Diplomatische Konfrontation Türkei bestellt deutschen Botschafter wegen Satiresong ein

Recep Tayyip Erdogan ist empfindlich, das hat der türkische Präsident oft bewiesen. Nun erregte er sich offenbar über einen deutschen Satirebeitrag – und ließ das dem deutschen Botschafter unmissverständlich mitteilen.

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Der türkische Präsident lässt offenbar nicht gern mit sich Spaßen. Quelle: AP

Düsseldorf Wegen eines satirischen Musikvideos der NDR-Sendung „extra3“ ist am Dienstag vergangener Woche offenbar der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, einbestellt worden. Das Auswärtige Amt bestätigte auf Anfrage des „Handelsblatt“ diese Meldung, die „Spiegel Online“ am Montagabend verbreitet hatte. Das Amt wollte weder die Unterredung oder konkrete Forderungen der Türkei, noch die weiteren Konsequenzen für das Verhältnis zur Türkei kommentieren oder „interpretieren“. Klar sei aber, dass eine Einbestellung starken Protest ausdrücken solle.

Konkret ging es den türkischen Diplomaten um ein Video von Mitte März mit dem Titel „Erdowie, Erdowo, Erdogan“. Es beschäftigt sich satirisch sowohl mit der protzigen Baupolitik der AKP-Regierung um Recep Tayyip Erdogan, als auch mit ihrem teils autokratischen Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung oder gegen Kurden und mit ihrer mutmaßlichen Unterstützung für den sogenannten Islamischen Staat.

Diese Einbestellung ist nur die letzte von diversen Konfrontationen zwischen der AKP-Regierung in der Türkei und ausländischen Beobachtern wie Journalisten und Diplomaten. Vor einigen Wochen hatte etwa der „Spiegel“ seinen Korrespondenten Hasnain Kazim aus der Türkei abgezogen, nachdem trotz langer Bemühungen sein Journalistenvisum nicht verlängert wurde.


Erdogan stellt sich gegen Diplomaten

Und erst in der vergangenen Woche sorgte der Besuch ausländischer Diplomaten bei dem umstrittenen Prozess gegen zwei regierungskritische Journalisten für Aufruhr. Staatspräsident Erdogan hatte die Teilnahme der Diplomaten verurteilt. Am Samstag sagte er vor Wirtschaftsvertretern in Istanbul: „Wer sind sie? Was haben sie dort zu suchen? Dies ist nicht ihr Land, dies ist die Türkei.“ Diplomaten dürften sich nur in ihren Vertretungen frei bewegen, ergänzte Erdogan.

Besonders kritisierte Erdogan den britischen Generalkonsul Leigh Turner, der sich auf Twitter an der Diskussion um den Prozess beteiligte und ein Foto teilte.

Mehrere Diplomaten, darunter Turner und der deutsche Botschafter Martin Erdmann, hatten am Freitag in Istanbul den Beginn des Prozesses gegen die Journalisten Can Dündar und Erdem Gül beobachtet. Ihnen wird unter anderem Spionage und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Dündar ist Chefredakteur der Zeitung „Cumhuriyet“, Gül deren Hauptstadt-Büroleiter.

Die Kontroverse um die Teilnahme der Diplomaten spitzte sich am Montag zu, als Erdogan direkt auf eine Twitter-Nachricht Turners reagierte. Dieser hatte geschrieben, die Türkei entscheide selbst, was für ein Land sie sein wolle. Erdogan erklärte auf einer Veranstaltung in Istanbul, damit sei eine Grenze überschritten worden. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sagte er: „Wenn diese Person noch immer ihren Dienst in der Türkei fortführen kann, ist das unserem Edelmut und unserer Gastfreundschaft zu verdanken.“ Woanders würden Diplomaten, die ein solches Benehmen an den Tag legten, nicht einen Tag länger geduldet.

Auch Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte die Prozess-Teilnahme der Diplomaten kritisiert. Anadolu berichtete unter Berufung auf Diplomatenkreise, das türkische Außenministerium habe sich bei einigen ausländischen Vertretungen wegen der Teilnahme ihrer Diplomaten beschwert. Wie genau die Beschwerde aussah, war zunächst unklar. Auch eine Bestätigung des Außenministeriums lag zunächst nicht vor.

Hintergrund der Anklage gegen Dündar und Gül ist ein Bericht der „Cumhuriyet“ aus dem vergangenen Jahr über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien. Den Journalisten droht lebenslange Haft. Erdogan, der gegen Dündar und Gül persönlich Anzeige erstattet hatte, sowie der türkische Geheimdienst MIT treten als Nebenkläger auf.

Der Prozess hatte internationale Kritik ausgelöst. Die Organisation Reporter ohne Grenzen und Menschenrechtsorganisationen fordern eine Einstellung des Verfahrens, das aus ihrer Sicht politisch motiviert ist.

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