Defizit-Höchstgrenze Frankreich bekennt sich zum Stabilitätspakt

Paris will die Defizit-Höchstgrenze einhalten: Der französische Finanzminister Michel Sapin lehnt einen weiteren Aufschub ab. Und er empfiehlt allen EU-Mitgliedern, sich an die Regeln zu halten.

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Lasst ihn sagen, was er vom Stabilitätspakt hält: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (r.) mit seinem französischen Amtskollegen Michel Sapin. Quelle: REUTERS

Die französische Regierung bekennt sich zu den strengen Defizitregeln des Europäischen Stabilitätspakts. „Die Regeln existieren, die Verträge existieren. Niemand stellt sie infrage. Ich würde das auch niemandem empfehlen, vor allem nicht in Frankreich“, sagte Frankreichs Finanzminister Michel Sapin in einem gemeinsamen Interview mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem Handelsblatt (Montagausgabe).

Solides Wachstum brauche eine ernsthafte Finanzpolitik. „Dauerhaftes Wachstum ist nicht möglich mit anhaltenden, hohen Defizite“, sagte Sapin.

Der französische Finanzminister betonte, dass er keinen zeitlichen Aufschub von der EU-Kommission verlange. „Mir geht es nicht darum, um mehr Zeit zu bitten. Ich will die europäischen Regeln einhalten und gemeinsam mit den Partnern das richtige Timing finden, damit wir unsere Ausgaben und Defizite verringern können und gleichzeitig das Wachstum stützen.“ Frankreich hatte bereits mehr Zeit eingeräumt bekommen, um die erlaubte Defizit-Höchstgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einzuhalten.

Was die Kritiker der Sparpolitik sagen

Bundesfinanzminister Schäuble sieht Frankreich wegen der hohen Schulden und der unerledigten Reformen in einer Vertrauenskrise. „Wenn man erst einmal eine Vertrauenskrise hat, es ist nicht ganz einfach, da herauszukommen“, sagte Schäuble. Für mehr Wachstum will Schäuble vor allem durch private Investitionen sorgen. „Wir brauchen mehr private Investitionen. Wir können Infrastruktur sehr viel stärker mit privaten Mitteln finanzieren“, sagte Schäuble.

Der Bundesfinanzminister erwartet zudem von der Europäischen Zentralbank, dass diese mehr gegen die Vermeidung von Blasen an den Märkten unternimmt. „Wir können die Vermeidung von Blasen nicht allein der staatlichen Aufsicht überlassen. Die Zentralbanken müssen das bei ihren Entscheidungen über die Geldmenge mit im Blick haben“, sagte Schäuble in dem Handelsblatt-Interview. Schäuble sagte, dass es „am Immobilienmarkt zum Teil Anzeichen für Blasenbildungen“ gebe.

Schäuble erwartet keine Überraschungen bei Stresstest

Der Bundesfinanzminister hatte in den vergangenen Wochen immer wieder auf die Gefahren einer Immobilienblase durch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hingewiesen. Erstmals fordert er die Zentralbank jetzt auf, die Folgen ihrer geldpolitischen Entscheidung für eine mögliche Blasenbildung zu berücksichtigen.

