Donald Trump ist nicht das Problem Das Problem ist eine falsche Konsens-Politik

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Die Gründe des Frusts

Für die linken Parteien ist es eine bittere Erkenntnis: Ihre historische Zielgruppe fühlt sich als Verlierer der Verhältnisse, egal ob Sozialdemokraten regieren oder nicht. Sozialdemokratische Funktionäre mögen noch so oft erklären, dass der Ausstieg aus der Globalisierung kaum möglich sei und eine protektionistische Wirtschaftspolitik viele Arbeitsplätze kosten würde – die Realität vieler ihrer Wähler ist eine andere:

- Die Globalisierung war keine Öffnung der Grenzen für fairen Handel sondern ein Konjunkturprogramm für die Oberschicht.

- Die Digitalisierung ist keine Bewegung für eine bessere Welt sondern für eine Abkopplung der Elite.

- Der Entfesselung der Finanzmärkte war kein Geheimrezept für immerwährendes Wachstum sondern ein Instrument zur Entkopplung von Haftung und Risiko.

- Die Liberalisierung der Arbeitsmärkte hat nicht nur mehr Arbeitsplätze sondern für etwa die Hälfte der Bevölkerung mehr Unsicherheit gebracht.

- Die Wachstumsgewinne der jüngeren Vergangenheit haben vor allem noch mehr Wohlstand für Vermögende geschaffen und sind nicht in die unteren Vermögensschichten durchgesickert.

- Die Aufnahme eine Großzahl an Migranten ist eben nicht nur gelebte Nächstenliebe sondern auch verschärfter Wettbewerb um Ressourcen am unteren Ende der Wohlstandsskala.

Schon Ralf Dahrendorf mahnte in seinem Essay „Acht Anmerkungen zum Populismus“ davor, die Bezichtigung für den Beweis zu halten: „Der Populismus-Vorwurf kann selbst populistisch sein“, schrieb er. Nämlich dann, wenn er Gründe mit Rhetorik zu überdecken versucht.

Der französische PS-Abgeordnete Laurent Baumel schrieb dazu vor einiger Zeit schon erhellendes: „Die progressiven Kräfte Europas müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass der Erfolg der Populisten der politische Ausdruck einer enormen Verunsicherung der europäischen Gesellschaften ist. Diese Verunsicherung ist das Ergebnis von weitreichenden Veränderungen der Existenzbedingungen der Menschen und der Unzulänglichkeit der Antworten, die von der Politik bislang darauf gegeben werden.“ Überall beobachte man eine wachsende Kluft zwischen Gewinnern der Globalisierung und deren Verlierern.

Die erste Gruppe lebt in urbanen Räumen, verfügt über relativ stabile Arbeitsplätze und Zugang zu modernen Kommunikations- und Transportmitteln doch fürchtet sie zugleich, das Schicksal der zweiten Gruppe in Bälde zu teilen. Die zweite Gruppe ist von Arbeitslosigkeit bedroht oder geht einer schlecht bezahlten und prekären Beschäftigung nach. Sie gehört einfachen Milieus an oder zählt sich zur unteren Mittelschicht und fürchtet - für sich selbst wie für ihre Kinder - einen (weiteren) sozialen Abstieg.

Was er freilich nicht schrieb: Seine Partei stellt nun seit fast vier Jahren den Präsidenten und seit geraumer Zeit die Mehrheit im französischen Parlament. Eine Initiative, diese Gräben zu füllen, ist bisher allerdings nicht bekannt geworden.

Der Ausweg aus der Konsensfalle

Und dennoch gibt es aus dieser Konsensfalle Auswege: eine Debatte über Verteilungsfragen würde womöglich helfen. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen von Globalisierung und Digitalisierung – vor allem aber eine Ur-Tugend jeder politischen Kraft: die Lust zur klaren Positionierung. Wenn Parteien nicht nur unterschiedliche Köpfe sondern unterschiedliche Positionen anbieten, Politik wieder der Wettkampf um Ideen, nicht um Posten wird, wäre womöglich viel gewonnen.

Es ist deswegen an der Zeit, mit einem Mythos aufzuräumen, den man in westlichen Politiker-, Manager-, Wissenschaftler- und Medienkreisen gerne nährt: dass sich der Populismus unserer Zeit aus einer Lust am „Postfaktischen“ speist, dass die Wut der Menschen vor allem aus einem Erklärungsdefizit entstehe. Das alles ist womöglich in Teilen richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Die Wahl Trumps zeigt: Der Wähler verlangt bis weit in die Mittelschicht hinein vernünftige politische Alternativen, sonst wählt er den Wahnsinn.

Immerhin, nachdem Sigmar Gabriel seinen ersten Frust über die Trump-Wahl abgelassen hatte, sagt er noch etwas, was ein deutscher Sozialdemokrat im vergangenen Jahrzehnt kaum mehr gesagt hatte. „In Deutschland muss Schluss sein mit Merkels Forderung nach einer marktkonformen Demokratie.“ Es klang nicht wirklich durchdacht. Womöglich klang es auch ein wenig schief, vielleicht falsch. Aber es klang zumindest mal nach einer programmatischen Alternative. Vielleicht ein Anfang.

Donald Trumps erste Reden deuten Versöhnung statt Spaltung an – und zeigen, wie sehr er die Politik als Geschäftsmodell begreift.
von Miriam Meckel
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