Deutsch-italienischer Gipfel in Maranello Trauer statt Stärke in der Ferrari-Stadt

Der italienische Premier Matteo Renzi wollte sich beim deutsch-italienischen Gipfel in der Ferrari-Stadt Maranello als wichtige Stimme in Europa präsentieren. Doch die Erdbebenkatastrophe in Mittelitalien überschattet alles.

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Das schwere Erdbeben in Mittelitalien mit mindestens 292 Toten hat die Schwerpunkte verschoben. Quelle: AFP

Maranello Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel war nicht da. Er muss üben für den Grand Prix in Monza am nächsten Sonntag, denn so gut sieht Ferrari nicht aus in dieser Saison. Aber Sergio Marchionne, der Konzernchef von Fiat Chrysler (FCA) und Präsident von Ferrari sowie John Elkann, Präsident des Fiat-Konzerns, und auch Piero Ferrari, Sohn des Firmengründers Enzo Ferrari. Sie begrüßten als Hausherren im Firmensitz in Maranello am Mittwochnachmittag Bundeskanzlerin Angela Merkel und den italienischen Premier Matteo Renzi, die jeweils begleitet von ihrem halben Kabinett zum deutsch-italienischen Gipfel kamen.

Die beiden Regierungschefs vor der Kulisse der schicken roten Rennwagen, zu Gast im italienischen Vorzeigeunternehmen par exellence: Das hätte gut zu Renzis Botschaft gepasst, dass Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft in Europa, wieder eine wichtige Stimme hat. Erst vor zehn Tagen konnte er beim Dreiertreffen mit Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande auf dem Flugzeugträger „Garibaldi“ als Gleicher unter Gleichen Anstöße geben, wie es nach dem Brexit weitergehen soll mit der EU.

Es war eine wichtige Etappe auf dem Weg zum ersten EU-Gipfel ohne Großbritannien Mitte September in Bratislava und Teil der neuen Strategie der kleinen Schritte. Die Drei haben eine engere Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik vereinbart.

Doch zwischen beiden Gipfeln lag die Katastrophe, die alles veränderte: Das schwere Erdbeben in Mittelitalien mit mindestens 292 Toten hat die Schwerpunkte verschoben. Mit ernsten Gesichtern sprachen Merkel und Renzi nach ihrem Rundgang durch die Werkshalle von Ferrari mit einigen Rettern aus dem Erdbebengebiet über die Bergungsarbeiten. 

Auch die Männer mit ihrem Hund waren dabei, die die vierjährige Giorgia 16 Stunden nach dem Beben aus den Trümmern ihres Hauses gerettet hatten. Ihre Schwester hatte die Katastrophe nicht überlebt. Die Geschichte war um die Welt gegangen. Dass der Gipfel unter dem Eindruck der Einigkeit in der Trauer steht, hatte Regierungssprecher Seibert schon vor dem Abflug gesagt.

Renzi, der am Abend zuvor noch bei der Trauerfeier für die Opfer in Amatrice gewesen war, zeigte sich gerührt über die Solidarität der Deutschen, die die Kanzlerin überbrachte. Gesprochen werden sollte unter vier Augen und in der Ministerrunde über die Flüchtlingskrise und die Europapolitik. Doch das beherrschende Gipfelthema waren Flexibilität und Hilfen für Italien.

Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein Pendant Pier Carlo Padoan hatten den schwierigsten Part bei den Ministertreffen, bei denen auch der Außen-, Innen-, Wirtschafts- und Verkehrsminister sowie ein Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium dabei waren.

Italien mit seiner chronisch hohen Staatsverschuldung, dem Defizit und einem Nullwachstum im zweiten Quartal muss in Kürze den Haushalt 2017 vorlegen und möchte wie schon für 2016 mehr Flexibilität von Brüssel. Entschieden wird zwar von der EU-Kommission, aber ein positives Wort der Kanzlerin kann helfen.

Gleich nach dem Erdbeben haben Mitglieder der Regierung in Rom von der EU eine zusätzliche Lockerung der Stabilitätskriterien verlangt, damit Gelder in den Wiederaufbau fließen können. Der Stabilitätspakt sehe schon ausreichende Ausnahmen vor, hatte die Bundeskanzlerin beim Dreiergipfel in Ventotene zu dem Thema gesagt.

Doch jetzt arbeitet die Regierung an einem Zehn-Jahres-Plan mit einem Volumen von vier bis fünf Milliarden Euro für die präventive Erdbebensicherung und will Unterstützung von der EU, genannt „casa Italia“. Dafür gibt es in den Defizitregeln Ausnahmen. Aber ein gerade mal vierstündiger Gipfel ist zu kurz für große Entscheidungen. Und nächste Woche beginnen die planmäßigen Verhandlungen Roms mit Brüssel über den Haushalt.

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