Die größte Wette seines Lebens Was hat Peter Thiel als Trumps Berater vor?

Der Milliardär Peter Thiel ist der Exzentriker unter den Investoren im Silicon Valley. Er experimentiert mit dem ewigen Leben und vernichtet ganze Medienhäuser. Was plant er als Zukunftsberater von Donald Trump?

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Peter Thiel und Donald Trump vereint als

Kopfüber in einer Stahlröhre an der Decke einer Lagerhalle in Phoenix zu hängen, mittels flüssigem Stickstoff heruntergekühlt auf minus 196 Grad – was mit Peter Andreas Thiel, geboren am 11. Oktober 1967 in Frankfurt am Main, nach seinem natürlichen Ende passiert, ist vertraglich genau geregelt. Der futuristische Spezialfrostkonservierer Alcor wird sich dann um seinen Körper und sein Gehirn kümmern, damit diese irgendwann in der Zukunft wiederbelebt werden können.

Bis es so weit ist und für den Fall, dass noch zu seinen Lebzeiten ewiges Leben ermöglicht werden sollte, hält sich der Investor aus San Francisco mit Sport, Medikamentencocktails, Wachstumshormonen und zuckerarmer Diät für die Unendlichkeit fit. Künftig eventuell mit dem Blut junger Menschen. Nebenwirkungen solcher Transfusionen studiert er gerade aufmerksam.

Das Leben von Peter Thiel gäbe schon so genügend Stoff her für eine Geschichte über exzentrische Milliardäre aus dem Silicon Valley: ein Utopist, abgedrehter, als es sich jeder Drehbuchschreiber ausdenken könnte.

Trumps Amerika: Die Pläne des neuen US-Präsidenten

Nun will der Mann, dessen Vermögen, das er unter anderem mit dem Aufbau des digitalen Bezahldienstes PayPal und dem Anschubkapital für Facebook aufgebaut hat, auf 2,7 Milliarden Dollar geschätzt wird, auch die US-Wirtschaftspolitik in neue Sphären hieven. Mit dem Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus sitzt Thiel als sein Wirtschaftsberater fortan am anderen Ende der direkten Leitung ins Silicon Valley.

Thiel wird in Washington zwar kein offizielles Amt bekleiden und vorerst nicht aus San Francisco wegziehen. Sein Einfluss auf die wichtigste Zukunftsbranche des Landes war aber schon vor der Inauguration zu spüren: Im Wahlkampf hatte Trump die Branche hart angegriffen, da sie nicht genügend in den USA produziere.

Es war Thiel, der für ein erstes Treffen nach dem Wahlsieg mit Techtitanen wie Amazon-Gründer Jeff Bezos und Apple-CEO Tim Cook die Gäste aussuchte. Und Thiel kümmerte sich persönlich darum, dass diese bei dem Treffen im Trump Tower in New York im vergangenen Dezember auch erschienen.

Was treibt den eher öffentlichkeitsscheuen Exzentriker aber in die Politik, und was will er überhaupt erreichen? Und wie passt diese Verbindung aus einem altmodischen Präsidenten, der ständig vor den Gefahren des Computerzeitalters warnt, und dem Repräsentanten des radikalsten Zukunftsflügels aus dem Valley zusammen?

Es ist noch gar nicht lange her, da hatte Thiel für die etablierten Parteien und Politik nur Verachtung übrig. Für ihn waren sie Synonym für Stillstand und eine Bremse des Fortschritts. 2009 schrieb er, der staatliche Regulierung verabscheut, in einem Essay: „Freiheit und Demokratie sind für mich nicht mehr miteinander vereinbar.“

Offiziell zumindest hat sich Trump von der Demokratie nicht verabschiedet. Doch auf dem Parteitag der Republikaner in Cleveland hielt Thiel im vergangenen Juli zum ersten Mal ein flammendes Plädoyer für Trump zur besten Sendezeit, kurz bevor der Immobilientycoon selber auftrat.

Auf den ersten Blick ein Widerspruch – und doch passt alles zusammen. Denn wenn sich Thiel auf einen Nenner zusammenfassen lässt, dann diesen: „Wann immer es einen starken Konsens gibt, macht mich das automatisch skeptisch“, sagt er. Seit seiner Jugend übt er sich darin, gegen den Strom zu schwimmen. Die Suche nach der anderen Wahrheit hat ihn zu Trump gespült.

