Deutscher Gewerkschaftsbund „Deutschland muss sich drohender Erosion der EU entgegenstellen“

Was soll 2018 oben auf die politische Agenda? Aus Sicht des DGB-Chefs das Abwenden einer Erosion Europas. Enorme Fliehkräfte sieht er am Werk - und wenig Zeit zum Handeln. Deutschland brauche dringend Stabilität.

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Reiner Hoffmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sieht die größte aktuelle Gefahr in einem Auseinanderdriften der Europäischen Union. Quelle: dpa

Berlin Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat vor einem Auseinanderdriften der Europäischen Union gewarnt. Um dem entgegenzutreten, brauche Deutschland möglichst bald eine neue, handlungsfähige Bundesregierung, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Erosion der EU ist eine der größten Gefahren, mit denen wir im neuen Jahr und danach konfrontiert sind“, warnte er. „Wenn nicht schnell gegengesteuert wird, wird sich die Vertrauenskrise in eine veritable politische Krise entwickeln.“

Deutschland werde ohne eine stabile Regierung im Rat der EU nicht handlungsfähig sein, mahnte Hoffmann. Der DGB-Vorsitzende hatte Union und SPD mit Blick auf ihre Sondierungen bereits zu einem klaren Kurs in Richtung einer neuen großen Koalition und die SPD zu einem Bekenntnis zum Regieren aufgerufen.

„Das Zeitfenster für dringende europäische Aufgaben ist außerordentlich eng“, sagte er. „Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die ihre Hand in Richtung des französischen Präsidenten ausstreckt.“ Emmanuel Macron hatte im September seinen EU-Reformplan vorgestellt und einen eigenen Haushalt und einen Finanzminister für die Eurozone vorgeschlagen. Auch ein europäisches Verteidigungsbudget sowie eine gemeinsame Interventionstruppe schwebt Macron vor.

„Wichtige Weichen müssen vor der Europawahl 2019 gestellt werden“, forderte Hoffmann. „Wir haben ein Zeitfenster von rund einem Jahr.“ Umgesetzt werden müssten auch die sozialen Rechte, die im November beim Sozialgipfel in Göteborg proklamiert wurden.

„Der Brexit wird an Deutschland nicht spurlos vorbeigehen. Und wir dürfen nicht zulassen, dass bei der nächsten Wahl in Frankreich die Europakritiker gewinnen“, sagte der DGB-Chef. „Sonst droht nach dem Brexit der Frexit.“

Die Lage sei ernst: Österreich habe nun eine Rechtsregierung, Polen und Ungarn hätten rechtsnationale Regierungen, in Tschechien wolle die Regierung das Land wie einen Konzern führen. Die südeuropäischen Länder hätten teils immer noch über 20 Prozent Arbeitslose.

„Wir brauchen eine Vertiefung der Währungsunion, eine Abkehr von der drückenden Austeritätspolitik, einen Kurswechsel für Zukunftsinvestitionen“, forderte Hoffmann. „Wir werden Europa nicht retten, wenn die sozialen Rechte nicht umgesetzt werden.“ Man müsse dem Eindruck entgegentreten, dass Europa nur ein Binnenmarkt mit Steuernachteilen für Arbeitnehmer sei.

Der politische Handlungsbedarf in Deutschland und Europa sei groß. „Der Modernisierungsbedarf im Land, der Zusammenhalt Europas und der Kampf gegen Rechtspopulismus sind die drei großen Herausforderungen 2018“, sagte Hoffmann.

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