scharf kritisiert worden.





Der Republikaner Trump hat die Wahl in den USA am 3. November gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Das führen Experten auch auf Trumps Krisenmanagement in der Pandemie zurück, dem Amerikaner in Umfragen seit Monaten ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Biden soll am 20. Januar vereidigt werden. Der Demokrat will sofort danach einen 100-Tage-Plan zum Kampf gegen das Coronavirus starten. Teil des Programms ist die Verabreichung von mindestens 100 Millionen Dosen eines Impfstoffs in dieser Frist.

Die Pandemie ist in den USA weiterhin außer Kontrolle. Am Mittwoch hatte die Zahl der Toten an einem einzelnen Tag erstmals bei mehr als 3000 gelegen. Biden nannte den Höchststand an Coronavirus-Toten einen „tragischen Meilenstein“ und sagte: „Das sind mehr Tote an einem einzelnen Tag, als wir an 9/11 oder in Pearl Harbor hatten.“ Biden bezog sich auf die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington sowie auf den japanischen Angriff auf Pearl Harbor (Hawaii) im Dezember 1941. Die Zahl der registrierten Neuinfektionen in den USA lag nach Statistiken der Johns-Hopkins-Universität in den vergangenen Tagen jeweils bei mehr als 200.000.

Die US-Regierung hat sich vertraglich die Lieferung von 100 Millionen Impfdosen von Pfizer/Biontech gesichert. Der US-Pharmakonzern Moderna teilte am Freitag mit, die US-Regierung kaufe weitere 100 Millionen Dosen seines Impfstoff-Kandidaten. Diese Dosen würden im zweiten Quartal des kommenden Jahres geliefert.


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Von den ersten 100 Millionen bereits von den USA gekauften Einheiten würden 20 Millionen noch in diesem Monat von Moderna ausgeliefert, die restlichen 80 Millionen im ersten Quartel 2021. Die USA hätten zudem die Option, 300 Millionen weitere Dosen von Moderna zu kaufen. Der Moderna-Impfstoff muss von der FDA noch zugelassen werden. Darüber will ein Berater-Komitee am kommenden Donnerstag diskutieren.

Mehr zum Thema: Corona-Impfstoffe: Wer spielt fair, wer hält Maß, wer sahnt ab?

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