Doppelter Tabubruch Trumps Importzölle drohen das System der globalen Handelsregeln zu sprengen

Die Umstände von Trumps jüngstem Alleingang sind außergewöhnlich. Auch könnten Importzölle bewährte Absprachen im Welthandel kollabieren lassen.

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Donald Trump: Importzölle drohen Handelsregeln zu sprengen Quelle: AP

Washington Erst hat Donald Trump seinen internationalen Partnern einen Schrecken versetzt, jetzt lässt er sie ratlos zurück. Seit der US-Präsident Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte angekündigt hat, grübelt der Rest der Welt über die Details dieser weitreichenden Entscheidung.

Bislang steht kaum mehr als ein Rahmen fest: Stahleinfuhren sollen mit 25 Prozent extra belegt werden, Aluminiumimporte mit zehn Prozent. So hat es Trump vergangene Woche versprochen, flankiert von den Bossen der größten Metallproduzenten des Landes.

Doch entscheidende Fragen sind ungeklärt. Werden tatsächlich gegen alle Länder Importbarrieren hochgezogen, selbst gegen enge Verbündete? Können globale Unternehmen Ausnahmen beantragen?

„Zu diesem Zeitpunkt wird es keine Sonderbehandlung für einzelne Länder geben“, betonte der Direktor des Nationalen Handelsrats im Weißen Haus, Peter Navarro, am Sonntag im Sender CNN. Seine vorsichtige Formulierung deutete darauf hin, dass hinter den Kulissen noch einiges in Bewegung ist. Auf Nachfrage erklärte er blumig, dass Ausnahmen „in bestimmten Fällen“ denkbar seien.

Auch Handelsminister Wilbur Ross zog am Wochenende durch die TV-Studios der Nation und warb für Trumps Entscheidung. Beide betonten, der Präsident habe das letzte Wort. Nur schlauer wurde man aus ihren Aussagen nicht. Im Laufe dieser Woche soll es angeblich mehr Informationen geben, womöglich auch einen Beschluss.

„Zusammenbruch der Prozesse“

Die Umstände von Trumps Stahl-Hammer erinnern an das frühe Chaos seiner Regierung. Noch immer kursiert kein Positionspapier, kein offizielles Dokument. US-Sender berichteten, die Rechtsabteilung habe ihren Segen noch nicht gegeben. Auch sollen Ministerien keine Chance bekommen haben, ausländische Handelspartner vorzuwarnen.

Trump schuf Fakten, noch bevor seine Regierung eine diplomatische Strategie entwickeln konnte. Die Website Axios schrieb von einem „Zusammenbruch der Prozesse“. Etwas Vergleichbares habe es unter Trumps Vorgängern nie gegeben.

Bis zuletzt wussten führende Mitarbeiter im Weißen Haus nicht, dass Trump im Alleingang Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium verkünden würde. Als Reporter vergangenen Donnerstag ahnungslos in einen Sitzungssaal gebeten wurden, las Trump nicht von einem Skript ab, es gab keine vorbereitete Erklärung.

Wenig später trieb Trump eigenmächtig die Konfrontation gegen Handelspartner wie Mexiko, Südkorea, Kanada und Europa von seinem Golfresort Mar-a-Lago aus mit einer Twitter-Tirade voran. Handelskriege seien „gut und leicht zu gewinnen“, schrieb er, oder: „Ein Land ohne Stahl ist kein Land.“

Der EU drohte er mit Importzöllen auf europäische Autos, sollten Brüssel tatsächlich mit Einfuhrbarrikaden gegen amerikanische Produkte wie Whiskey, Jeans oder Harleys reagieren.


Paradigmenwechsel in der Handelspolitik

Die Republikaner müssen nun zusehen, wie sie ihren Wählern die Unruhe erklären. Führende Vertreter wie Paul Ryan kritisierten die Strafzölle scharf. Doch der US-Kongress kann nicht intervenieren, der Präsident darf frei entscheiden.

Grundlage ist eine Passage im US-Handelsrecht (Sektion 232) aus Zeiten des Kalten Krieges, nach der die USA Einfuhren drosseln dürfen, wenn sie ihre nationale Sicherheit gefährdet sehen.

Handelsminister Ross kam in einem 359-seitigen Report an den Präsidenten zu genau diesem Schluss. Nur noch ein einziger heimischer Hersteller, eine Fabrik in Kentucky, könne „eine hochwertige Aluminiumlegierung für die militärische Luft- und Raumfahrt“ liefern, schrieb er.

In der US-Geschichte wurden Handelshemmnisse extrem selten aus Sorge um die nationale Sicherheit errichtet. Zuletzt griff Präsident Ronald Reagan 1986 zu dieser Option, da ging es aber nur um spezielle Werkzeugmaschinen.

