Davos Die Lehren aus der Trump-Rede

Seite 2/2

Wunsch und Wirklichkeit

Dennoch rechnet kaum einer in Davos damit, dass Trump ähnlich entschieden gegen den Rest der Welt die Handelsschranken senkt. Die Stimmung, die sich mittlerweile breit macht, fast Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, recht treffend zusammen: „Wir haben nach dem zweiten Weltkrieg eine Handelsordnung geschaffen, die darauf aufbaute, dass es Amerika besser geht, wenn es der Welt besser geht. Das kann man schon mal angucken, ob das noch aktuell ist.“ Zudem gelte immer noch: „Die USA sind der offenste Markt der Welt.“

Die Wirtschaft mag Trump nicht, arrangiert sich aber mit ihm

Die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit sollte eigentlich mit steigender Macht derjenigen sinken, die beides zusammenbringen wollen. Demnach müsste sie in Davos, wo ja die wirklich Mächtigen zusammenkommen, unglaublich klein sein. Dass sie das nicht immer ist, zeigt das Phänomen Donald Trump.

Der Wunsch: Tuschelthema Nummer eins war - seit der Abreise von Polit-Popstar Emmanuel Macron und der Ergründung des Geheimnisses seiner Strahlkraft - die Frage, bleib ich oder geh ich? Und zwar, wenn Donald Trump am heutigen Freitag seine Rede an das Weltwirtschaftsforum hält. So viele wollten ihm erklärtermaßen die kalte Schulter zeigen, dass man schon fast um einen Auftritt Trumps vor halb vollem Saal fürchtete. Ignorieren, wollen viele Manager damit sagen, ist wohl das beste. 

Die Wirklichkeit: Als Trump zum ersten Mal im Kongresszentrum sichtbar wird, bilden selbst gestandene Manager eine riesige Traube um ihn wie um einen Pop-Star, zücken die Handys zum Foto-Schuss und Winken. Auch bei einem Abendessen mit europäischen Konzernchefs ließen die sich wie Schüler vorführen, spielten die Trump-Inszenierung voll mit. Trump sprach später davon, an diesem Abend „neue Freunde“ gefunden zu haben. Und der Saal bei seiner Rede war natürlich zum Bersten voll.

Weltwirtschaftsforums-Gründer Schwab fühlte sich gar bemüßigt, Trump „im Namen aller Unternehmenslenker hier“ für seinen Impuls für weniger Steuern zu danken. Der einzige deutsche Vorstandschef, der Trump offen kritisierte, war Deutsche Post-Chef Frank Appel. Er bezweifelte, dass die radikalen Steuersenkungen Trumps für Unternehmen langfristig die gewünschten Effekte hätten. Andere, etwa Siemens-Chef Joe Kaeser, bedankten sich dagegen offen bei Trump für die Steuerpolitik. Auch wenn Kaeser dabei alles andere als vergnügt aussah. Aber das ist eine Linie, die sich herauskristallisiert: Man mag diesen US-Präsidenten nicht, macht aber pragmatisch mit ihm Geschäfte.

Europa braucht nicht nur Widerstand – sondern einen Plan

So einfach es auch ist, Trump zu kritisieren, so schwer tun sich die Europäer damit, eine wirkungsmächtige Antwort zu finden. Kanzlerin Angela Merkel etwa sagt: Die Lehre aus den Desastern und Kriegen des 20. Jahrhunderts sei der Multilateralismus gewesen. Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni sagt: Es gibt internationale Regeln und die müsse man verteidigen. Sogar Großbritanniens Premierministerin Theresa May sagt: „Wir bleiben der Anwalt des freien Handels.“

Die illustre Gästeliste des Weltwirtschaftsforums
Donald Trump Quelle: AP
Angela Merkel Quelle: AP
Der Microsoft-Gründer Bill Gates ist einer der Redner beim Weltwirtschaftsforum. Zusammen mit Mark Zuckerberg, Gründer und Facebook-CEO, hat er eine Leseliste zum Wirtschaftstreffen herausgegeben. Darauf findet sich unter anderem „Gewalt: Eine Geschichte der Menschheit“ vom amerikanischen Psychologen Steven Pinker, das die Entwicklung des menschlichen Hangs zu Gewalt beschreibt. Quelle: Reuters
Theresa May Quelle: dpa
Der preisgekrönte Musiker vertritt in Davos besonders die von ihm gegründete Aids-Foundation. Anfang der 90er-Jahre rückte er das Thema HIV verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit und sammelte mit seinen beiden Wohltätigkeitsstiftungen über 385 Millionen Dollar ein, um Menschen zu helfen, die an HIV/Aids erkrankt sind. Quelle: AP
Macron Quelle: AP
Der spanische König Felipe VI. wird sich beim Weltwirtschaftsforum mit internationalen Spitzenpolitikern und Vertretern der Wirtschaft treffen. In Katalonien hat der Monarch im Moment keinen guten Stand: Viele Katalanen hatten im vorgeworfen, im Konflikt um die Unabhängigkeit der spanischen Region sich auf die Seite des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy gestellt zu haben. Quelle: dpa

Doch vergleicht man das mit Trump, dann fällt etwas auf: Trump mag aus Sicht vieler Europäer Unsinn reden. Es ist aber konkreter Unsinn: Zölle auf Weiße Ware, Senken von Steuern, Fördern von Investments in den USA. Das alles kann man verwerflich, nationalistisch oder falsch finden. Es sind aber konkrete Schritte.

Trump sagt, was er will. Und macht dann auch, was er will. Die Europäer sagen auch, was sie wollen. Sagen dann aber nicht, wie sie es machen wollen. Sie errichten eine Hülle wohlklingender Forderungen, die aber nach innen hohl ist. Selbst Europas neuer Polit-Popstar Emmanuel Macron bleibt am Ende beim beschwören von „Wachstum“ und „Inklusion möglichst vieler“ stehen.

So lange das so bleibt, hat Trump einen Vorteil, der ihm nicht so leicht zu nehmen ist.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%