Coronakrise Die Welt im Corona-Dilemma: Vorsicht oder Rückkehr zum Alltag?

Aus mehreren Ländern kommen Anzeichen für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. Doch Experten warnen vor den Folgen übereilter Aussetzung von Schutzmaßnahmen.

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Die zu schnelle Lockerung der Corona-Maßnahmen könnte das Gesundheitssystem überfordern. Quelle: dpa

US-Präsident Donald Trump möchte die USA so schnell wie nur irgend möglich wieder in den Normalbetrieb versetzen. In Spanien sollen die Menschen ab diesem Montag wieder zur Arbeit gehen dürfen. Und auch in Italien als eines der am schwersten von der Covid-19-Pandemie getroffenen Länder verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2. Großbritannien ist indes noch nicht über den Berg.

Die Versuchung, Beschränkungen des öffentlichen Lebens zurückzufahren, ist groß angesichts der wirtschaftlichen Verluste. Aber Virologen warnen: Auch wer zu früh kommt, den bestraft das Leben. Es bestehe das Risiko, dass die Infiziertenzahlen wieder hochschnellen könnten. Der prominente Immunologe und Berater Trumps, Anthony Fauci, hält eine Rückkehr zur Normalität allenfalls schrittweise und mit regionalen Abstufungen für möglich.

Das öffentliche Leben in den USA steht wegen der Krise in weiten Teilen still, was der Wirtschaft extrem zu schaffen macht. Ursprünglich hatte Trump eine Rückkehr zur Normalität schon für diese Tage, zu Ostern, in Aussicht gestellt.

Aber dann traf die Covid-19-Pandemie die USA mit voller Wucht, täglich gibt es seither traurige Rekorde. Die USA haben inzwischen in absoluten Zahlen weltweit die meisten Toten durch die Corona-Epidemie zu verzeichnen: Mehr als 22 000 Menschen starben bis zum Abend des Ostersonntag im Zusammenhang mit dem Virus.

Trump will die Wirtschaft rasch wieder zum Laufen bringen und voraussichtlich am Dienstag ein Expertengremium vorstellen, das über den Zeitplan für eine Lockerung der geltenden Beschränkungen beraten soll. Aber nachdem der Präsident sich schon massive Kritik der oppositionellen Demokraten und der Medien einhandelte, die Corona-Gefahr lange verharmlost und das Steuer erst viel zu spät herumgerissen zu haben, warnt Fauci seinen Chef jetzt vor übereilten Schritten in die andere Richtung: Möglicherweise könnte der Prozess einer vorsichtigen Öffnung „zumindest auf gewisse Weise“ im kommenden Monat beginnen.

US-Gesundheitsexperte warnt vor übereilten Schritten

Vorhersagen dieser Art seien aber schwierig, und man dürfe nicht vorschnell handeln. Das Eis, auf dem sich Politiker und Experten in der Corona-Krise bewegen, ist immer noch dünn, vieles über das Virus immer noch nicht genau bekannt.

Am Sonntag versuchte Trump den Vorwurf zu entkräften, er habe zu spät auf die heraufziehende Pandemie reagiert. Er verstehe nicht, warum die Medien und die US-Demokraten ihn dann so heftig für die Einführung eines Einreiseverbots aus China kritisiert hätten, schrieb er auf Twitter und fügte hinzu: „Korrupte Medien!“.

Ranghohe Berater des Präsidenten hatten Medienberichten zufolge bereits Ende Januar vor einer Coronavirus-Pandemie gewarnt, in deren Folge Hunderttausende Amerikaner ums Leben kommen könnten. Trump selbst beteuerte noch bis Anfang März, das Virus sei für die USA kein Grund zur Sorge.

In Spanien, wo Ostermontag kein landesweiter Feiertag ist, steht die erste Lockerung der strikten Ausgehbeschränkungen für die fast 47 Millionen Einwohner an. Seit zwei Wochen durfte nur noch zur Arbeit, wer in unverzichtbaren Branchen tätig ist. Ab Montag dürfen die meisten Spanier nun an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Die strenge Ausgehsperre, die noch bis mindestens Mitternacht am 25. April gilt, bleibt aber ansonsten bestehen. Privat dürfen die Menschen seit Mitte März nur noch zum Einkaufen und in Sonderfällen vor die Tür.

„Die Pandemie wird kontrolliert. Die Daten werden in den kommenden Wochen dank des wirtschaftlichen Winterschlafes noch besser sein“, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez mit Blick auf die zweiwöchige Zwangspause der Arbeitnehmer. Die positive Tendenz im Kampf gegen das Virus hielt derweil auch über Ostern an. Binnen 24 Stunden wurden knapp 4200 neue Fälle registriert, eine Zunahme um knapp 2,6 Prozent auf insgesamt 166.000 und damit vergleichsweise gering.

Weniger Tote in Italien

Einen Hoffnungsschimmer gab es auch aus Italien. Dort wurden am Ostersonntag 431 Corona-Tote binnen 24 Stunden registriert. So niedrig war der Anstieg seit längerem nicht gewesen. Insgesamt starben in dem Land seit Februar 19 899 Menschen im Zusammenhang mit der Covid-19-Krankheit, wie der Zivilschutz mitteilte. Die Gesamtzahl der Infizierten stieg moderat auf 156.363 Fälle (plus gut 4000).

Von einem „düsteren Tag“ sprach jedoch der britische Gesundheitsminister Matt Hancock. Die Corona-Todeszahlen hatten am Wochenende die 10.000er-Marke übersprungen. Experten rechnen mit einer hohen Dunkelziffer, da vor allem viele Opfer in Seniorenheimen noch nicht erfasst sind. Viele Experten fürchten, dass das Gesundheitssystem der Krise nicht standhalten werde und Großbritannien schon bald das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land in Europa sein könnte.

Aber zumindest der an Covid-19 erkrankte Premierminister Boris Johnson hat seine schwere Erkrankung überstanden. Er konnte das Krankenhaus verlassen und soll sich nun auf dem Landsitz Chequers erholen. Der 55-Jährige lobte die Mitarbeiter des St. Thomas' Hospitals in höchsten Tönen: „Ich verdanke ihnen mein Leben.“ Es wird erwartet, dass er erst in einigen Wochen die Regierungsgeschäfte übernehmen kann. Johnson ist über den Berg, sein Land noch nicht.

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