Edward Alden, Handelsexperte am Council on Foreign Relations, spricht von einem Paradigmenwechsel. Die Linie der vergangenen 50 Jahre sei gewesen, dass sich die USA im Ernstfall auf Einfuhren enger Verbündeter verlassen können. „Die Trump-Regierung schlägt jetzt kühle Töne an.“

Laut der Logik von Ross und Trump bräuchten die USA eine starke industrielle Basis, um sich verteidigen zu können. „Die Kernaussage ist: Stahlimporte schaden generell der nationalen Sicherheit“, so Alden. Diese weitreichende Definition sei „außergewöhnlich“.

Globalisten wie Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn warnen zudem vor Jobverlusten in Industrien, die auf Stahl und Aluminium angewiesen sind, um ihre Produkte herzustellen. Beide Metalle sind ein wichtiger Rohstoff für Autos und Flugzeuge, für die Bau-, Öl- und Lebensmittelbranche.

Auch in Europa wächst die Sorge vor den unmittelbaren Folgen auf dem US-Markt. „Die angekündigten Zölle werden dazu führen, dass Stahl und Aluminium in den USA teurer werden“, sagte Daniel Andrich, Leiter des Verbandsbüros von BDI und DIHK in Washington.

Auf die Automobilindustrie in den USA entfiele ein Viertel des gesamten US-Stahlverbrauchs, auf den Maschinen- und Anlagenbau zehn Prozent. „In beiden Branchen sind deutsche Unternehmen in den USA stark engagiert“”, sagte Andrich. Er warnte vor der „Gefahr einer protektionistischen Spirale“. Gerade deutsche Firmen seien „mit ihren globalen Wertschöpfungsketten auf offene Märkte angewiesen“.

„Das Potenzial für eine Eskalation ist real“

Global betrachtet ist das größte Problem an Trumps Strafzöllen aber nicht, was sie mit dem Preis einer Bierdose oder einer Gallone Benzin anstellen. Sondern dass die USA einen Präzedenzfall mit unberechenbaren Folgen schaffen.

Der Internationale Währungsfonds warnte die USA davor, eine für den Notfall gedachte Ausnahme als Regel zu etablieren. Der sonst eher zurückhaltende WTO-Generaldirektor Roberto Azevedo kommentierte: „Das Potenzial für eine Eskalation ist real.“

Zwar erlauben die WTO-Regeln ihren Mitgliedern, Handelshemmnisse zum Schutz der nationalen Sicherheit einzurichten. Die USA und andere Länder haben dieses Schlupfloch aber seit Gründung des Bündnisses 1995 nie genutzt, aus Furcht vor einem Dominoeffekt.

„Trumps Alleingang wird ein riesiges Loch in das System globaler Handelsregeln sprengen“, so Experte Alden. „Es steht außer Frage, dass andere Länder dem Beispiel der USA folgen werden.“

Die Entscheidung sei ein Freifahrtschein für die übrigen 163 WTO-Länder, Produkteinfuhren aller Art zu blockieren. Peking zum Beispiel sieht seine Abhängigkeit von ausländischen Halbleitern und anderen Technologien schon länger als Bedrohung. Künftig könnte sich China ermutigt sehen, ausländische Unternehmen noch stärker als ohnehin schon auf dem eigenen Markt zu diskriminieren.

Indien könnte Quoten für importierten Weizen und Reis einführen. Oder Brüssel strenge Restriktionen für Datenflüsse anwenden, um Unternehmen wie Google und Amazon in die Knie zu zwingen. „Trump öffnet die Büchse der Pandora“, schrieb Daniel J. Ikenson vom konservativen Thinktank Cato. „Die globale wirtschaftliche Sicherheit steht auf dem Spiel.“

Außerdem ist die Gefahr groß, dass ein Land bei der WTO Beschwerde gegen die USA einlegt. Das könnte die US-Regierung wiederum zum Anlass nehmen, sich aus der WTO zurückzuziehen. Seiner Verachtung gegen die WTO hatte Trump immer wieder Ausdruck verliehen, regelmäßig nennt der das Bündnis ein „Desaster“ oder eine „Katastrophe“.

Doch auch als aktives Mitglied richten die USA mit ihren Handelsbarrieren diplomatischen Schaden an. Die Strafzölle haben das Zeug dazu, enge Verbündete zu brüskieren und Rivalen zu reizen – was angesichts diverser globaler Krisenherde fahrlässig ist.

Das zeigt das Beispiel Südkorea. Seit fast 70 Jahren sind die Vereinigten Staaten und Südkorea Partner, unter dem Schutzschirm Amerikas ist die südkoreanische Wirtschaft in die Höhe geschnellt. Ein Zehntel der Stahleinfuhren in die USA stammen aus Südkorea.

Jetzt könnte das Land, das die USA dringend zur Vermittlung im Nordkorea-Konflikt braucht, doppelt gestraft werden: einmal direkt durch die Strafzölle, und dadurch, dass China seine Überkapazitäten noch stärker im Land ablädt.

Südkorea drohte bereits damit, Beschwerde bei der WTO einlegen zu wollen. Der südkoreanische Handelsminister reiste Ende Februar nach Washington, um das Schlimmste zu verhindern. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren seine Mühen vergebens.

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