Die Opfer an der Heimatfront Wie Trumps Zölle amerikanische Unternehmen belasten

US-Präsident Donald Trump beim Besuch einer Stahlfabrik in Granite City. Quelle: REUTERS

Mit Zöllen will Donald Trump eigentlich heimische Industrien schützen. Doch der Handelskrieg fordert auch Opfer an der Heimatfront. Manche amerikanische Unternehmen drohen bereits mit Jobabbau – und Abwanderung.

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Eigentlich sollte es der Sonoco Products Company gut gehen. Sehr gut sogar. Seit über 100 Jahren produziert das Unternehmen aus Hartsville im US-Bundesstaat South Carolina Verpackungsmaterial für die ganze Welt. Die Waren sind begehrt. Im vergangenen Jahr setzte die Firma mehr als fünf Milliarden Dollar um – mehr als jemals zuvor. Alles schien auch in diesem Jahr auf weiteres Wachstum hinauszulaufen, doch dann kam der 1. März. Und damit die Unsicherheit.

An diesem Tag verkündete Präsident Donald Trump die nächste Eskalationsstufe in seinem Handelskrieg. Angeblich aus Sicherheitsgründen führte er Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus fast allen Ländern ein. Mit ein wenig Verzug wurden auch engste Verbündete mit der Einfuhrabgabe belegt, Ausnahmen gab es nur für handverlesene Länder.

Für Sonoco reichte bereits die Ankündigung der Zölle, damit sich die Aussicht auf die Zukunft eintrübte. Zahlreiche Produkte des Unternehmens sind aus Aluminium oder Stahl gefertigt. Dosen, Container, Röhren – vieles was zum Transport widerstandsfähig verpackt werden muss, braucht zum Schutz eine Metallhülle. „Wir brauchen Stahl für stabile Enden und nutzen Aluminium etwa als Trennmaterial bei bestimmten Verpackungen“, erklärt Sonoco-Sprecher Brian Risinger. Ersatz für die wichtigen Rohstoffe ist kaum möglich.

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Kein Wunder also, dass Trumps Zölle den Aktionären des Unternehmens einen gehörigen Schreck einjagten. Der Aktienkurs von Sonoco fiel im März auf seinen niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr. Seitdem hat er sich zwar wieder ein gutes Stück erholt, trotzdem bleibt Misstrauen. „Unsere Kosten für Rohmaterialien sind zuletzt gestiegen“, so Risinger. „Wir werden einen Weg finden müssen, das auszugleichen.“

Es ist ein Problem, vor dem derzeit zahlreiche Unternehmen in den USA stehen. Trumps Handelskrieg macht Firmen jeder Größe zu schaffen – von kleinen Handwerkern bis hin zu Industrieriesen. Während die US-Wirtschaft insgesamt kräftig wächst, müssen sich diese Unternehmen Gedanken über Kostenreduktionen machen. Für einige sind steigende Rohstoffpreise der Grund, für andere die Strafzölle, die China, Kanada, Mexiko oder die Europäische Union als Vergeltung auf US-Waren eingeführt haben. Manche greifen bereits zu drastischen Maßnahmen.

In Poplar Bluff, Missouri, haben die Menschen die Auswirkungen bereits zu spüren bekommen. Dort hat die Mid-Continent Nail Corporation ihren Sitz, der größte Nägelhersteller der USA. Zumindest noch.

Fast 50.000 Jobs sind gefährdet

Seit mehr als 30 Jahren werden hier Nägel produziert. Der Stahl dafür kam vorwiegend aus Mexiko. Doch durch Trumps Zölle ist das Geschäftsmodell nicht länger tragfähig. Von den bisher 500 Mitarbeitern hat das Management deshalb bereits im Juni den ersten 60 gekündigt. Als Begründung nannte es Trumps Handelspolitik. Wie lange der Rest noch einen Job hat, ist völlig offen. „Wir sind vom Aussterben bedroht“, sagt Unternehmenssprecher James Glassman bei CNN. Bereits im September könnte das Werk vollständig geschlossen werden – oder nach Mexiko umsiedeln.

Es könnten nicht die letzten Jobs sein, die dem Handelskrieg zum Opfer fallen. Berechnungen der Tax Foundation zufolge sind allein durch die Zölle der Trump-Regierung mehr als 48.000 Stellen direkt gefährdet. Durch Vergeltungsmaßnahmen kämen mehr als 38.000 verlorene Jobs hinzu. Eskaliert der Konflikt weiter, könnten es noch einmal deutlich mehr werden. Mehr als 364.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr, wenn der Präsident alle seine Handels-Drohungen wahr mache, heißt es bei der Stiftung.

So weit ist es bei der Independent Can Company in Belcamp, Maryland noch nicht. Besorgt ist man allerdings auch hier. Für ihre Dosen-Herstellung braucht die Firma vor allem Stahl. Der Rohstoff mache rund 50 Prozent der Produktionskosten aus, so CEO Rick Huether. Durch die Zölle seien diese nun spürbar in die Höhe geschossen. Sie als Preissteigerungen an die eigenen Kunden weiterzureichen, sei jedoch schwierig. Zu umkämpft ist der weltweite Dosenmarkt. „Wenn wir nur fünf oder zehn Prozent teurer werden, kaufen unsere Kunden künftig im Ausland“, sagt Huether. Auch Kündigungen seien deshalb noch nicht vom Tisch.

Diese Aussicht passt so gar nicht zur Ankündigung des Präsidenten, die Zölle würden zu faireren Handelsabkommen und mehr Jobs führen. Die heimische Stahlproduktion zumindest ist noch nicht in der Lage, die benötigten Stahlprodukte in der notwendigen Masse und Qualität herzustellen. Es könne bis zu einem Jahr dauern, bis man so weit sei, heißt es. Was der Stahl aus US-Produktion dann kosten werde, ist ebenfalls noch völlig offen.

Angesichts dieser Gemengelage haben sich zahlreiche Unternehmen mittlerweile an das Handelsministerium gewandt. Ihr Ziel: Eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, mit der sie weiter auf dem Weltmarkt einkaufen können, allerdings ohne die zusätzlichen Strafzölle zu bezahlen. Mehr als 20.000 Anträge sind mittlerweile bei der Behörde eingegangen. Bearbeitet wurden allerdings erst rund 1100. Minister Wilbur Ross will Antragsstellern dann auch keine großen Hoffnungen machen. Ausnahmen würden nur selten gemacht, signalisierte er bereits.

Andere Branchen dürfen hingegen auf mehr Unterstützung durch die Regierung hoffen. So kündigte die Regierung jüngst an, amerikanischen Bauern, die von chinesischen Vergeltungszöllen betroffen sind, mit einem zwölf Milliarden Dollar-Programm kurzfristig unter die Arme zu greifen. Die Republikaner sind zwar alles andere als begeistert von der Idee, doch das Weiße Haus braucht die Zustimmung des Kongresses für die Maßnahme wohl nicht. Sie will sich einen bereits bestehenden Programms bedienen. Es stammt noch aus der Zeit der Großen Depression in den 1930er Jahren.

Bei Sonoco in South Carolina sind Rettungsmaßnahmen hingegen noch nicht nötig. Trotz der Zölle hat der Umsatz im zweiten Quartal wieder angezogen. Auch der Aktienkurs stieg wieder spürbar an. Entspannt sind sie im Unternehmen trotzdem nicht. „Wir werden die höheren Kosten an die verschiedenen Ebenen unserer Lieferketten weitergeben müssen“, erklärt Unternehmenssprecher Risinger. Entwarnung klingt anders.

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