Fürs Verstehen der Welt hilft auch ein Blick in die Provinz. Mittelständlerinnen und Mittelständler steigen um auf erneuerbare Energie. Um unabhängiger zu werden von Brennstoffen – und Russland. Sie suchen neue Lieferanten wie Abnehmerinnen jenseits von China. Weil Lieferketten wegen Corona brechen und auch die Regierung in Peking ihre Großmacht auf Kosten anderer ausspielen könnte.
Das sind zugleich die großen Themen dieser Tage beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Der Ministerpräsident im Mittelstandsländle Baden-Württemberg hat schon lauter und deutlicher als andere Politikerinnen bei uns darauf hingewiesen, dass wir unser Modell Wohlstand mit einer gewissen geopolitischen Naivität betrieben haben. Und dass wir, wenn wir umsteuern, uns in nächster Zeit erst einmal mit höheren Kosten anfreunden müssen, so Winfried Kretschmann.
Wir müssen also unabhängiger werden: Nach Brüchen und Rückschlägen steht die Globalisierung in Frage, wie wir sie kennen. Nicht der Handel an sich und ein Austausch weltweit. Wohl aber die Sorglosigkeit auf der Suche nach der billigsten Lieferbeziehung, die teuer werden und tragisch abhängig machen kann. Und die in vielen Ländern mit autokratischen Herrschern immer auch auf Kosten der Menschen geht.
Wir werden nicht nur mit Demokratien Handel treiben können. Wir sollten aber jede Abhängigkeit von einem Land oder einem Block abbauen. Wie wäre ein neuer Anlauf für den Freihandel mit den nordamerikanischen Ländern? Wie wäre der Aufbau von Handelsbeziehungen mit sonnenreichen Ländern wie Marokko oder an anderen südlichen Rändern Europas? Von dort könnte Sonnenenergie oder Wasserstoff kommen. Richtig wäre auch, wieder eine nennenswerte Produktion von Solar- und Windkraft-Modulen in Europa aufzubauen. Hier schlittern wir in die nächste Abhängigkeit von China.
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Wir müssen auch sparsamer werden: Nachhaltigkeit muss als Maßstab für Rohstoffe wie fürs Geld gelten. Inflation, langfristig teurere Energie und der Umbau der Wirtschaft auf Erneuerbare wie auch auf andere Lieferbeziehungen kosten erst einmal. Das wird heißen, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle weniger reich fühlen und der Staat genau einteilen sollte, was er fördert und wen er stützt. Die Gießkanne hat ausgedient.
Wir sollten Sparsamkeit aber auch in Bezug auf Ressourcen und Rohstoffe verstehen. Die beste Kilowattstunde ist die nicht benötigte, das beste Metall ist das wiederverwertete. Eine konsequente Ausrichtung auf Recycling und Kreislaufwirtschaft würde uns nicht nur nachhaltiger wie unabhängiger werden lassen. Sie würde der deutschen Wirtschaft auch einen ziemlichen Innovationsschub bescheren.
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