Norman Eisen hat schon früh Alarm geschlagen. Seit der Wahl Donald Trumps warnt der Anwalt, der einst Trump-Vorgänger Barack Obama als Ethikberater zur Seite stand, dass die die USA abdriften. Dass der neue Präsident agiert, wie es nur Despoten und Autokraten tun. Nämlich egoistisch, dünnhäutig, bestechlich und vorurteilsbeladen.
Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche kurz vor Weihnachten, forderte der ehemalige US-Botschafter in Prag Trump auf, sein Verhalten zu ändern und etwa die Arbeit der freien Presse zu respektieren, Minderheiten zu schützen statt anzugreifen und Politik und eigene Geschäftsinteressen nicht zu vermischen. Auf die Frage, ob er glaube, dass Trump sich ändern werden, antwortete Eisen: „Ich hoffe es.“
Diese Hoffnungen sind spätestens am Wochenende enttäuscht worden. Nachdem die Trump-Regierung unter der Woche mit Presseschelte und „alternativen Fakten“ an die Öffentlichkeit gingen, legte der enge Berater von Trump, Stephen Bannon zum Wochenende nach. Die Medien mögen „die Klappe halten“ und aufhören, einseitig zu berichten, forderte er. Auch Donald Trump legte noch einmal nach. Persönlich griff er auf Twitter einmal mehr die New York Times und die Washington Post für ihre Berichterstattung über das Weiße Haus an.
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
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Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Doch damit nicht genug: Am Freitag erließ Trump zahlreiche zeitliche Einreiseverbote für Menschen aus muslimischen Ländern – selbst wenn diese ein Aufenthaltsrecht, also Visum oder Green Card, für die USA haben. Staatsbürger aus dem Irak, Syrien, dem Iran, dem Sudan, Libyen, Somalia und dem Jemen dürfen drei Monate lang nicht einreisen. Zudem wurde das allgemeine Regierungsprogramm für die Aufnahme von Flüchtlingen für vier Monate ausgesetzt. Als dritte Maßnahme dürfen Flüchtlinge aus Syrien für unbestimmte Zeit nicht mehr einreisen. Das alles solle helfen, „radikale islamische Terroristen“ aus dem Land zu halten.
Am Samstag wurden die Beschlüsse direkt in die Tat umgesetzt. Auf dem New Yorker Kennedy Airport wurden zwölf Flüchtlinge festgehalten, darunter ein Iraker, der früher in seiner Heimat für die US-Regierung gearbeitet hatte. Er wurde schließlich nach 15 Stunden freigelassen. In San Francisco wurde eine ganze Flüchtlingsfamilie in Gewahrsam genommen, wie es unter Berufung auf Angaben der Grenzbehörden hieß.
Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen
Die Deutschen mögen Donald Trump nicht. Nur wenige Prozent hätten für den Republikaner gestimmt, ergaben Umfragen vor der US-Wahl. Doch ist ihnen womöglich nur der Mensch zuwider, nicht sein Programm? Und fürchtet die überwiegende Mehrheit, dass Trump ein gefährlicher Präsident wird? Eine aktuelle Ipsos-Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche liefert dazu erstaunliche Erkenntnisse.
Auf die Frage, welche Trump-Vorhaben die Deutschen auch hierzulande gerne umgesetzt sähen, antworteten satte 56,3 Prozent, sie wollten die Abschiebung aller illegalen Ausländer.
34 Prozent der Befragten stimmen Trumps Forderung nach mehr Durchgriffsrechten für die Polizei zu.
Immerhin 30,6 Prozent wünschen sich weniger Einkommensteuer.
26,2 Prozent wünschen sich gar eine strikte Einreiseregulierung für Muslime.
Die Ablehnung der Deutschen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP zeigt sich auch in dieser Umfrage. 19 Prozent sähen auch hierzulande gerne ein Ende/Neuverhandlung der Freihandelsabkommen.
15 Prozent der Befragten sind für den Aufbau engerer Beziehungen zu Putins Russland.
Die Erbschaftsteuer sähen 13 Prozent der Befragten auch in Deutschland gerne abgeschafft.
Immerhin 4 Prozent wünschen sich eine Einführung von (Schutz-)Zöllen für Importe.
Mehrfach drohte der designierte US-Präsident mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Nur 2 Prozent der Befragten sind für einen Austritt beziehungsweise Rückzug aus dem Klimavertag.
17 Prozent der Befragten ist nicht nur die Person Donald Trump zuwider. Auch das Programm des Republikaners stößt auf Ablehnung.
Gemessen an der Ablehnung seiner Person, sehen die Bundesbürger Trumps Rolle in der Welt noch vergleichsweise milde. 57,2 Prozent der Deutschen gehen davon aus, Trump werde vom Weißen Haus aus die Welt politisch destabilisieren.
