




Mit mehr als 2500 führenden Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft hat am Mittwoch in Davos das 43. Weltwirtschaftsforum seine Arbeit aufgenommen. Im Mittelpunkt steht die Suche nach neuen Ideen und Impulsen für mehr wirtschaftliches Wachstum zur Überwindung der Folgen der Finanzkrise. Zudem wollen die Teilnehmer - unter ihnen fast 50 Staats- und Regierungschefs - über Möglichkeiten zur Stärkung der Abwehrkräfte gegen neue Krisenschübe beraten.
Für die WirtschaftsWoche vor Ort sind Chefredakteur Roland Tichy, Technik-Ressortleiter Sebastian Matthes und Online-Politikredakteur Tim Rahmann. Hier im "Davos Diary" berichten sie in den kommenden Tagen von ihren Eindrücken:
+++Sonntag, 10.14+++
Die schwarzen Shuttle-Busse stehen stumm auf dem Parkplatz, das Kongresszentrum ist zu - das Weltwirtschaftsforum (WEF) 2013 vorbei. In Erinnerung bleiben vor allem die kämpferische Rede des britischen Premierministers David Cameron zum Zustand der Europäischen Union, das Siegerlächeln von EZB-Chef Mario Draghi und der nörgelnde George Soros. Eindrücke, die mit dem Thema des 43. Treffens der führenden Köpfe aus Politik und Wirtschaft "Widerstandsfähige Dynamik", nur wenig zu tun haben. Wie die Weltwirtschaft auch Schocks aushalten und nachhaltig wachsen kann, bleibt eine offenen Frage - auch nach Davos. Auch, weil die beiden größten Volkswirtschaften der Welt, die USA und China, durch ihre Regierungen nicht vertreten waren. Der Schweizer Nobel-Skiort ist kein Ort, an dem politische Fortschritte erzielt werden. Stattdessen werden zwischen den Wirtschaftsbossen Kontakte geknüpft, Geschäftsbeziehungen ausgebaut und neue Ideen entwickelt. Das passiert oft abseits des Kongresszentrums, in den Hotelbars und Restaurants, abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Davos ist nicht das Zentrum politischer Entscheidungsfindung, sondern der Ort des Netzwerkens. Daraus ergibt sich die Daseinsberechtigung des Forums.
+++Samstag, 10.23+++
Eine wenig optimistische Prognose hatte Bundeswirtschaftsminister Phillip Rösler für die Chefs der deutschen Konzerne anlässlich des jährlichen Gesprächskreises mit der Wirtschaft: In diesem Jahr wird nicht mehr regiert. Faktisch sei die Kabinettssitzung am 8. Februar der letzte Zeitpunkt vor der Bundestagswahl, an dem noch Gesetze in das Gesetzgebungsverfahren eingehen könnten. Danach herrscht Stillstand der Rechtspflege, denn die rotgrüne Mehrheit im Bundesrat werde danach das Handeln der Bundesregierung blockieren.

Das haben ja die Wahlsieger noch in der Nacht der Landtagswahl angekündigt und sich damit in die Tradition des früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine gestellt, der seinerzeit die Regierung Kohl bis 1998 buchstäblich verhungern ließ, indem aber auch jede Reform aus machttaktischen Gesichtspunkten brutal verhindert wurde. Damals ging es um Renten- und Krankenversicherung, die durch Lafontaines Obstruktionspolitik tief in rote Zahlen eintauchten und die Beitragssätze anheben mussten. Heute geht es um die Energiepolitik. Denn die Energieversorgung wird immer problematischer, wackliger und teurer. Gerade die Bosse der energieabhängigen Industrien finden die Machtspielchen nicht lustig. Ihnen läuft die Zeit davon. (R.Tichy)
+++ Freitag, 13.20 +++
"Frankfurt Meets Davos" ist ein wichtiger Treffpunkt in einem der fensterlosen Kellerverliese des Hotels Belvedere: Dort treffen sich Manager und Banker aus Frankfurt, aber auch aus München. Der Finanzplatz Frankfurt soll gefördert werden, sich neben den übermächtigen Konkurrenten London und New York zeigen. Davos mit seiner ungeheuren Dichte von Managern ist der ideale Ort, um neben feinsinnigen Debatten zu versuchen, vom Multibillionen-Dollar-Game zu profitieren und einen Teil der globalen Finanzströme auf die eigenen Mühlen zu leiten. Beim Treffen der Frankfurter sind dann nicht nur Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank wie Stephan Leitner da, oder Börsenchef Reto Francioni, dessen Deutsche Börse weltweit aktiv ist. Auch Lufthansa-Chef Christoph Franz steht da, oder Qiagen-Chef Peer Schatz, EZB-Direktor Jörg Asmussen, Dutzende weitere Manager, Verleger, Journalisten. In der Ecke steht beiseitegeschoben ein Rednerpult. Eigentlich sollte der neugewählte Frankfurter OB Feldmann die Veranstaltung eröffnen, wie in früheren Jahren seine Vorgängerin Petra Roth. Doch Feldmann fehlt, Begründung gibt es keine. Er sei eben in Frankfurt festgehalten worden, sagt er mir am nächsten Tag am Telefon. Da war schließlich eine Krise in Frankfurt, die neuen Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsförderung und der regionalen "Internationale Marketing GmbH" gab es zum Vorstellungsgespräch; immerhin waren die Altgeschäftsführer in Davos. Und am Donnerstag tagte der Regionalverband, sagt Feldmann, mit so wichtigen Teilnehmern wie dem DGB, der IHK und Handwerkskammer. Die Präsenz im Regionalverband, also im globalen Städtedreieck Darmstadt, Hanau, Wiesbaden sei ja auch ein Zeichen, wichtig die Wirtschaft für die Stadt Frankfurt sei, sagt Feldmann. Wörtlich. Da darf ein Bürgermeister nicht fehlen. Der Kirchturm beschreibt den Radius der Lokalpolitik, Globalisierung und Großindustrie hin oder her. Und außerdem ist ja sogar Wahlkampf in Deutschland und Hessen. Feldmann gilt als Getreuer des hessischen SPD-Vorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel, und der darf für den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück die abgegessenen Bankenkritiken neu aufkochen. Da sind die lokalen Bäcker schon wichtiger als Häppchen in Davos. Und überhaupt - ist nicht Frankfurt ohnehin die kleinste Großstadt in Deutschland, jenseits der Rotlichtzone von der liebenswerten Verschlafenheit eines zu groß gewordenen Dorfs? All Politics is local. Da ist nichts dagegen zu machen. Das lässt hoffen für Deutschland. Banken und Wirtschaft braucht doch kein Mensch. Das Geld? Kommt vom Sozialamt, oder? (R. Tichy)