
New York Die Bundesregierung und Frankreich haben den negativen Ausblick der US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) für Deutschland und weitere 14 Länder der Eurozone „zur Kenntnis“ genommen. Das teilten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy am späten Montagabend in einer in Berlin verbreiteten gemeinsamen Erklärung mit.
„Deutschland und Frankreich bekräftigen ihre Überzeugung, dass die heute von beiden Regierungen gemeinsam gemachten Vorschläge die haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Eurozone stärken und so Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern werden“, hieß es weiter. Merkel und Sarkozy hatten am Nachmittag in Paris eine rasche Verschärfung der Euro-Spielregeln vereinbart, um die Stabilität der Währung zu sichern.
S&P hatte nach US-Börsenschluss in einem beispiellosen Schritt zum Rundumschlag in Europa ausgeholt und praktisch alle Euro-Länder mit einem negativen Ausblick versehen, was binnen drei Monaten eine Herabstufung nach sich ziehen könnte. Die bisher mit der Top-Bonitätsnote AAA bewertete Bundesrepublik könnte um eine Stufe abgewertet werden, teilte S&P mit.
Der Unionshaushaltspolitiker Norbert Barthle zeigte sich angesichts des Schrittes von S&P am Montagabend gelassen. „Das überrascht mich nicht und zeigt, dass diese Krise demnächst überwunden sein wird“, sagte Barthle
Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss, Hans Michelbach, wurde dagegen deutlicher. Der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion sprach „von einer willkürlichen Entscheidung ohne Bezug zur Wirklichkeit“. Ziel der Ankündigung von S&P sei es, vor dem EU-Gipfel zusätzliche Nervosität zu erzeugen. Michelbach forderte eine härtere Gangart „gegen das unkontrollierte Spiel der Agenturen“.
Eurozone als Ganzes unter Druck
Beim Gipfel am Donnerstag und Freitag sollen nach dem Willen Merkels und Sarkozys die Weichen für die nötige Änderung der EU-Verträge gestellt werden. Bis März 2012 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Von den Ergebnissen des Treffens will S&P die nächsten Schritte abhängig machen.
Die Agentur begründete den Schritt am späten Montagabend damit, dass die Probleme in der Eurozone in den vergangenen Wochen ein Maß erreicht hätten, das die Zone als Ganzes unter Druck setze. Die Ratingagentur nannte auch das ihrer Meinung nach unkoordinierte und unentschlossene Handeln der Politiker als Grund für den Warnschuss.
Neben Deutschland und Frankreich sind auch die Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg betroffen, die allesamt noch das Toprating haben. Im Falle von Deutschland begründete die Agentur die mögliche Abstufung mit der engen Verflechtung innerhalb Europas und den damit einhergehenden Gefahren für die deutsche Wirtschaft.
S&P erklärte, es bestehe das Risiko, dass die Eurozone als Ganzes im kommenden Jahr in die Rezession rutsche. Die Wahrscheinlichkeit liege bei 40 Prozent. Für Staaten wie Spanien, Portugal und Griechenland geht S&P ganz sicher von einem Wirtschaftsabschwung aus.
Auf und Ab an den Börsen
In Gefahr ist das entscheidende sogenannte Langzeit-Rating. Je schlechter die Bonität eines Schuldners ausfällt, desto eher muss er höhere Zinsen für die Aufnahme neuer Schulden zahlen. S&P erklärte, bereits jetzt müsste eine steigende Zahl von Mitgliedern der Eurozone trotz guter Kreditwürdigkeit tiefer in die Tasche greifen.
In der Schuldenkrise hatten die Einschätzungen der mächtigen Ratingagenturen immer wieder für Wirbel gesorgt. Nach Herabstufungen wurde es für finanziell angeschlagene Länder immer schwerer, sich am Kapitalmarkt Geld zu besorgen. Die Krise verschärfte sich dadurch.
Am Montagvormittag hatten mit Deutschland, Frankreich und Italien drei Schwergewichte der Euro-Zone einen weiteren Versuch unternommen, das Vertrauen der Märkte wieder zu stärken. Merkel und Sarkozy präsentierten erste Ideen, wie sie für eine verbindlichere Einhaltung der Schuldengrenzen sorgen wollen. Italiens neuer Ministerpräsident Mario Monti stellte ein Reformpaket über 30 Milliarden Euro vor.
Die US-Börsen hatten nach dem Treffen zunächst deutlich zugelegt. Nach ersten Meldungen über den Schritt von S&P kehrte aber die Euro-Angst der Börsianer zurück. Der Dow-Jones-Index ging nach einem Auf und Ab 0,7 Prozent höher bei 12.098 Zählern aus dem Handel. Der heutige Handelstag an der Tokioter Börse begann schwach. Der Nikkei gab bisher 0,7 Prozent nach und liegt bei 8.628,78 Punkten.