Drohender Zahlungsausfall in den USA Wie lange kann Amerika seine Rechnungen noch bezahlen?

Finanzministerin Janet Yellen und Präsident Joe Biden sind nicht erfreut: Ein Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten von Amerika ist erneut wahrscheinlicher geworden Quelle: Getty Images

Die USA erreichen ihre Schuldengrenze. Bis zum Zahlungsausfall sind es nur noch wenige Monate. Trotzdem ist eine Einigung auf eine Erhöhung noch nicht absehbar. Doch es gibt esoterische Alternativen.

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Seit Donnerstag sind die USA dem Zahlungsausfall wieder ein Stück näher. Da erreichte die größte Volkswirtschaft der Welt ihre Schuldengrenze, also den Betrag, ab dem die Administration keine neuen Kredite mehr aufnehmen darf. Zwar wird Finanzministerin Janet Yellen durch ein paar Verschiebungen im Haushalt noch bis in den Sommer hinein die Rechnungen Washingtons begleichen können, doch das Undenkbare – ein Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten von Amerika – ist ein bisschen wahrscheinlicher geworden.

Die Auswirkungen eines Staatsbankrotts wären immens und nicht nur auf die USA beschränkt. Amerikanische Staatsanleihen – auch T-Bills genannt – gelten als die sicherste Geldanlage der Welt. Sie stecken in zahllosen Fonds und Finanzprodukten. Kein Wunder also, dass Experten vor massiven Turbulenzen auf den Weltfinanzmärkten warnen, sollte es zu einem US-Zahlungsausfall kommen. Manche warnen gar vor einer globalen Rezession.

Solche Horrorszenarien sind schon oft beschworen worden. Und am Ende gelang es dann doch immer, die US-Schuldengrenze anzuheben. Doch dieses Mal könnte das anders sein.

Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Kongress ist es nämlich nicht sicher, ob der republikanische Sprecher Kevin McCarthy seine Partei überzeugen kann, das Kreditlimit anzuheben. Der rechte Rand seiner Fraktion will eine Erhöhung nicht oder nur nach massiven Zugeständnissen des Weißen Hauses akzeptieren. McCarthy verlangt deshalb tiefe Einschnitte in den Haushalt. Doch die Demokraten um Präsident Joe Biden lehnen Verhandlungen ab. Sie verlangen eine Anhebung ohne Vorbedingungen. Über den Haushalt könne man diskutieren, wenn dieser aufgestellt werde. Damit habe die Schuldengrenze nichts zu tun.

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Angesichts dieser verfahrenen Situation und der wackeligen Mehrheitsverhältnisse im Kongress ist ein Ende des Streits derzeit nicht absehbar. Analysten gehen davon aus, dass eine Lösung erst in letzter Sekunde erreicht werden könne – also kurz vor dem großen Knall. Und auch das ist nicht garantiert. Deshalb kursieren in Washington bereits einige Szenarien, wie die Administration die Schuldengrenze trotz des Ärgers mit dem Kongress umgehen kann. Manche Ideen sind technisch, andere legalistisch – und einige auch etwas schräg.

Idee 1: Die Billion-Dollar-Münzen  

Da wäre zum Beispiel die Platinmünze. Seit 1997 gilt ein Gesetz, das es dem Finanzministerium erlaubt, Münzen aus dem Edelmetall nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, also Design, Aufschrift und auch den Wert festzulegen. Gedacht war die Vorgabe ursprünglich, um Münzen für Sammler herzustellen. Doch festgeschrieben ist das nicht. Und: Auch Sammelmünzen gelten als offizielle Zahlungsmittel.

Was das mit dem Kreditlimit zu tun hat? Finanzministerin Yellen, so die Theorie, könnte schlicht eine oder zwei Münzen mit dem Nennwert von je einer Billion Dollar prägen lassen und sie bei der Notenbank hinterlegen. Schon wäre die Schuldenlast der Vereinigten Staaten gesenkt – und die Grenze kein Problem mehr.

Das klingt natürlich etwas albern, aber die Idee hat ihre Anhänger. Sogar Nobelpreisträger Paul Krugman bekannte sich als Unterstützer – und sei es nur, um der vermeintlichen „Sabotage“ der Republikaner etwas entgegenzusetzen. Sonderlich realistisch ist es allerdings nicht, dass Biden zu diesem Mittel greifen wird. Yellen selbst bezeichnete die Diskussion um die Münze 2021, als die USA sich das letzte Mal dem Kreditlimit annäherten, als „Gimmick“.

