Donald Trump Amerika im Ausnahmezustand

Donald Trump krempelt die USA um. Während die Präsidenten-Familie aus ihrer Popularität Profit schlägt, werden Reporter attackiert und unschuldige Bürger an der Einreise gehindert. Zustände wie in einer Autokratie.

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Wie Trump-Tweets US-Unternehmen beeinflussen
Der Twitter-Account des desgnierten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump Quelle: dpa
Autobauer General Motors /GM) Quelle: dpa
Ford-Chef Mark Fields Quelle: AP
Die Zentrale des US-amerikanischen Autokonzerns General Motos (GM) in Detroit Quelle: dpa
Der nächste US-Präsident Donald Trump Quelle: dpa
Boeing Quelle: REUTERS
Lockheed Martin F-35 Joint Strike Fighter Quelle: AP

Norman Eisen hat schon früh Alarm geschlagen. Seit der Wahl Donald Trumps warnt der Anwalt, der einst Trump-Vorgänger Barack Obama als Ethikberater zur Seite stand, dass die die USA abdriften. Dass der neue Präsident agiert, wie es nur Despoten und Autokraten tun. Nämlich egoistisch, dünnhäutig, bestechlich und vorurteilsbeladen.

Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche kurz vor Weihnachten, forderte der ehemalige US-Botschafter in Prag Trump auf, sein Verhalten zu ändern und etwa die Arbeit der freien Presse zu respektieren, Minderheiten zu schützen statt anzugreifen und Politik und eigene Geschäftsinteressen nicht zu vermischen. Auf die Frage, ob er glaube, dass Trump sich ändern werden, antwortete Eisen: „Ich hoffe es.“

Diese Hoffnungen sind spätestens am Wochenende enttäuscht worden. Nachdem die Trump-Regierung unter der Woche mit Presseschelte und „alternativen Fakten“ an die Öffentlichkeit gingen, legte der enge Berater von Trump, Stephen Bannon zum Wochenende nach. Die Medien mögen „die Klappe halten“ und aufhören, einseitig zu berichten, forderte er. Auch Donald Trump legte noch einmal nach. Persönlich griff er auf Twitter einmal mehr die New York Times und die Washington Post für ihre Berichterstattung über das Weiße Haus an.

Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet

Doch damit nicht genug: Am Freitag erließ Trump zahlreiche zeitliche Einreiseverbote für Menschen aus muslimischen Ländern – selbst wenn diese ein Aufenthaltsrecht, also Visum oder Green Card, für die USA haben. Staatsbürger aus dem Irak, Syrien, dem Iran, dem Sudan, Libyen, Somalia und dem Jemen dürfen drei Monate lang nicht einreisen. Zudem wurde das allgemeine Regierungsprogramm für die Aufnahme von Flüchtlingen für vier Monate ausgesetzt. Als dritte Maßnahme dürfen Flüchtlinge aus Syrien für unbestimmte Zeit nicht mehr einreisen. Das alles solle helfen, „radikale islamische Terroristen“ aus dem Land zu halten.

Am Samstag wurden die Beschlüsse direkt in die Tat umgesetzt. Auf dem New Yorker Kennedy Airport wurden zwölf Flüchtlinge festgehalten, darunter ein Iraker, der früher in seiner Heimat für die US-Regierung gearbeitet hatte. Er wurde schließlich nach 15 Stunden freigelassen. In San Francisco wurde eine ganze Flüchtlingsfamilie in Gewahrsam genommen, wie es unter Berufung auf Angaben der Grenzbehörden hieß.

Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen

In Kairo hätten fünf Iraker und ein Jemenit einen Direktflug der Fluggesellschaft Egyptair nach New York besteigen wollen, seien aber aufgehalten worden, berichteten Flughafenmitarbeiter der Deutschen Presse-Agentur. „Als ein Beamter am John-F.-Kennedy-Flughafen über ihren Status unterrichtet wurde, erließ er eine Anordnung, diese von der Einreise abzuhalten“, hieß es. Dabei habe es keine Rolle gespielt, dass die sechs gültige Visa gehabt hätten und von einem Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen begleitet wurden.

