Deutsche Investoren Hinein ins Abenteuer Afrika

Vorbei sind die Zeiten, da Krisen, Kriege und krumme Geschäfte den Kontinent beherrschten. Südlich der Sahara baut China die Infrastruktur auf, dank mobiler Kommunikation und stabileren politischen Verhältnissen mausern sich viele Märkte zu Hotspots für Investoren. Zwar bleiben Risiken – aber die ängstliche deutsche Wirtschaft sollte jetzt in Afrika investieren, ehe der Kontinent ganz in Chinas Hand ist.

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Diese Volkswirtschaften hinken hinterher
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Rums, ein Achsbruch! Das war’s wohl mit der Reise in Ugandas Hinterland. So fühlt es sich zumindest an, als der Asphalt abrupt endet und der Toyota krachend auf der Schotterpiste aufschlägt. Rafael, der Fahrer, verzieht keine Miene, er bringt die alte Karre auf Kurs und gibt Gas. In diesen Augenblicken weiß man nicht, was besser ist: flotte Fortbewegung nachts, wenn Afrika so düster ist, dass man das Ende der Straße fast so spät sieht wie die Passanten am Fahrbahnrand. Oder Dauerstau bei Tag, wenn Verkäufer Handyladegeräte und tote Hühner feilbieten, derweil ein Jeep mit Blaulicht kreuzt, auf dessen Heck Polizei und auf der Tür Ambulanz zu lesen ist.

Afrika, du bist so sonderbar! Nach vier Stunden erreicht der Wagen endlich das Dorf Wobulenzi, irgendwo im Nirgendwo nördlich von Ugandas Hauptstadt Kampala. Abseits des Weges versteckt sich das Solarzentrum der Kirchner Solar Group, eines Mittelständlers aus Alheim in Osthessen, der in Afrikas Mitte Geschäfte macht: Solarkraftwerke made in Germany versorgen Mobilfunkantennen mit Strom, wofür Telekomkonzerne den pfiffigen Unternehmer Lars Kirchner bezahlen. Überschüssige Energie liefert er in die Dörfer, deren Bewohner für Solarstrom Rechnungen bekommen. Die sie neuerdings sogar begleichen, meist per Handy.

Afrika funktioniert, trotz allem. Andernfalls hätte Kirchner nicht ein ganzes Dorf aus Holzhütten mit Strohdächern mitten im Busch gebaut, Zuwege inklusive. Hier bildet der 42-Jährige Installateure aus und lässt Anlagen endmontieren, die er zwischen Kongo und Kilimandscharo errichtet. „Wir werden in den kommenden zwei Jahren in Ostafrika Solaranlagen im Wert von 50 Millionen Euro aufstellen“, sagt Kirchner. Damit will er Umsatzrückgänge kompensieren, die ihm die in Deutschland kräftig gestutzte Förderung erneuerbarer Energien eingebrockt hat. So viel Weitblick ist selten in einer Branche, die über Jahrzehnte an Subventionen hing wie ein Heroinsüchtiger an der Nadel.

Investitionsklima auf dem afrikanischen Kontinent

Nicht nur Armut und AIDS

Seltener noch ist der Pioniergeist, den einer wie Kirchner beweist: Während deutsche Investoren weiter in die großen und umkämpften Märkte Asiens pilgern, stürzt sich der Hesse freiwillig ins Abenteuer Afrika. Dabei ist Afrika aus deutscher Sicht dieser hoffnungslose Kontinent, den fortwährend Kriege und Krisen schütteln, wo alle arm sind und Aids haben, ein Ort barbarischer Kriminalität, wo ohne Bakschisch gar kein Geschäft gelingt. Klar, dass Kirchner bei solchem Leumund der einzige Deutsche ist, der in Uganda kräftig investiert.

Trotz ernst zu nehmender Risiken – auf Dauer werden sich die bequemen und erfolgsverwöhnten deutschen Unternehmer von Afrika nicht fernhalten können. „Nach einem Jahrzehnt des Aufschwungs und relativer politischer Stabilität empfehlen sich viele Länder im Afrika südlich der Sahara als interessante Zielorte für Investitionen“, sagt Nikolaus Lang von der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat das erkannt, nennt Afrika einen „Chancenkontinent“ und erhebt ihn zu einem Schwerpunkt seiner Aktivität.

Afrika startet jetzt erst richtig durch. Seit 2000 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Süd- und Nordafrika um 90 Prozent auf 1,3 Billionen Dollar. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass bis 2017 die Hälfte der 20 wachstumsstärksten Ökonomien der Welt in Afrika liegen wird. In Bezug auf die Wirtschaftskraft ist der Kontinent ohne das gut entwickelte Südafrika und den arabisch geprägten Norden fast so stark wie Spanien. Was schwach scheint, denn die Region Subsahara-Afrika zählt 49 Staaten. Aber die meist kleinen Länder wachsen nicht zu knapp: Schreibt man die BIP-Zuwächse von aktuell im Schnitt sechs Prozent pro Jahr fort, sagt David Faulkner, Ökonom bei der HSBC in Johannesburg, werde sich die Wirtschaftsleistung der Mitte Afrikas alle zwölf Jahre verdoppeln.

Von einer regelrechten „Wachstumsrevolution“ spricht Faulkner. „Viele glauben, die Zuwächse gingen allein auf starke Öl- und Gasexporte zurück, aber das stimmt nicht mehr.“ Inzwischen stehe der Aufschwung auf solideren Säulen, nämlich politischer Stabilität, steigendem Konsum, ausländischen Investitionen und besserem makroökonomischen Management. Er ist sicher: „Nach Asien wird Afrika die letzte Boomregion der Weltwirtschaft.“ Die Frage ist nur, inwieweit die deutsche Wirtschaft hiervon profitieren kann – denn die Chinesen sind seit Jahren dabei, die Märkte zu erobern. Und das mit formidablen Erfolgen.

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