Die ersten 100 Tage Mexikos Präsident befindet sich noch in den „Flitterwochen“

Die Zahl der Tötungsdelikte sinkt nicht, der Ausblick der Wirtschaft ist gedämpft. Trotzdem genießt López Obrador große Beliebtheit in Mexiko.

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Der mexikanische Präsident ist vor allem bei der Bevölkerung beliebt. Quelle: Reuters

Mexiko-Stadt Ambitioniert war die Agenda, mit der Mexikos neuer Präsident Andrés Manuel López Obrador im Dezember sein Amt antrat. Er versprach weniger Korruption, weniger Gewalt, dafür mehr Sicherheit und mehr finanzielle Hilfen für Einkommensschwache.

In seinen ersten 100 Tagen als Präsident des lateinamerikanischen Staates hat der 65 Jahre alte Linkspolitiker einiges nach seinem Gefallen umgekrempelt – von der Bevölkerung wird er dafür geradezu vergöttert. Dabei sieht die Bilanz nicht unbedingt rosig aus. Migrationsexperten warnen, dass ihm vor allem das Abschiebe-Abkommen und die eher schwache Positionierung gegenüber den USA noch auf die Füße fallen könnten.

Mexiko drohe eine humanitäre Krise an seiner Nordgrenze, sollten die USA beginnen, Migranten aus Mittelamerika in größerer Zahl als bisher dorthin zurückzubringen, ist sich Duncan Wood vom Mexiko-Institut der US-Denkfabrik Wilson Center sicher. „Mexiko ist darauf nicht vorbereitet.“

Ende Dezember hatten sich die USA nach Angaben des US-Heimatschutzministeriums erstmals mit Mexiko auf ein Verfahren zur Abschiebung zentralamerikanischer Asylsuchender geeinigt. Die Migranten müssen an der Grenze warten, bis ihre Asylanträge bearbeitet sind.

Die mexikanische Regierung sprach von einer einseitigen Entscheidung der USA – Lateinamerika-Experte Wood sieht das anders. „Wir waren sehr überrascht, wie sehr die Regierung von López Obrador bereit ist, mit der Trump-Regierung zusammenzuarbeiten“, sagte Wood. Bisher hatte Mexiko sich immer geweigert, nicht-mexikanische Migranten wieder aufzunehmen, tut es nach eigenen Angaben aus humanitären Gründen nun aber doch.

Mexiko müsse die Kontrolle über seine eigene Nordgrenze in die Hand nehmen, sagt Wood, es gehe um Souveränität. „Mehr Personal und mehr Infrastruktur wären die richtige Antwort.“ Nach der Ankunft einer großen sogenannten Migranten-Karawane im Herbst hatte es in der Grenzstadt Tijuana bereits gebrodelt: Einige Bewohner wollen die Menschen aus Mittelamerika nicht auf Dauer in der Stadt haben.

Im Moment komme der Präsident mit dieser eher schwachen Position gegenüber den USA bei der Bevölkerung noch durch, erklärte Wood. „Wir sind noch in der Flitterwochen-Phase. Da sind Fehler erlaubt.“ Kaum ein anderer Präsident erfreute sich in Mexiko bisher so hoher Zustimmungswerte wie Obrador.

Seit seinem Amtsantritt stieg sein Beliebtheitswert nach Angaben einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Mitofsky auf rund 67 Prozent. Die Tageszeitung „El Financiero“ sieht ihn sogar bei 78 Prozent Zustimmung. Obrador zeigt sich volksnah: Er isst an kleinen Straßenständen und hat das Präsidenten-Anwesen Los Pinos in ein Kulturzentrum mit Park umgewandelt.

Vermeintliche Zustimmung von den Mexikanern holt sich López Obrador auch in nicht rechtsbindenden Volksbefragungen – die bisher in allen Fällen nach seinem Gusto ausfielen. Geht es um neue Bauprojekte, organisiert er informelle Befragungen. So ließ er beispielsweise den Bau eines neuen Flughafens in Mexiko-Stadt stoppen.

Rechtlich bindende Volksbefragungen müssen normalerweise vom Nationalen Wahlinstitut organisiert werden und die Teilnahme von 40 Prozent der Wähler ist erforderlich. Die Abstimmungen von López Obrador erfüllen keine der Vorgaben. Publikumswirksam sind sie trotzdem.

Während der Präsident in der Bevölkerung förmlich auf einer Beliebtheitswelle reitet, sieht ihn die Wirtschaft mit zunehmender Skepsis. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) senkte im Zuge eines weltweiten Rückgangs die Prognose für das mexikanische Wirtschaftswachstum von 2,5 auf 2,0 Prozent für 2019.

Eine Umfrage der mexikanischen Zentralbank unter Wirtschaftsexperten, die in der Tageszeitung „Excelsior“ veröffentlicht wurde, prognostiziert sogar nur ein Wachstum von etwa 1,64 Prozent in diesem Jahr. Eine Abkehr von der offenen Wirtschaftsorientierung Mexikos sei bisher aber nicht sichtbar, erklärt Florian Steinmeyer von der Deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing.

López Obrador setze allerdings auf eine stärkere staatliche Kontrolle, vor allem in Energiebereich. Für Unsicherheiten sorge zudem das neue Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, dem in den Parlamenten noch zugestimmt werden muss. „Wir müssen sehen, wie sich die neue Regierung verhält, ob sie Korruptions- und Sicherheitsprobleme wirklich bekämpfen kann“, sagte Steinmeyer.

Viele Mexikaner setzen gerade beim Thema Sicherheit auf López Obrador. Doch die Zahl der Tötungsdelikte ist seit seinem Amtsantritt gestiegen. Im Januar wurden 2853 Tötungsdelikte registriert – rund sechs Prozent mehr als im letzten Amtsmonat seines Vorgängers Enrique Peña Nieto im November 2018.

In der Hauptstadt, Mexiko-Stadt, ist seit dem Antritt von López Obradors Parteikollegin aus der Morena-Partei, Claudia Sheinbaum, die Rate der Tötungsdelikte um gut 40 Prozent gestiegen. Die generelle Kriminalitätsrate in der Millionenmetropole erlebte im Vergleich zum letzten Monat vor dem Amtsantritt López Obradors einen Anstieg von 8,5 Prozent. Für mehr Sicherheit soll eine neu geschaffene Nationalgarde sorgen. Wichtig sei, dass das Volk dieser vertrauen könne, betonte der Präsident immer wieder.

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