Donald Trumps Wirtschaftsbilanz Die „beste Wirtschaft der Geschichte“?

Donald Trump bei einer Wahlkampf-Veranstaltung 2020 Quelle: imago images

Donald Trumps ökonomische Bilanz ist ordentlich, aber bei weitem nicht so gut wie von ihm behauptet. Das ist auch Folge seiner impulsgetriebenen und erratischen Wirtschaftspolitik. Ein Gastbeitrag.

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Stephan Bierling lehrt Internationale Politik und Atlantische Beziehungen an der Universität Regensburg. Gerade erschien sein Spiegel-Bestseller „America First. Donald Trump im Weißen Haus. Eine Bilanz“ im Verlag C.H. Beck.

Was hat Trump nicht alles versprochen im Wahlkampf 2016: Er werde das Wachstum durch Steuersenkungen und Deregulierung auf fünf Prozent ankurbeln, Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen, das Handelsdefizit abbauen, die Staatsschulden binnen acht Jahren tilgen, die Aktienkurse explodieren lassen. 

Auch wenn der Präsident nach drei Amtsjahren von der „besten Wirtschaft der Geschichte“ sprach, entwickelte sie sich in etwa wie unter seinem Vorgänger: Von 2017 bis 2019 stieg das Bruttoinlandsprodukt um 2,5 Prozent (in den letzten drei Obama-Jahren um 2,4 Prozent), wurden pro Monat 182.000 neue Stellen geschaffen (unter Obama: 224.000) und wuchsen die Staatsschulden um 3,2 Prozentpunkte (Obama 2,7).

Das jährliche Defizit erhöhte sich von 3,1 Prozent 2016 auf 4,6 Prozent 2019, das Handelsbilanzminus wuchs von 481 Milliarden US-Dollar auf 577 Milliarden Dollar. Etwas besser lief es bei Aktien: Der S&P 500-Index legte in den drei Amtsjahren Trumps um durchschnittlich 14 Prozent pro Jahr zu, bei Obama waren es 9,4 Prozent gewesen.

Bevor die Coronapandemie die USA 2020 in die tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg stürzte, war Trumps Wirtschaftsbilanz ordentlich, aber nicht spektakulär. Zu verdanken war sie primär der Innovationskraft der Unternehmen, dem Fleiß der Arbeiter und der ultralockeren Geldpolitik der Zentralbank. Präsidenten beeinflussen die Entwicklung der 21-Billionen-Dollar-Ökonomie (2019) weit weniger, als sie die Wähler glauben machen. 

Diese Bundesstaaten könnten die US-Wahl entscheiden
Wer der nächste US-Präsident wird, entscheidet sich in wenigen US-Bundesstaaten. In vielen der 50 Staaten gewinnt immer dieselbe Partei, aber etwa ein Dutzend sind hart umkämpft. Bei der Wahl am 3. November richten sich die Augen auf diese „Battleground States“ oder „Swing States“. Der Republikaner Donald Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden haben dort im Endspurt des Wahlkampfs auch verstärkt um Stimmen geworben. Der US-Präsident wird nicht direkt gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das letztlich den Präsidenten wählt. Für einen Wahlsieg braucht ein Kandidat die Stimmen von mindestens 270 der 538 Wahlleute. Wegen Corona wird damit gerechnet, dass viel mehr Menschen per Briefwahl abstimmen. Deshalb rechnen Experten teils mit verzögerten Ergebnissen. In mindestens drei Staaten (Pennsylvania, Wisconsin und Michigan), die zusammen 46 Wahlleute stellen, halten Verantwortliche Verzögerungen bei der Auszählung für möglich. Es könnte bis Freitag dauern. Ein Überblick. Quelle: AP
Mit 29 Wahlleuten ist Florida einer der wichtigsten umkämpften Staaten. Quelle: imago images
Bei der Wahl 2016 konnte sich Trump in Pennsylvania sehr knapp durchsetzen. Quelle: imago images
Der südwestliche Staat galt lange als sichere Bastion der Republikaner. Quelle: imago images
2016 konnte Trump sich in Wisconsin sehr knapp durchsetzen Quelle: imago images
Ohio hat 18 Wahlleute zu vergeben Quelle: imago images
Minnesota: 2016 konnte sich die Demokratin Hillary Clinton dort mit knappem Vorsprung die zehn Stimmen der Wahlmänner und Wahlfrauen sichern. Quelle: imago images

