Diplomatische Krise Boykottiert Saudi-Arabien deutsche Unternehmen?

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Saudis wünschen sich mehr Lob und Wertschätzung

Rund 800 deutsche Unternehmen sind im Königreich tätig, deutsche Exporte nach Saudi-Arabien beliefen sich 2017 auf rund 7,4 Milliarden Euro. 2015 waren es sogar rund zehn Milliarden gewesen. Damit ist Saudi-Arabien neben den Vereinigten Arabischen Emiraten der wichtigste arabische Handelspartner. Deutschland steht an dritter Stelle der Staaten, aus denen Saudi-Arabien Güter importiert – nach den USA und China.

Die zum Teil jahrzehntealten Beziehungen laufen unberührt von den wiederkehrenden inländischen Debatten um die moralische Korrektheit von Geschäften mit Saudi-Arabien. Unternehmer sehen vor allem die großen Möglichkeiten, die das bevölkerungsreiche Land am Golf bietet. Jetzt winken mit dem ambitionierten Entwicklungsplan des jungen Kronprinzen Mohammed bin Salman zusätzlich Aufträge für Groß- und Megaprojekte, die sie ungern an Chinesen oder Amerikaner vergeben sehen wollen. Und nun droht ausgerechnet die deutsche Politik die Geschäfte zu versauen – so die Wahrnehmung vieler Unternehmer.

Auf saudischer Seite, so betonen Firmenvertreter, sei die Wertschätzung für Deutschland eigentlich sehr hoch. Umso größer sei die Enttäuschung über die unterschiedlich eingeschlagenen Wege. Während Mohammed bin Salman seit rund zwei Jahren – damals war er noch Verteidigungsminister – voll auf Konfrontation mit dem Erzfeind Iran geht, hält Deutschland unbeirrt am Atomabkommen mit dem Land fest. Mit Wohlwollen verfolgen die Saudis in diesem Punkt die Politik eines Donald Trump. Da der Iran auch in Saudi-Arabien als die größte Bedrohung überhaupt gesehen wird, fragen sich viele Saudis: Gelten denn die strengen Maßstäbe der Deutschen bei den anderen nicht?

In Deutschland wird der Krieg Saudi-Arabiens im Jemen ausnahmslos verurteilt – viele Saudis halten ihn dagegen für unvermeidbar, weil sich an jener Front der Iran in Form der jemenitisch-schiitischen Huthi-Miliz gegen das sunnitische Reich positioniere. Der Bomben- und Belagerungsfeldzug der Saudis hat das verarmte Land in eine beispiellose humanitäre Krise gestürzt.

Die Zeichen aus Saudi-Arabien sind deutlich genug, um auch Unternehmer außerhalb des Gesundheitssektors nervös zu machen. Sie hoffen auf mehr Engagement der Bundesregierung, selbst eine Entschuldigung der Kanzlerin fänden sie angemessen. „Der Sinn und Zweck von Politik ist die Diplomatie und das heißt, solche Dinge gar nicht erst passieren zu lassen“, sagt der Hannoveraner Unternehmer Detlef Daues, der mit seinem Ersatzteilhandel V-Line 65 Prozent seines Umsatzes im Königreich macht. „Wir haben es gespürt in unserem Geschäft. Eine der großen Industrieanlagen, die unser Kunde ist, hat im März plötzlich verkündet: ‚Ihr kriegt keine Aufträge mehr.‘ Nach 14 Tagen hat sich das wieder beruhigt, aber es hat uns wahnsinnig geschockt.“

Entspannt ist Daues dennoch nicht. „Es ärgert mich, dass es keine vernünftigen Gesprächskanäle gibt“, beklagt er die diplomatische Eiszeit und fügt mit Blick auf Ex-Minister Gabriel hinzu: „Und dass man nicht voraussieht, dass man so etwas nicht machen kann.“ Er sei zwar relativ optimistisch, dass alles wieder ins Lot komme. Doch die Zeit, die gerade verstreicht, könnte auch internationale Konkurrenz in den Vorteil bringen. „Ich würde nicht darauf setzen, dass Saudi-Arabien auf deutsches Knowhow angewiesen ist“, warnt er. „Wir haben ja auch in Saudi-Arabien investiert, um dort an dieser Kulturrevolution 2030 teilhaben zu können. Das können wir aber nur, wenn wir uns weiter engagieren.“

Botschafter Haller wirbt unterdessen betont unaufgeregt für ein neues Paradigma deutscher und westlicher Politik, mehr politischem Verständnis für die anderen und Pragmatismus in einer immer komplizierter werdenden Welt. „Wir erleben gerade eine tiefgreifende gesellschaftliche und kulturelle Revolution in Saudi-Arabien, ein Land mit enormen Ressourcen befreit sich von den Fesseln des Wahhabismus“, schwärmt der Diplomat. Natürlich berge das riesige Chancen für deutsche Unternehmen in allen möglichen Bereichen: Digitalisierung, E-Government, E-Commerce, Verkehr, Infrastruktur, erneuerbare Energien, ressourcen- und energieeffiziente Produktion und vieles mehr. Und das seien ja schließlich alles deutsche Kernkompetenzen. „Wir sind optimistisch“, wiederholt der Botschafter. Auf graue Wolken folge schließlich in der Regel wieder Sonnenschein.

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