Idee 2: Ignorieren im Namen der Verfassung

Womöglich etwas seriöser ist der Verschlag, der Präsident solle die Schuldengrenze einfach ignorieren – mit einem Verweis auf die Verfassung. „Die Gültigkeit der Staatsschuld der Vereinigten Staaten (…) darf nicht in Frage gestellt werden“, heißt es im 14. Verfassungszusatz, Abschnitt 4. 

Ins Grundgesetz aufgenommen wurde dieser Passus kurz nach dem Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert. Er sollte sicherstellen, dass die ehemaligen Staaten der Konföderation sich nicht aus dem Bezahlen der Kriegsschulden der USA herauswinden können. Mit dem Kreditlimit, das erst 1917 eingeführt wurde, hatte das ganze nichts zu tun. Doch wenn die Gültigkeit der Staatsschulden nicht in Frage gestellt werden darf, ist die Grenze dann überhaupt verfassungskonform?

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Gerichte haben sich mit dieser Frage nie befasst. Präsident Bill Clinton und seine Mitarbeiter hingegen schon. Sollte es nicht gelingen, die Schuldengrenze anzuheben, dann werde er „ohne zu zögern“ mit Verweis auf den 14. Zusatzartikel das Limit ignorieren und „die Gerichte zwingen, mich aufzuhalten“, kündigte er an, als das Weiße Haus und der Kongress sich in den 1990er-Jahren nicht sofort auf eine Anhebung einigen konnten.

Ob die Richter tatsächlich einschreiten würden, ist offen. In Kompetenzfragen zwischen Kongress und Administration mischen sich die Bundesgerichte ungern ein. Denkbar, dass die Schuldengrenze so einfach irrelevant würde. Aber garantiert ist das nicht.

Idee 3: Die Anleihe-Option

Bliebe eine dritte Option, die allerdings etwas technisch ist. Die USA, so die Empfehlung, sollten extrem hoch verzinste Premium-Anleihen mit niedrigem Nennwert ausgeben, um die nominalen Staatsschulden zu senkten. Eine stark vereinfachte Beispielrechnung: Eine 100-Dollar-Anleihe mit einer Laufzeit von einem Jahr bringt 4,5 Prozent Zinsen, also 104 Dollar und 50 Cent für den Anleger nach einem Jahr. Anstatt zwei solcher Anleihen auszugeben, gibt das Finanzministerium künftig nur noch eine aus - mit einem Nennwert von 100 Dollar, aber einer Verzinsung von 109 Prozent. Dafür zahlt der Anleger 200 Dollar, als Ausgleich für die höheren Zinsen. Wird diese Premium-Anleihe fällig, zahlt die Administration 209 Dollar aus – genauso viel, wie bei zwei normalen 100-Dollar-Anleihen zu 4,5 Prozent fällig geworden wäre. 

Für Staat wie Käufer macht es also keinen Unterschied, allerdings sinkt die nominelle Schuldenlast der USA. Und nur der Nennwert der Anleihe ist für die Kreditgrenze relevant.

Es wäre eine komplexe Lösung, die allerdings den Vorteil hat, schon durch einige interne Regeländerungen im Finanzministerium möglich zu sein. Allerdings könnten solche Änderungen schon ausreichen, um auf den Finanzmärkten für Unruhe zu sorgen. „Als tatsächliche Maßnahme des US-Finanzministeriums halte ich die Idee für sehr schlecht“, schreibt Finanzkolumnist Matt Levine. Yellen sollte „nicht mit buchhalterischen Spielereien“ arbeiten. Allerdings sollten die USA auch nicht in den Staatsbankrott gehen. Premium-Anleihen seien eine schlechte Idee, die Alternative aber noch schlimmer.

Es gibt also Vorschläge, wie die Administration durch die kommende Krise navigieren könnte. Zu eigen macht Biden sie sich bislang noch nicht. Die Juristen des Weißen Haus seien zu der Überzeugung gekommen, dass es keine legale Alternative zum Anheben des Kreditlimits durch den Kongress gibt, heißt es. Doch sollte die Situation noch ernster werden: Eine Platinmünze ist schnell geprägt. Und vom Finanzministerium zum Federal Reserve Gebäude braucht man mit dem Auto nur sechs Minuten.

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