Demokraten Tech-Unternehmer Andrew Yang mischt US-Vorwahlkampf auf

Ohne echte Chancen hält sich der Tech-Unternehmer im Rennen um den Kandidatenposten. Doch er überzeugt jene, die anderen Demokraten nichts abgewinnen können.

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Andrew Yangs Wahlkampf könnte ein warnender Hinweis an konventionelle Demokraten sein, welche Wähler sie zurücklassen. Quelle: action press

Von allen demokratischen Präsidentschaftsbewerbern hat Andrew Yang offenbar den meisten Spaß. Unbelastet von Erwartungen und unbekümmert bezüglich politischer Konventionen tourt der Tech-Unternehmer seit Monaten durch die USA. Dabei mischte er seine düsteren Warnungen über die neue Tech-Wirtschaft des Landes mit Humor und spontaner Offenheit.

Yang übte sich im Crowdsurfing und Skateboardfahren und machte unvergessliche Witze bei Debatten, die landesweit im Fernsehen übertragen wurden. Bei der Neueröffnung eines Büros in New Hampshire verteilte er Sprühsahne direkt in die Münder seiner überdrehten Anhänger.

Dieses Rezept hat ihn zu einem der größten Phänomene des Wahlkampfs für 2020 gemacht. Seine Außenseiter-Bewerbung für das Weiße Haus wird getragen von Strategie, Persönlichkeit und Technologie und hält schon länger durch als die einiger Gouverneure und Senatoren.

Yang hat zwar kaum Chancen, die Nominierung seiner Partei zu gewinnen. Aber sein Wahlkampf könnte ein warnender Hinweis an konventionelle Demokraten sein, welche Wähler sie zurücklassen. „Man merkt, ob jemand die Zähne zusammenbeißt oder ob er wirklich froh ist, da zu sein, und mit Dir reden will“, sagte Yang in der vergangenen Woche zwischen zwei Veranstaltungen an Chicagoer Universitäten.

„Ich denke, wenn die Leute sich mit meiner Kampagne beschäftigen, merken sie, dass ich eine sehr, sehr ernste Botschaft habe“, erklärt er. Angesichts der größten wirtschaftlichen Transformation in der Geschichte der USA müssten die Regeln der Wirtschaft neu geschrieben werden. „Ich glaube, die Menschen sind klug genug, um zu wissen, dass man eine sehr, sehr ernste Botschaft haben und tatsächlich Freude daran haben kann, sie zu vermitteln.“

Bislang kommt Yang auf niedrige einstellige Umfragewerte. Das gleiche gilt für mehrere andere Kandidaten, die hinter dem ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden, Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts, Senator Bernie Sanders aus Vermont und dem Bürgermeister Pete Buttigieg aus South Bend in Indiana liegen.

Doch was überwiegend online als Fanbasis aus männlichen Technik-Fans begann, ist inzwischen auch für viele andere attraktiv geworden. Nachdem er sich zunächst aus eigenen Mittel finanziert hatte, konnte Yang im dritten Quartal zehn Millionen Dollar sammeln. Das ist mehr als die meisten seiner Rivalen.

Vieler seiner als „Yang Gang“ bekannten Unterstützer können nach eigenen Worten mit anderen Demokraten im Rennen nichts anfangen. Viele dieser Anhänger sind junge Leute, die sich nicht an eine Partei gebunden fühlen, wie sie sagen. Einige hatten 2016 Sanders unterstützt, wurden dann aber enttäuscht, als nicht er, sondern Hillary Clinton die Nominierung gewann.

Kein Vertrauen in Mainstream-Kandidaten

„Viele Leute trauen den Mainstream-Kandidaten nicht“, sagt der 23-jährige Ethan Daniels, der eine der Yang-Kundgebungen in Chicago besuchte. „Yang ist wie ein frischer Wind.“ Er führe den Wahlsieg von Präsident Donald Trump 2016 auf die Politikverdrossenheit vieler Menschen zurück.

Wie viele andere wurde Daniels durch einen Podcast des Comedians und früheren TV-Moderators Joe Rogan auf Yang aufmerksam. Das Interview wurde auf YouTube inzwischen mehr als 4,5 Millionen Mal abgerufen.

Daniels, der nach seinem Abschluss in Soziologie und Strafrecht derzeit nach einem Job sucht, zeigt sich beeindruckt von Yangs Äußerungen zu künstlicher Intelligenz, Videospielsucht und einem bedingungslosen Grundeinkommen. Andere Demokraten wollten über diese Themen nicht sprechen, beklagt er.

Daniels gehört bei der Veranstaltung zu den Unterstützern, die blaue Kappen und andere Kleidungsstücke mit der Aufschrift „MATH“ für „Make America Think Harder“ trugen, Yangs Seitenhieb auf Trumps „Make America Great Again“.

Der Sohn taiwanischer Einwanderer bezeichnet sich selbst als „streberhaftes asiatisches Kind“, das in der Schule eine Klasse übersprang. Nach dem Studium an der Brown und der Columbia University arbeitete er in der Techindustrie, bevor er eine Nonprofit-Firma gründete, die Geld für Unternehmer bereitstellte. Um möglichst schnell für seine Idee eines Grundeinkommens zu werben, entschied er sich „für die Präsidentschaft zu kandidieren und zu gewinnen“.

Die „Freiheits-Dividende“ in Höhe von 1000 Dollar pro Monat ist nun der Kern von Yangs Kampagne. Finanziert werden soll sie durch eine neue Steuer für Unternehmern, die am meisten von der Automatisierung profitieren. Das bedingungslose Grundeinkommen solle Menschen eine Atempause verschaffen, um Schulden zurückzuzahlen, sich um kranke Angehörige zu kümmern oder Anschaffungen zu tätigen, erklärt Yang.

Durch die Reduktion von Stress werde sich die mentale Gesundheit der Amerikaner verbessern. Sein Wahlkampfteam probierte das aus und verteilte an etwa ein Dutzend Menschen die monatlichen 1000-Dollar-Schecks. Das im Herbst bekanntgegebene Vorhaben brachte den Vorwurf auf, Yang wolle Stimmen kaufen.

Andere hingegen überzeugte der Bewerber mit der Aktion. Zu ihnen gehört die Finanzplanerin Joy McKinney. Sie habe sich gründlich mit der Frage eines Grundeinkommens und anderen Haltungen Yangs beschäftigt, bevor sie sich der „Yang Gang“ angeschlossen habe, erzählt die 50-Jährige. 2016 war sie nicht zur Wahl gegangen, weil sie weder Trump noch Clinton mochte.

Doch Videoaufnahmen von Menschen, die die ersten 1000-Dollar-Schecks erhielten, hätten sie zu Tränen gerührt, sagt McKinney: „Kann man sich ein Amerika vorstellen, in dem jeder zählt? Das ist für mich das Bestechende.“

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