Tausende Demonstranten versammelten sich am Samstagabend an den internationalen Flughäfen – so etwa am New Yorker John-F.-Kennedy-Airport oder dem Dulles-Airport in Washington D.C. – um gegen die auf Vorurteilen basierenden Einreisestops zu protestieren. Auf Twitter machten Menschen aus allen Ländern der Welt unter dem Hashtag Muslimban ihren Unmut Luft.

"Über die Wangen der Freiheitsstatue rollen Tränen"

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte vor „katastrophalen Konsequenzen“. „Mit einem Federstrich hat Präsident Trump seine hasserfüllte fremdenfeindliche Wahlkampfrhetorik in die Tat umgesetzt, indem er Menschen allein aufgrund ihrer Religion herausgreift“, sagte AI-Generalsekretär Salil Shetty.

Der demokratische Oppositionsführer im US-Senat, der New Yorker Chuck Schumer, sagte: „Über die Wangen der Freiheitsstatue rollen Tränen.“

Während sich das liberale Amerika für seinen Präsidenten schämt, während Firmen wie Google aus Sorgen um die Einreisepolitik der USA ihre Mitarbeiter nach Hause beordern, schlägt das Trump-Umfeld offenbar ungeniert Profit aus der Popularität des Präsidenten.

Vier Buchstaben pro Wort, neun Wörter je Satz
„Ich bin sehr gebildet. Ich kenne Wörter. Ich habe die besten Wörter.“Zu diesen Wörtern gehörten im Wahlkampf wüste Beschimpfungen und abwertende Adjektive. Trumps Sprache wurde oft als rassistisch oder auch sexistisch beschrieben. So sagte er etwa über mexikanische Einwanderer: „Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger, und einige, nehme ich an, sind auch nette Leute.“ Sprach- und Kommunikationswissenschaftler aus Mainz, Siegen, Mannheim und dem amerikanischen Berkeley haben sich jeweils Interviews, Reden und Tweets von Trump vor und nach dem Wahlsieg des 70-Jährigen angeschaut. Eine Analyse. Quelle: dpa
LieblingswörterTrump sprach vor der Wahl häufig von „wir“ und „sie“ – Zeichen eines Weltbilds mit scharfen Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Nach der Wahl stellt er sich mit „ich“ massiv selber in den Vordergrund, wie eine Korpusanalyse von Ulrike Schneider, Anke Lensch und Matthias Eitelmann vom Fachbereich Englisch und Linguistik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zeigt. Quelle: AP
LieblingsthemaIm Wahlkampf ging es Trump um Bedrohung durch Mexikaner und Muslime, um ein ausblutendes Land und eine im Sterben liegende Nation – das sagt die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die im kalifornischen Berkeley forscht. Doch schon in der Dankesrede sei es ihm darum gegangen, die Nation zu einen: „Jetzt ist es an der Zeit für Amerika, die Wunden der Trennung zu schließen; wir müssen zusammenfinden. Ich sage zu allen Republikanern und Demokraten und Unabhängigen überall im Land, es ist Zeit für uns, als vereintes Volk zusammenzukommen.“ (Dankesrede am 09.11.2016) Quelle: AP
WertungSeit der Wahl lobt Trump auch sehr gerne – oder straft krass ab. Dabei gebe er sich wie ein strenger Vater, meint Wehling. Diese Art der Bewertung und Einteilung sei raffiniert, weil Trump so vielen Menschen das Gefühl gebe, er biete Orientierung. Ein Beispiel? Trumps Twitter-Reaktion nachdem Darsteller des Musicals „Hamilton“ sich an Trump-Vize Mike Pence gewandt hatten: „Das Theater muss immer ein sicherer und spezieller Ort sein. Das Ensemble von „Hamilton“ war letzte Nacht sehr unhöflich zu einem sehr guten Mann, Mike Pence. Entschuldigt euch!“ Quelle: REUTERS
Politischer GegnerHillary Clinton wird von Trump vor der Wahl vergegenständlicht („Marionette“), entpersonifiziert („Katastrophe“) und bekommt das Adjektiv „korrupt“ zugeschrieben. Nach der Wahl ist sie „Secretary Clinton“ und „sehr, sehr stark und sehr intelligent“. Das zeigen die Linguistinnen Eva Gredel und Konstanze Marx von der Universität Mannheim auf. Zwei Beispiele: „Das ist das Vermächtnis von Hillary Clinton: Tod, Zerstörung, Terrorismus und Schwäche.“ (Rede auf Parteiversammlung am 21.07.2016) „Hillary hat sehr lange und sehr hart gearbeitet, über einen langen Zeitraum hinweg, und wir sind ihr großen Dank schuldig für ihren Dienst für unser Land.“ (Dankesrede am 09.11.2016) Quelle: REUTERS
SatzlängeTrump spricht in kurzen, oft sehr kurzen Sätzen, mit den wichtigsten Begriffen am Ende. Das hat sich auch nach dem Wahlsieg nicht geändert, wie die Korpusanalyse der Mainzer Sprachwissenschaftler zeigt. Der durchschnittliche Satz ist nur neun Wörter lang. Übrigens sind auch seine Wörter simpel: Im Schnitt umfasst ein Wort nur vier Buchstaben. Quelle: REUTERS
WiederholungenDie Reden von Trump sind gespickt mit Wiederholungen. Mit diesen Wörtern oder Phrasen hangele sich Trump gerne an seinem Beitrag entlang, meint Antje Wilton, Professorin für Englische und Angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Siegen. Sie kann bei diesem Mittel keinen Unterschied zwischen vor und nach dem Sieg feststellen. Ein Beispiel: „Menschen geben fantastische Karrieren auf, um sich euch Leuten auszusetzen und vielen anderen Leuten auszusetzen. Aber sie geben viel auf. Ich meine, einige geben fantastische Unternehmen auf, um für vier oder vielleicht acht oder wie lange der Zeitraum auch ist, zu sitzen. Aber ich denke, wir werden einiges an fantastischem Talent sehen, fantastisches Talent kommt.“ (Interview der „New York Times“ vom 23.11.2016) Quelle: AP