55,9 Prozent erwarten negative Auswirkungen für Deutschland.
Zu den möglichen Folgen für die USA ist die Skepsis viel größer: Nur 12,2 Prozent sagen, Trump werde die internationale Position seines Landes nachhaltig verbessern.
In Kairo hätten fünf Iraker und ein Jemenit einen Direktflug der Fluggesellschaft Egyptair nach New York besteigen wollen, seien aber aufgehalten worden, berichteten Flughafenmitarbeiter der Deutschen Presse-Agentur. „Als ein Beamter am John-F.-Kennedy-Flughafen über ihren Status unterrichtet wurde, erließ er eine Anordnung, diese von der Einreise abzuhalten“, hieß es. Dabei habe es keine Rolle gespielt, dass die sechs gültige Visa gehabt hätten und von einem Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen begleitet wurden.
Tausende Demonstranten versammelten sich am Samstagabend an den internationalen Flughäfen – so etwa am New Yorker John-F.-Kennedy-Airport oder dem Dulles-Airport in Washington D.C. – um gegen die auf Vorurteilen basierenden Einreisestops zu protestieren. Auf Twitter machten Menschen aus allen Ländern der Welt unter dem Hashtag Muslimban ihren Unmut Luft.
"Über die Wangen der Freiheitsstatue rollen Tränen"
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte vor „katastrophalen Konsequenzen“. „Mit einem Federstrich hat Präsident Trump seine hasserfüllte fremdenfeindliche Wahlkampfrhetorik in die Tat umgesetzt, indem er Menschen allein aufgrund ihrer Religion herausgreift“, sagte AI-Generalsekretär Salil Shetty.
Der demokratische Oppositionsführer im US-Senat, der New Yorker Chuck Schumer, sagte: „Über die Wangen der Freiheitsstatue rollen Tränen.“
Während sich das liberale Amerika für seinen Präsidenten schämt, während Firmen wie Google aus Sorgen um die Einreisepolitik der USA ihre Mitarbeiter nach Hause beordern, schlägt das Trump-Umfeld offenbar ungeniert Profit aus der Popularität des Präsidenten.
So hat Trumps Vorzeigeressort Mar-a-Largo in Florida kräftig an der Preisschraube gedreht. Der Privatclub – von Trump hochgezogen und noch im Wahlkampf für Pressekonferenzen genutzt – hat seine Mitgliedergebühr nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten von 100.000 auf 200.000 US-Dollar im Jahr erhöht, berichtet der Fernsehsender CNBC. Man habe plötzlich einen rasanten Anstieg der Nachfrage erlebt, erklärte der Betreiber des Mar-a-Lago Bernd Lembcke. Zur Verteidigung verwies er darauf, dass der exklusive Club – mit möglicherweise direktem Zugang zu Donald Trump – schon länger eine Preiserhöhung geplant hatte und der jetzige Betrag nicht höher ist als Mitte der 2000er-Jahre. Im Zuge der Finanzkrise hätte man den Preis halbiert.
Auch im neu eröffneten Trump International Hotel in Washington wird versucht, mit der neuen Popularität des Namensgebers Kasse zu machen. Wie der „Washingtonian“ recherchiert hat, sind die Cocktail- und Bierpreise an der Bar stark gestiegen. Kosteten zur Eröffnung des Hotels im September die Cocktails noch zwischen 16 und 20 US-Dollar, waren im Oktober schon 20 bis 24 US-Dollar aufgerufen. Nun kostet der billigste Cocktail bereits 24 US-Dollar.
Zwar hat sich der New Yorker Immobilienmogul offiziell aus der Geschäftswelt zurückgezogen. Sein Vermögen, seine Immobilien und seine Unternehmensbeteiligungen wanderte in einen Trust-Fond – den aber seine Kinder führen.
„Das ist nicht ausreichend, um die Zweifel an der Integrität Trumps auszuräumen“, wird Norman Eisen nicht müde zu betonen. Noch immer sei gut vorstellbar, dass Trump in seiner Funktion als Präsident „Deals“ mit Geschäftspartnern oder ausländischen Politikern abschließt – zum Wohle der Firma, so Eisen.
Denn: Wer möge schon ausschließen, dass Vater und Söhne auch über die Trump Organization sprechen. „Die Unschuldsvermutung gilt hier nicht. Trump muss klare Verhältnisse schaffen“, sagt Eisen.
Er rät dem Präsidenten und dessen Familie nach wie vor, die Besitztümer in einen blind trust zu packen, verwaltet von einem anonymen Fachmann. Das kommt für die Trumps offenbar nicht infrage. Zustände wie in einer Autokratie.