„Wladimir Wladimirowitsch, meine beste Freundin Elena wünscht sich zum Geburtstag einen Hund. Aber ihr Mann Boris, ein Soldat, ist dagegen. Können Sie ihm bitte sagen, dass er falsch liegt?“ Der russische Präsident verzieht keine Miene, als er die Videobotschaft einer besorgten Bürgerin empfängt. Er ist live auf Sendung, jetzt heißt es handeln – und Wladimir Putin hat eine Idee.
Ein „Aktionsplan für Elena“. Man könnte doch den Soldaten gemeinsam fragen, den Hund zuzulassen, sagt der Präsident. „Sei ein guter Ehemann Boris und kauf ihr einen Hund. Für die Familie!“ Und nun zu einer sehr ernsten Frage, sagt der Moderator, kommen wir zur Ukraine.
Stopp. Wer an dieser Stelle zufällig in die Sendung „Direkter Draht“ auf dem russischen Staatssender Rossija 1 geschaltet hat, könnte glauben, er sei bei der russischen Version des Kummer-Radios „Domian“ gelandet – mit Wladimir Putin in der Hauptrolle.
Nicht doch! Das hier ist die alljährliche Fragestunde des russischen Präsidenten. Wobei Stunde leicht untertrieben ist: Fast 240 Minuten dauert die Live-Sendung am Donnerstag Mittag, in der Putin rund 70 Anfragen seiner Bürger beantwortet. Und dabei nie auch nur Anzeichen von Müdigkeit zeigt.
Im Gegenteil, Putin wirkt so gelassen und erholt wie ein russischer Braunbär nach dem Winterschlaf. Als ob er allen Verschwörungstheoretikern, die vor Wochen über seinen Gesundheitszustand oder gar seinen Tod spekuliert hatten, zeigen will, wie fit er ist.
Glaubt man russischen Meinungsumfragen, ist der russische Präsident auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit, trotz oder gerade wegen des turbulenten russischen Jahrs 2014. Die Großereignisse in Kürze: Winterolympiade in Sotschi, Annexion auf der Krim, Sanktionen im Westen, Rubelabsturz und Wirtschaftskrise in Russland. Jede Menge Redebedarf also bei dem russischen Volk. Angeblich hat es mehr als drei Millionen Anfragen gegeben, sagen die Moderatoren im Studio. Was nun, Herr Präsident?
Wer geglaubt hatte, in der weltweit übertragenen Sendung große Neuigkeiten zu erfahren, wurde jedenfalls enttäuscht. Putin: Nein, Russland hat keine Truppen in der Ukraine. Niet, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat mich nicht gefragt, ob ich den Donbass übernehmen könnte. Ja, wir haben wirtschaftliche Probleme. Nein, Russland hat keine Absichten, eine neue Sowjetunion aufzubauen. Ja, wir arbeiten mit allen Staaten zusammen, die mit uns Geschäfte machen wollen. Doch, Russland ist stark und wird künftig mehr selbst produzieren.
So weit, so bekannt. Viel interessanter war es, zu schauen, welche persönlichen Fragen das Volk an den Präsidenten stellte. Und wie Putin reagierte. Denn die vier Stunden Sendung waren ein Lehrstück für alle, die sich fragen, warum der 62-Jährige bei seinen Landsleuten so gut ankommt. Ganz einfach: Sie glauben, dass er ihre Probleme kennt und sich kümmert – am liebsten persönlich. Da wird dann schon mal das Geschenk für die beste Freundin von Elena zur Chefsache.