Philosophie und Jura in Stanford

Thiel ist wie viele im Valley Einwanderer. Sein Vater Klaus brachte seine junge Familie 1968 in die USA, wo er Ingenieurtechnik studierte. Ein Jahr alt war Thiel da. Die Familie ist viel um die Welt hin- und hergezogen. Sieben Schulen besuchte Peter, bevor sich die Thiels schließlich im Silicon Valley niederließen. Dort vertrieb er sich die freie Zeit mit Science-Fiction-Romanen, in denen die Menschen Unterwasserstädte aufbauten und Siedlungen auf dem Mars gründeten. Thiel war ein mathematisches Wunderkind und ein hochbegabter Schachspieler.

Als er 1985 die Highschool als Jahrgangsbester abschloss, bewarb er sich an mehreren Eliteuniversitäten und wurde überall angenommen. In Stanford studierte er Philosophie und Jura, der Grundstein einer Ausnahmekarriere. Und der Beginn des Aufstiegs eines konträren Geistes, der sich oft selbst widerspricht.

Heute sagt Thiel etwa, die Ausbildung an den Eliteeinrichtungen sei entwertet. Deshalb vergibt er an junge Talente 100.000 Dollar, wenn sie ihre Ausbildung abbrechen und unter die Unternehmer gehen. Er echauffiert sich gerne darüber, dass „wir statt fliegender Autos 140 Zeichen erhalten haben“, ein Seitenhieb auf Twitter. Dabei hat er sein Vermögen selbst nicht nur mit Investitionen in neue Technologien, sondern auch mit schnöden Wetten auf Devisen und Rohstoffe verdient. Thiel hat für journalistische Projekte gespendet, zugleich eine Klage des Wrestlers Hulk Hogan gegen das New Yorker Medienhaus Gawker finanziert und dieses in den Bankrott getrieben.

Gawker hatte ihn einst als homosexuell geoutet. Welche Überzeugung hat er wirklich?

Herbst 2016: Keine Region war im Wahlkampf so gegen Trump eingestellt wie das linkslibertäre Kalifornien. Thiel aber spendete 1,25 Millionen für dessen Wahlkampf. Seine Kritiker verstanden nicht, wie er sich ausgerechnet auf die Seite des gegen Einwanderer hetzenden Trumps stellen könne.


Dabei folgte Thiel nur seinem Lebensprinzip: „Wenn sich das ganze Valley auf eine Seite schlägt, ist es doch logisch, dass Peter die andere wählt“, sagt jemand, der ihn gut kennt. Trump belohnte seinen einzigen prominenten Fan im Valley mit einem Beraterposten. Trump über Thiel: „Wir sind Freunde fürs Leben.“ Bei näherer Betrachtung fügt sich Thiels Engagement für Trump ohnehin sanft wie eine Teslafahrt ein in ein größeres Ganzes.

„Unsere Wirtschaft ist kaputt“, erregt Thiel sich schon seit Langem. Junge Amerikaner hätten heute weniger Aufstiegschancen als ihre Eltern. Die Nation, die einst den ersten Menschen zum Mond schickte, vernachlässige heute die Wissenschaft. „Anstatt zum Mars zu gehen, sind wir im Nahen Osten einmarschiert“, sagt er. Nur ein Außenseiter wie Trump könne dem eingefahrenen Elitensystem, das er selbst so verachtet, einen heilsamen Schock versetzen, glaubt er. Nicht nur durch den Abbau von bürokratischen Hürden, sondern weil er Dinge anders als eingespielte Profis anpacke und sich nicht einmal von seiner eigenen Partei kontrollieren lasse.

Raumfahrt und Bildung

Für Thiel hat die Wende zum Schlechteren für die USA 1969 mit Woodstock begonnen, wo die Hippies im Schlamm tanzten und allerhand kulturelle Gegenbewegungen und Befindlichkeiten in den amerikanischen Alltag und die Lehrpläne in den Schulen einzogen. Er wünscht sich in die USA der Fünfziger- und Sechzigerjahre zurück, als die Raumfahrt die Amerikaner begeisterte und nicht Selfies auf Instagram. In diese Vergangenheit, wo noch ganz groß von den Verheißungen der Zukunft geträumt wurde, hofft Thiel, werde „Trump uns wieder zurückführen“. Er hegt seinen ganz eigenen Traum vom „Make America Great Again“.

