Die USA und ihre Partner Trumps Spur der Verwüstung

Donald Trumps Europareise: die USA und ihre Partner Quelle: REUTERS

Auf seiner Europareise zeigte der US-Präsident einmal mehr, dass ihm die traditionellen Bündnisse der USA wenig bedeuten. Doch hinter der offenen Rücksichtslosigkeit steckt auch eine Strategie. Sie könnte aufgehen.

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Theresa May schluckte die Demütigung hinunter. Gerade saß sie mit US-Präsident Donald Trump beim Galadinner im Blenheim Palace zusammen, dem Stammsitz der Familie des legendären britischen Premierministers Winston Churchill, da veröffentlichte die Boulevardzeitung „Sun“ in großen Buchstaben, was Trump wirklich von seiner Gastgeberin hält.

May, so Trump, habe den Brexit versemmelt. Ein Freihandelsabkommen mit den USA sei unter den aktuellen Maßgaben kaum möglich. Und überhaupt: Ex-Außenminister Boris Johnson wäre auch ein sehr geeigneter Regierungschef des Vereinigten Königreichs.

Trumps Worte haben das Potenzial, die ohnehin geschwächte Regierung Mays endgültig in den Abgrund zu stürzen. Trotzdem reagierte die Premierministerin zumindest öffentlich gar nicht auf die Provokation des Präsidenten. Brav gestatteten es die Briten, dass Trump störungslos sein Besuchsprogramm absolvieren und am nächsten Tag gemeinsam mit der Queen die traditionelle Tasse Tee trinken durfte. Keep calm and carry on.
Es war jedoch nicht nur die sprichwörtliche steife Oberlippe, die May zum Stillhalten bewegte. Kaum einer der traditionellen Verbündeten der USA ist derzeit bereit, sich gegen die Provokationen des US-Präsidenten zu wehren. Zu gut haben die Staats- und Regierungschefs noch im Gedächtnis, wie Trump nach dem G7-Gipfel vor wenigen Wochen dem gemeinsamen Abschlussdokument die Unterschrift verweigerte, weil Gastgeber Justin Trudeau ihm in Handelsfragen öffentlich widersprach.

Die westlichen Verbündeten der USA wollen auf jeden Fall verhindern, dass sich ein solcher Vorgang wiederholt – schließlich stehen die über Jahrzehnte gewachsenen transatlantischen Beziehungen auf dem Spiel. Also erlaubt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel maximal eine spitze Bemerkung, wenn Trump vor dem Auftakt des Nato-Gipfels behauptet, Deutschland werde von Russland kontrolliert. Es steht schlicht zu viel auf dem Spiel.

Für Trump hat diese Konstellation nur Vorteile. Schließlich erleichtert sie es ihm, seine Interessen in Europa durchzusetzen. Der US-Präsident sieht den Kontinent in erster Linie nicht als Partner, sondern als Ärgernis. Die durch Institutionen geprägte Nachkriegsordnung ist für ihn kein Zweck an sich, sondern ein Hindernis, seine Vision von „America First“ umzusetzen.

Die Nato? Ein Club von Schnorrern, die nicht genug für ihre eigene Verteidigung ausgeben und sich auf den Sicherheitsgarantien der USA ausruhen. Die EU? Ein Pakt, der vor allem der US-Wirtschaft schaden soll und sie in Handelsfragen übervorteilt. Beides will er ändern – und jagt aus diesem Grund seinen Verbündeten gerne einen gehörigen Schrecken ein.

Nato und EU sieht er nicht als Partner

Da passt es ins Bild, dass er seinen Bündnispartnern in großer Runde warnte, die USA könnten auch „ihr eigenes Ding“ machen, sollten die anderen Mitgliedsstaaten ihre Verteidigungsausgaben nicht umgehend erhöhen. Der US-Präsident droht damit, das mächtigste und erfolgreichste Verteidigungsbündnis der Geschichte zu sprengen, um Konzessionen von seinen vermeintlichen Partnern zu erpressen.

Es ist ein beispielloser Vorgang. Für Trump könnte sich seine Strategie allerdings auszahlen. Der US-Präsident registriert sehr genau, dass sich etwa seine Nato-Partner derzeit äußerst bemühen, ihre Verteidigungsausgaben zumindest mittelfristig ein Stück weit in die Nähe der vereinbarten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu bekommen.