So hat Trumps Vorzeigeressort Mar-a-Largo in Florida kräftig an der Preisschraube gedreht. Der Privatclub – von Trump hochgezogen und noch im Wahlkampf für Pressekonferenzen genutzt – hat seine Mitgliedergebühr nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten von 100.000 auf 200.000 US-Dollar im Jahr erhöht, berichtet der Fernsehsender CNBC. Man habe plötzlich einen rasanten Anstieg der Nachfrage erlebt, erklärte der Betreiber des Mar-a-Lago Bernd Lembcke. Zur Verteidigung verwies er darauf, dass der exklusive Club – mit möglicherweise direktem Zugang zu Donald Trump – schon länger eine Preiserhöhung geplant hatte und der jetzige Betrag nicht höher ist als Mitte der 2000er-Jahre. Im Zuge der Finanzkrise hätte man den Preis halbiert.

Auch im neu eröffneten Trump International Hotel in Washington wird versucht, mit der neuen Popularität des Namensgebers Kasse zu machen. Wie der „Washingtonian“ recherchiert hat, sind die Cocktail- und Bierpreise an der Bar stark gestiegen. Kosteten zur Eröffnung des Hotels im September die Cocktails noch zwischen 16 und 20 US-Dollar, waren im Oktober schon 20 bis 24 US-Dollar aufgerufen. Nun kostet der billigste Cocktail bereits 24 US-Dollar.