Nun hat er Einfluss darauf, welches der vermeintlich richtige Weg dahin ist: Thiel hat Trump überredet, das Team, das über die Programme und das Personal der Raumfahrtbehörde Nasa entscheiden wird, mit mehr Mitarbeitern zu besetzen, die der privaten Raumfahrt wohlgesinnt sind. Beobachter erwarten, dass er auch Einfluss darauf nehmen wird, wie die staatlichen Ausgaben für Wissenschaft, Technologie und Verteidigung verteilt werden. Auch das Bildungssystem könnte er sich vornehmen: Thiel wettert schließlich, dass sich Amerika in einer Blase der Bildungskredite befände, die die Wirtschaft bedrohe.

Thiel wohnt in einer Villa mit Blick auf die Golden Gate Bridge. Dort debattiert er mit Bekannten über seinen Lieblingsphilosophen René Girard und studiert philosophische Schriften. Disziplinen, die dem Twitter-Präsidenten Trump fremd sein dürften. Gemeinsam sind beiden hingegen ausgefallene wirtschaftspolitische Positionen.

Thiel profitiert vom Kapitalismus, ist aber überzeugt, dass dieser sich nicht gut mit Wettbewerb vertrage. Das Ideal für ihn sind Monopole, deren Geschäfte so gut laufen, dass sich dadurch Ideen finanzieren lassen, die die Menschheit voranbringen. Etwa so wie Google mit den Profiten aus einem Suchmaschinengeschäft die Arbeit an lebensverlängernden Technologien oder selbstfahrenden Autos vorantreibt. Und die Globalisierung sieht er als ruinösen Wettlauf, bei dem China bestehende Geschäftsmodelle zu kopieren versuche und damit deren Wert nach unten treibe.

Beim Treffen mit der Techelite im Trump Tower saß Thiel direkt links neben Trump. Der tätschelte zärtlich Thiels rechte Hand. „Ich habe gedacht, hoffentlich sieht das nicht zu seltsam im TV aus“, sagte Thiel neulich der „New York Times“. Zwei Elitenverabscheuer und Außenseiter haben einander gefunden, dokumentiert dieses Bild. Der Pakt mit der Politik könnte sich nicht zuletzt auch geschäftlich auszahlen.

Die Wahlversprechen Donald Trumps

Längst macht Thiel mit Trump-Schwiegersohn Jared Kushner gemeinsame Deals, unter anderem ein Investment in das Versicherungs-Start-up Oscar Insurance. Dessen Gründer ist Kushners jüngerer Bruder Joshua. Thiel ist einer der wichtigsten Anteilseigner von SpaceX, dem Raketen-Start-up seines Freundes Elon Musk, das nun von der neuen Nasa-Mannschaft profitieren könnte. Und am Tisch im Trump Tower saß auch ein eher unbekannter Alex Karp mit dabei, Chef von Palantir. Das ist ein Start-up, das Thiel mitgründete und dessen wichtigster Gesellschafter er ist.

Das Datenanalyseunternehmen wird auf einen Wert von etwa 20 Milliarden Dollar geschätzt. Es hätte aber durchaus auch andere Start-up-Vertreter gegeben, deren Gründern ein Platz zugestanden hätte.

Von der „New York Times“ darauf angesprochen, dass Barack Obama das Präsidentenamt ohne Skandale ethischer Art übergebe, gab Thiel eine selbst für ihn seltsam verquere Antwort. Keine Korruption könne auch ein schlechtes Zeichen sei: „Es kann bedeuten, dass die Dinge zu langweilig sind.“

So redet nur einer, der sich eines Sieges gewiss ist. Der Blog Politico meldete neulich, Thiel erwäge, sich 2018 zur Wahl des Gouverneurs von Kalifornien aufstellen zu lassen. Bisher ist das Thiel-Spiel, alles gegen die Mehrheit zu setzen, Zug um Zug aufgegangen. Die Karte Trump aber ist seine steilste Wette. Verliert er sie, weil Trump als unerwarteter Retter Amerikas möglicherweise ausfällt, bleibt ihm noch die Suche nach dem ewigen Leben. Dann könnte Thiel sich einfrieren lassen und auf die bessere Zukunft warten und warten und warten.

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