Allenfalls in schweren Rezessionen wie bei der Finanzkrise 2008 oder der Coronakrise 2020 können Regierungen mit gigantischen Konjunkturprogrammen Schlimmeres verhindern. Das Beste, was ein Präsident außerhalb solcher Extremsituationen für die Volkswirtschaft zu leisten vermag, ist: konsistent agieren, Ruhe ausstrahlen, in Infrastruktur und Ausbildung investieren.

Great again? Eher nicht

Nach diesen Kriterien hat Trump versagt. Für langjährige Beobachter seiner Person kam das nicht überraschend. Steve Segal von der Washington Post schrieb treffend: „Die Leute, die am wenigsten von Geschäften verstehen, bewundern ihn am meisten. Und die am meisten über Geschäfte wissen, bewundern ihn am wenigsten.“ Trump versteht viel von Selbstvermarktung, ein bisschen vom Immobiliengewerbe und nichts von Volkswirtschaft. 



Seine Steuersenkung, der größte gesetzgeberische Erfolg, kostet den Staatshaushalt in den kommenden zehn Jahren zwischen anderthalb und zwei Billionen Dollar. Dass sie sich, wie versprochen, über höheres Wachstum selbst finanzieren würde, erwies sich als Märchen: Die Unternehmen steckten die zusätzlichen Profite in Dividendenerhöhungen und Aktienrückkäufe, nicht in Produkt- oder Verfahrensinvestitionen; die reichsten zehn Prozent der Amerikaner profitierten am meisten davon, aber sie sparten das Geld und kurbelten den Konsum kaum an. Zu dem von Trump angekündigten großen Infrastrukturprogramm kam es nie.

Ein Handelskrieg gegen die eigene Bilanz

Vor allem konterkarierte der Präsident die geringen Wachstumsimpulse durch seinen Protektionismus. Mexiko, Kanada, Südkorea und andere erpresste er, in Deals einzuwilligen, die den Freihandel einschränken und für beide Seiten Wohlstandsverluste mit sich bringen. Er sabotierte das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO, das bisher Verstöße gegen Handelsregeln geahndet hatte. Die dramatischsten Auswirkungen hatten jedoch seine Strafzölle gegen Peking. 


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Kleinere, sicherheitspolitisch abhängige Staaten konnte Trump zu Zugeständnissen zwingen, bei einem Land auf Augenhöhe wie China stieß er jedoch auf Granit. Dessen Führung vergalt jede Zollerhöhung eins zu eins, bis Trump im Januar 2020 in einen Waffenstillstand einwilligte. In den Verhandlungen agierte der Präsident impulsiv, anmaßend und inkonsequent.

Ökonomisch am schlimmsten ist jedoch Trumps Versagen im Kampf gegen die Coronapandemie. Sein erratisches Management vertiefte die Krise und machte die USA zu einem der am schwersten betroffenen Länder auf dem Planeten. Zwar konnten die Auswirkungen zunächst mit einem Zwei-Billionen-Dollar-Rettungsschirm gemildert werden, den der Kongress parteiübergreifend verabschiedete. 



Aber das dringend nötige zweite Hilfspaket, das auch Trump in der Endphase des Wahlkampfs forderte, scheiterte. Der Grund: Der von den Republikanern dominierte Senat widersetzte sich einem von Finanzminister Steven Mnuchin und Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi ausgehandelten Kompromiss. Damit hinterlässt Trump am Ende seiner Amtszeit ein Amerika, das sich angesichts des Aufflammens der Seuche erneut in schwerer ökonomischer Not befindet.


Mehr zu Thema: Warum sich das Verhältnis der USA zu Deutschland nicht entspannen wird – egal, wer im Weißen Haus regiert.

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