Zwar ist der Großteil der Allianz weit davon entfernt, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, doch zumindest rhetorisch hat sich einiges verändert. Wenn Trumps Vorgänger Obama beklagte, dass die Europäer zu wenig für ihre Sicherheit ausgeben, erntete er zumeist warme Worte und ein Schulterzucken. Trump wiederum signalisieren sie, dass sein Anliegen ernst genommen wird. Zu groß die Sorge, dass er das Bündnis andernfalls tatsächlich verlassen könnte.

Damit ist die Nato zu Trumps Hebel geworden. Schließlich wollen die europäischen Partner auf die Sicherheitsgarantie der USA nicht verzichten. Der US-Präsident will dies nun nutzen, um auch in anderen Fragen Konzessionen von den Europäern zu bekommen - im Handelsstreit zum Beispiel. Es ist kein Zufall, dass Gästen aus verbündeten Staaten im Weißen Haus stets zwei Zahlen vorgehalten werden: Die Höhe des Verteidigungsetats – und das Handelsdefizit.

Vor allem Besucher aus Deutschland kennen diese Abfolge zur Genüge. Überhaupt hat die Bundesrepublik in Trumps kontrollierter Chaos-Strategie eine besondere Rolle. Schon seit Jahrzehnten regt er sich über deutsche Luxusautos auf der New Yorker Fifth Avenue auf und empfiehlt Zölle, um amerikanische Marken vor der Konkurrenz zu schützen. Dass die Deutschen aus seiner Sicht nicht annähernd genug für ihre Sicherheit bezahlen, tut sein übriges.

Zuhause droht Trump zumindest kurzfristig kein Ärger wegen dieser Rüpel-Strategie. Seine Anhänger finden es ganz sympathisch, dass sich der Präsident die Europäer öffentlich vorknöpft. Das Gefühl, die USA würden von ihren vermeintlichen Partnern ausgenutzt, teilen viele. Auch spüren sie die Auswirkungen der Strafzölle vielerorts noch nicht, die andere Länder als Vergeltung für die neuen US-Einfuhrabgaben eingeführt haben.

Er kann auch anders - wenn er will

Das liberale Establishment sieht das selbstreden ganz anders – schließlich dürfte sich ein Handelskrieg mit engen Verbündeten mittelfristig auch negativ aus die US-Wirtschaft auswirken und sicherheitspolitisch ist ein stabiles Europa im ureigensten Interesse der USA. Auf die Befindlichkeiten dieser Gruppe hat Trump allerdings noch nie Rücksicht genommen. Da ist es nicht überraschend, dass er damit auch auf seiner Europareise nicht angefangen hat.

Dabei setzt Trump nicht ausschließlich auf Konfrontation. Nachdem die „Sun“ seine Attacke auf May öffentlich gemacht hatte, stritt er die verletzenden Äußerungen vehement ab – obwohl die Zeitung einen Audio-Mitschnitt veröffentlichte. Am Ende rang er sich sogar zu einer seltenen Entschuldigung durch. Auch gegenüber Merkel demonstrierte er während des Nato-Gipfels plötzlich eine ungewohnte Nähe. Bei allen Provokationen: Trump will nicht überziehen. Zumindest nicht unkontrolliert.

Lange halten diese Höflichkeitsanfälle in der Regel allerdings nicht. Die Saat für die nächsten Zusammenstöße ist bereits gelegt. Ebenfalls auf dem Nato-Gipfel forderte Trump plötzlich, die Mitgliedsstaaten sollten künftig vier Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Kein Bündnisland, auch nicht die USA, gibt so viel Geld für Rüstung aus. Entsprechend ist klar, dass die Nato-Staaten diesen Vorstoß ablehnen müssen.

Und auch in Handelsfragen steht die nächste Eskalation bevor. Bis Anfang August wollen die Vereinigten Staaten entscheiden, ob künftig Strafzölle auf ausländische Automobile fällig werden – eine Maßnahme, die vor allem Deutschland hart treffen würde. An Anlässen für neuen Streit zwischen den Verbündeten mangelt es also nicht.

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