So kreditwürdig sind die Eurostaaten
Das Centrum für europäische Politik (CEP) hat die Kreditfähigkeit der Euro-Staaten analysiert. Einen besonders intensiven Blick haben die Wissenschaftler auf Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien geworfen. Das Resultat: die Probleme, die zur Euro-Krise geführt haben, bestehen weiterhin - und haben sich sogar auf weitere Länder ausgeweitet. Quelle: dpa
Die Kreditfähigkeit von Spanien nimmt erstmals seit Einführung des Euros zu. Die Ampel für Spaniens Kreditwürdigkeit steht auf grün, das CEP vergibt beim Schuldenindex eine Wertung von 2,3. Ein positiver Wert des CEP-Default-Indexes bei gleichzeitigem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsüberschuss bedeutet: Das Land benötigt in der betrachteten Periode keine Auslandskredite, es steigert daher seine Kreditfähigkeit. Diese positive Entwicklung dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land noch weitere Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen umsetzen muss, um die in den Krisenjahren drastisch angestiegene Staatsverschuldung und die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Quelle: dpa
Auch für Irland steht die Ampel auf grün. Der ehemalige Krisenstaat hat, wie die kontinuierliche Zunahme der Kreditfähigkeit seit 2010 zeigt, die Krise überwunden. Der Schuldenindex beträgt 6,7, ist also deutlich positiv. Aufgabe muss es nun sein, die Investitionen, die auf fast Null gesunken sind, zu steigern, um die Wirtschaft wieder voran zu treiben. Quelle: dpa
Für Portugal zeigt die Ampel dagegen rotes Licht: Zwar erodiert die portugiesische Kreditfähigkeit noch immer. Der ununterbrochene Anstieg des Schuldenindexes seit 2011 zeigt jedoch, dass Portugal erhebliche Anstrengungen unternommen und Anpassungen bewältigt hat. Derzeit beträgt der Index -2. Unbeschadet dieser positiven Entwicklungen ist es allerdings fraglich, ob Portugal bereits ohne weitere Finanzhilfen auskommen wird, wenn das Anpassungsprogramm Mitte 2014 ausläuft. Quelle: dpa
Auch Italien gehört zu den Ländern mit einer "verfestigten abnehmenden Kreditfähigkeit", wie es beim CEP heißt. Die seit 2009 zu beobachtende Erosion der Kreditfähigkeit von Italien dauere an. Gegenüber 2012 habe sich der Verfall beschleunigt. Es sei fraglich, ob sich dies auf absehbare Zeit ändere. Denn die hierfür notwendigen Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen seien von der italienischen Regierung bisher nicht ergriffen worden. Quelle: dpa
Ganz mies ist die Lage in Griechenland: Mit einem Wert von -9,8 hat Griechenland die schlechteste Kreditwürdigkeit aller 31 untersuchten Staaten. Die Kreditfähigkeit des Landes verfällt weiter und zwar deutlich schneller als die aller anderen Euro-Länder. Die Wiedererlangung der griechischen Kreditfähigkeit ist nicht absehbar, die Ampel steht auf dunkelrot. Quelle: dpa
Eine negative Überraschung kam in diesem Jahr aus dem Norden Europas: Belgien und Finnland weisen im ersten Halbjahr 2013 erstmals eine abnehmende Kreditfähigkeit auf. Da beide Länder noch über Auslandsvermögen verfügen, ist die Schuldentragfähigkeit allerdings noch nicht unmittelbar bedroht, die Ampel zeigt gelb-rot. Der CEP-Default-Index liegt im Falle Belgiens bei -0,5, bei Finnland beträgt er -0,1. Ein negativer Wert kann auf zwei Arten entstehen: 1. Die Nettokapitalimporte übersteigen die kapazitätssteigernden Investitionen. Das Land konsumiert über das im Inland erwirtschafteten Einkommen auch einen Teil des Nettokapitalimports. Die Volkswirtschaft verschuldet sich folglich im Ausland, um Konsumausgaben finanzieren zu können. 2. Kapital verlässt das Land, so dass der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo positiv ist. Gleichzeitig jedoch schrumpft der Kapitalstock. Das Land verarmt. Quelle: dpa

Forderungen aus Frankreich nach einer gezielten Abwertung des Euros lehnte Schäuble kategorisch ab. „Ich halte nichts von politischen Diskussionen über den Wechselkurs, der bildet sich am Markt. Wenn die Politik sich darum kümmert, hat das noch nie zu guten Ergebnissen geführt. Der Euro werde so stark sein, „wie wir ihn politisch und wirtschaftlich machen“.

Auch zu Fragen der Bankenregulierung äußerte sich Schäuble: Der Finanzminister rechnet nicht mit großen Überraschungen durch den Stresstest für die größten europäischen Banken. „Die Prüfung der Vermögenswerte und der Stresstest sind noch nicht abgeschlossen. Aber die Banken haben eine Menge zusätzliches Kapital erhoben“, sagte Schäuble. Im Einzelfall könne es „natürlich immer“ Probleme geben, wie man jetzt bei der portugiesischen Bank Espirito Santo sehen konnte. „Die Ansteckungsgefahr ist aber viel geringer“, betonte Schäuble. Die Bankenunion sei ein großer Schritt in die richtige Richtung, sagte Schäuble.

„Die Bankenunion ist nach der gemeinsamen Währung der zweite große Akt der Integration. Manchmal führen wir philosophische Diskussionen über europäischen Föderalismus. Hier praktizieren wir ihn“, sagte Frankreichs Finanzminister Sapin. Als Problem sieht Sapin die mangelnde Regulierung der Schattenbanken. „Die größere Sicherheit im Bankensektor darf nicht zur Verlagerung der Unsicherheit ins shadow banking führen.“

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