Die Liste seine Opfer ist lang: Rand Paul musste sich als 1-Prozent-Mann verspotten, Carly Fiorina unpassende Kommentare über ihr Aussehen gefallen lassen. Und Journalistin Megyn Kelly wurde via Twitter als „ahnungslos in Migrationsfragen“ abgekanzelt. Keine Frage: Austeilen kann Donald Trump. Das Bizarre: Bei potenziellen Wählern kommt die „Abteilung Attacke“ an. Mit seinen Verbalangriffen auf parteiinterne Mitbewerber, kritische Journalisten und allen, die zum vermeintlichen „Establishment“ gehören, hat sich der New Yorker Milliardär vom Außenseiter zu einem der Favoriten auf die Nominierung als republikanischer Präsidentschaftskandidat entwickelt.
Schon seit Langem liegt Trump in den Umfragen in Iowa, New Hampshire und South Carolina, jene Bundesstaaten, in denen Anfang Februar die ersten Vorwahlen stattfinden, weit vorne. Nun aber hat er auch landesweit seinen Vorsprung ausgebaut. In einer aktuellen Umfrage unter potenziellen republikanischen Wählern sprachen sich 25 Prozent für Trump aus, sein bislang bester Umfragewert im Vorwahlkampf. An zweiter Stelle rangiert wie schon im vergangenen Monat der Neurochirurg Ben Carson mit 22 Prozent. Die etablierten Politiker und Favoriten der Moderaten in der republikanischen Partei, Senator Marco Rubio und Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush, liegen mit elf bzw. unter zehn Prozent deutlich zurück.
Trumps Kritiker schalten nun auf Gegenangriff um. Großspender, die dem Milliardär keine Chance in einem Duell mit Hillary Clinton einräumen und lieber Rubio oder Bush gegen die Demokratin ins Rennen schicken wollen, machen Geld locker, um Werbeplätze im Fernsehen zu kaufen. Mit Anti-Trump-Botschaften soll der unbeliebte Kandidat von seinem Thron gestoßen werden. Trump muss nun beweisen, dass er nicht nur gut austeilen, sondern auch gut einstecken kann.
Üben kann Trump schon einmal ab Dienstag. Dann erscheint das Buch „Never Enough: Donald Trump and the Pursuit of Success“ (auf Deutsch: „Niemals genug: Donald Trump und das Streben nach Erfolg“). Darin schildert der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist und Autor Michael D’Antonio, wie Trump tickt. So viel sei verraten: Trump kommt nicht gut weg.
Der Autor traf sich mit den Kindern und Ex-Frauen des 69-Jährigen, mit Freunden und Feinden des umstrittenen Präsidentschaftskandidaten. Trump selbst war zunächst zur Zusammenarbeit mit D’Antonio bereit; erst als er erfuhr, dass er Journalist auch mit Widersachern sprach, brach er den Kontakt ab.
Bemerkenswert sind vor allem drei Seiten von Trump, die das Buch „fair, geradlinig aber auch abrechnend“, so die New York Times, aufdeckt. Seine chauvinistische Art, seine Eitelkeit und seine Arroganz.
So studiert Trump regelmäßig, in welchen internationalen Medien sein Name auftaucht und wie er dargestellt wird. Reicht es gar für das Cover, wird die Ausgabe aufbewahrt und bestenfalls an die Wand gehängt. Stolz – und fernab der Realität – behauptet Trump, auf mehr Titelseiten zu sehen zu sein, „als jedes Supermodel“. Die Zeit am Morgen, so das Buch, reiche zwar selten aus, um sämtliche Artikel über ihn zu lesen, aber alleine der Anblick des Stapels, den seine Mitarbeiter zusammentragen, erfülle ihn mit Stolz. Ein klassischer Fall von „unbändigem Narzissmus“, befindet der Autor.
Donald Trump, eine "Sieger-Mentalität"
Bei seinen Wahlkampfreden betont Trump oft und gerne, wie erfolgreich er sei. Für seinen Reichtum, so erlebte es auch D’Antonio, will der Acht-Milliarden-Mann, so hoch gibt Trump jedenfalls sein eigenes Vermögen an, respektiert und geliebt werden. Schließlich habe er eine „Sieger-Mentalität“ und habe sich in den „Serien von Kämpfen“, aus dem das Leben besteht, noch immer durchgesetzt.
Kritiker bemängeln, dass Trump der Erfolg zu Kopf gestoßen ist. Munition für diese These liefert der Präsidentschaftskandidat zu genüge. In „Midas Touch“, eines der vielen Bücher von Trump selbst, beschreibt der Exzentriker, dass er „Verlierer auf den ersten Blick“ erkenne. Leute etwa, die ein Verkaufszettel in ihr Auto hängen, würden zur Schau stellen, dass sie Geld brauchen und könnten gnadenlos heruntergehandelt werden. Diese Leute könne er nicht respektieren. Wenigstens so zu tun, sei seine Sachen ebenfalls nicht. „Ich will nicht falsch sein“, erklärt Trump. Er wisse, dass er direkt sei, oft zu forsch und anmaßend. Aber so sei er halt. „Ich sehe keinen Grund, warum ich mich verstellen sollte.“
Dass er mit dieser Strategie bisher Erfolg hat, muss auch Buchautor D’Antonio in seinem neuen Werk anerkennen. „Niemand in der Geschäftswelt – weder Bill Gates, Steve Jobs oder Warren Buffett – war so lange so berühmt“, stellt der Journalist neidlos fest.
So erfahren und erfolgreich im Umgang mit der Öffentlichkeit und Geschäftsleuten, so unerfahren ist Trump in der Politik. Seine Gegner werden in den kommenden Wochen mutmaßlich auf die mangelnde Erfahrung des Immobilienmoguls hinweisen, so wie auf seine – oben beschriebenen – zweifelhaften Charaktereigenschaften. Wollen die Bürger einen US-Präsidenten, der aufbrausend, arrogant und selbstverliebt ist?, fragen seine Kritiker schon jetzt.
Trump selbst zuckt bei solchen Fragen gemeinhin nur gelangweilt die Schultern. Er sei der beste Kandidat, erwidert er. Denn: „Ich bin super im Verhandeln.“ Er würde mehr für die USA in den Gesprächen mit Russland, China und allen anderen Ländern herausholen als jeder andere Bewerber, so Trump, der gewillt scheint, die Liste seiner Opfer um prominente Name wie Wladimir Putin oder Xi Jinping zu verlängern. Doch zunächst muss er aufpassen, nicht selbst zum Opfer zu werden.