




Umso mehr lohnt der Blick nach Großbritannien, zumal die britische Wirtschaft starke Fortschritte macht. Großbritannien wächst über EU-Schnitt. Seit 2010sind in Großbritannien 1,6 Millionen neue Jobs entstanden, es wurden 3000 mehr Firmen gegründet, als abgemeldet. „Wir haben die Steuern für die Arbeitnehmer gesenkt und den Wohlstand gesteigert“, ergänzt Cameron.
Taugt Großbritannien also als Vorbild? Ja und nein. Großbritannien ist nicht Mitglied im Schengen-Raum, will den Euro nicht und will aus der gemeinsamen Rechts- und Innenpolitik aussteigen. Dabei ist die Freizügigkeit eine der positiven Errungenschaften in Europa und der Euro, trotz aller Kritik, wohl irreversibel. Eine Auflösung des Verbunds wäre – insbesondere für Deutschland, das einen Großteil seiner Kredite abschreiben müsste – teuer und aufgrund möglicher Verwerfungen auf den Finanzmärkten hochgefährlich. Das heißt nicht, dass der Euro-Raum nicht reformiert werden sollte. Eine flexiblere Währungsunion wäre wünschenswert. Ein Raum, in dem Länder, die gegen Auflagen verstoßen, zur Rechenschaft gezogen werden und nicht an Drohpotenzial gegen die anderen Länder gewinnen. Eine Währungsunion, die keine Transferunion ist und sich um die Geldstabilität sorgt.
"Es bieten sich große Chancen"
Und in der Wirtschaftspolitik hat Cameron allemal Recht. Europa braucht nicht mehr Regeln, sondern weniger. Der Kontinent muss wettbewerbsfähiger werden und sich für die Zukunft rüsten. Dass ein verschwindend kleiner Teil für die Forschung und Innovation ausgegeben werden, ist ein schwer wiegender Fehler. „Die Briten sind sehr unzufrieden mit der EU. Ich kann die Stimmen nicht ignorieren“, sagt der Regierungschef. „Ich will das Problem angehen und anregen: Lasst uns die EU reformieren!“.
In drei Jahren dürfen die Briten über den Verbleich in der Europäischen Union, der sie seit 1973 angehören, abstimmen. Setzt sich Cameron mit seinen Reformvorhaben nicht durch, sollten nicht mehr Entscheidungen zurück in die Nationalstaaten verlagert werden, wird sein Referendum wohl eine deutliche Antwort bekommen: gegen Europa. Es wäre ein herber Verlust: für die Bürger, für die Wirtschaft und für die europäische Idee.
„Es bieten sich große Chancen, das müssen die europäischen Politiker begreifen“, appelliert Cameron. „Lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderungen angehen“, ruft Cameron den Vertretern aus Politik und Wirtschaft in Davos zu. Der laute Applaus zeigt, dass der Brite den Ton getroffen hat. Er hat die Erwartungen erfüllt. Einfach war es nicht.