Merkel ruft Trump zu respektvollem Umgang auf
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier schrieb in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag", mit Trumps Wahl sei die alte Welt des 20. Jahrhunderts endgültig vorüber. Er setze darauf, "dass wir in Washington aufmerksame Zuhörer finden, die wissen, dass auch große Länder Partner brauchen in dieser Welt, und die bereit sind, ihren Weg gemeinsam mit guten Freunden und bewährten Bündnispartnern zu gehen". Wichtig für Deutschland seien Freihandel, Austausch und das Zusammenstehen gegen Extremismus und Terrorismus. Quelle: dpa
Japans Regierungschef Shinzo Abe gratulierte Trump „von Herzen“ und freute sich auf Zusammenarbeit, um „Frieden und Wohlstand der Asien-Pazifik Region sicherzustellen und verschiedene Herausforderungen, denen sich die internationale Gemeinschaft gegenübersieht, anzugehen“. Er freue sich darauf, die „standhafte Beziehung zwischen Japan und den Vereinigten Staaten weiter zu stärken“, basierend auf der Beziehung von Vertrauen zwischen uns“, schrieb Abe an Trump. Er wünsche ihm „großen Erfolg“. Quelle: AP
Bundeskanzlerin Angela Merkel pocht nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump auf die Einhaltung internationaler Regeln und einen respektvollen Umgang miteinander. Am besten sei es für alle, wenn es ein "regelbasiertes, auf gemeinsamen Werten beruhendes, gemeinsames Agieren" gebe, sagte Merkel am Samstag nach einer Klausurtagung der baden-württembergischen CDU im Kloster Schöntal. Dies gelte etwa für die internationale Wirtschafts- und Handelsordnung. Auch im Bereich der Verteidigung müssten im Rahmen bestehender Bündnisse Beiträge geleistet werden. Darüber hinaus betonte Merkel, das transatlantische Verhältnis werde in den nächsten Jahren nicht weniger wichtig als es in der Vergangenheit gewesen sei. "Selbst wenn es unterschiedliche Meinungen gibt, sind Kompromisse, sind Möglichkeiten, immer dann am besten zu finden, wenn man eben in Respekt miteinander sich austauscht." Deutschland werde versuchen, im Rahmen seiner G20-Präsidentschaft dazu einen Beitrag zu leisten. Quelle: dpa
"Er (Trump) meint, dass alles, was gut für Amerika ist, getan werden muss. (.) Wir werden also seine Politik berücksichtigen. Zuerst kommt das, was gut für Bulgarien ist, dann (das, was) für die anderen Staaten (gut ist)", sagt der scheidende bulgarische Ministerpräsident Boiko Borissow zur Antrittsrede des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Quelle: dpa
"Gratulation @realDonaldTrump. Ich wünsche Ihnen das Beste zu Ihrer Präsidentschaft. Hoffentlich können wir die transatlantischen Bande stark halten.“ In einem Schreiben an Trump zeigt sich Ministerpräsident überzeugt, dass die „tiefe und warme Freundschaft“ beider Länder „weiter blühen wird", sagte Lars Lokke Rasmussen, der dänische Ministerpräsident. Quelle: AP
Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel (SPD) Quelle: dpa
Israels Premier Benjamin Netanjahu Quelle: dpa

Zwar hat sich der New Yorker Immobilienmogul offiziell aus der Geschäftswelt zurückgezogen. Sein Vermögen, seine Immobilien und seine Unternehmensbeteiligungen wanderte in einen Trust-Fond – den aber seine Kinder führen.

„Das ist nicht ausreichend, um die Zweifel an der Integrität Trumps auszuräumen“, wird Norman Eisen nicht müde zu betonen. Noch immer sei gut vorstellbar, dass Trump in seiner Funktion als Präsident „Deals“ mit Geschäftspartnern oder ausländischen Politikern abschließt – zum Wohle der Firma, so Eisen.

Denn: Wer möge schon ausschließen, dass Vater und Söhne auch über die Trump Organization sprechen. „Die Unschuldsvermutung gilt hier nicht. Trump muss klare Verhältnisse schaffen“, sagt Eisen.

Er rät dem Präsidenten und dessen Familie nach wie vor, die Besitztümer in einen blind trust zu packen, verwaltet von einem anonymen Fachmann. Das kommt für die Trumps offenbar nicht infrage. Zustände wie in einer Autokratie.

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