Druck auf May steigt Briten fürchten Brexit ohne Abschied

Die EU-27 demonstrieren Geschlossenheit und verabschieden harte Brexit-Leitlinien. Die Briten fürchten um ihre Unabhängigkeit. Trotz des Abschieds gelten die meisten EU-Regeln weiter. Theresa May steht unter Druck.

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Theresa Mays Karten im Brexit-Poker gelten als schwach. Quelle: AP

Brüssel, London Donald Trump ist sich sicher: Mit ihm als Unterhändler würde Großbritannien mehr herausholen in den Brexit-Verhandlungen mit den übrigen EU-Staaten. „Ich hätte eine härtere Position eingenommen, um rauszukommen“, sagte der US-Präsident in einem Interview im britischen Fernsehen.

Die Brexit-Hardliner auf der Insel sehen es ganz ähnlich: Die einflussreichen Tory-Abgeordneten Jacob Rees-Moog und John Redwood etwa werfen Premierministerin Theresa May vor, sie verhandele nicht hart genug mit Brüssel. Sie befürchten einen „Brino“ – einen „Brexit In Name Only“. So wird der EU-Ausstieg genannt, der letztlich nur so heißt, aber de facto nichts an der Bindung zur Europäischen Union ändert.

Konkret geht es derzeit darum, zu welchen Bedingungen das Land in einer Übergangsphase nach dem Ausstiegsdatum am 30. März 2019 mit der Union verbunden bleibt. Sie soll auch Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen schaffen. Brexit-Minister David Davis hatte vergangenen Mittwoch im Unterhaus angekündigt, man werde sich in diesen rund zwei Jahren an die Regeln der EU halten und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) weiter anerkennen. Daraufhin schritt Rees-Moog ein: Ob man damit nicht ein „Vasall der EU“ sei, wollte der Sprecher der konservativen Brexit-Befürworter von Davis wissen. Seitdem tobt auf der Insel ein offener Streit über den Brexit-Kurs der Regierung.

In Brüssel aber beißen Rees-Moog und seine Mitstreiter auf Granit. Am Montag verabschiedeten die Europaminister der 27 Länder die eigenen Richtlinien für die nächste Etappe der Brexit-Verhandlungen, und zwar im Schnellverfahren: Ganze zwei Minuten haben die Aussprache gedauert, verkündete die stellvertretende EU-Chefunterhändlerin Sabine Weyand auf Twitter.

Die Botschaft: Die EU-27 stehen weiter geschlossen zusammen – im Gegensatz zur britischen Regierung. Jetzt sei es „essenziell, dass das Vereinigte Königreich seine Position zur Zukunft darlegt“, forderte Chefunterhändler Michel Barnier. Die EU-Position ist eindeutig: Großbritannien müsse alle EU-Regeln anwenden, inklusive der Rechtsprechung des EuGH, könne aber nach dem Austritt nicht länger Teil der europäischen Institutionen oder Entscheidungsprozesse, betonte Barnier. Das gelte auch für neu verabschiedete Verordnungen und Richtlinien aus dem Brüsseler Gesetzgebungsapparat. Dies sei unverzichtbar für das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes – dessen Regeln könnten „nicht à la Carte“ angewandt werden. Ausnahmen sollen nur in Politikfeldern wie Sicherheit und Justiz gelten, in denen London schon bisher Ausstiegsklauseln nutzt.

Ebenso weitergelten sollen sämtliche internationalen Abkommen, die die EU im Namen ihrer Mitglieder abgeschlossen hat. Eigene Verträge, etwa mit Handelspartnern, darf London demnach nur mit Zustimmung der EU abschließen. Für die Brexit-Befürworter eine besonders bittere Pille: Sie setzen große Hoffnungen auf eigens abgeschlossene Freihandelsabkommen mit Ländern wie China oder den USA – und wollen diese auch schon in der Übergangsphase aushandeln und unterzeichnen.

Davis sucht nun nach Wegen, in den Verhandlungen mit Barnier mehr Entscheidungsfreiheiten für seine Regierung herauszuholen in dieser „Implementierungsphase“, wie die Brexit-Verfechter stets betonen. Doch die Regierung ist gespalten in Hardliner und jenen, die wie Finanzminister Philip Hammond aus Sorge um die wirtschaftlichen Schäden auf nur „moderate“ Veränderungen im Verhältnis zur EU drängen.

Premierministerin May versucht, zwischen diesen etwa gleichstarken Lagern zu vermitteln. Die Regierungschefin kämpft bereits seit Monaten gegen den Vorwurf, zu schwach zu sein. Offen wird in Großbritannien diskutiert, wie lange sich May noch im Amt halten werde. Aber da sich die verschiedenen Gruppierungen innerhalb ihrer konservativen Partei nicht auf einen Nachfolger einigen können, bleibt sie auf ihrem Posten – noch. Britische Zeitungen berichten, dass mittlerweile mehr als 40 Abgeordnete ihrer Tory-Partei ihre Ablösung fordern – für Neuwahlen bräuchte es 48 Abgeordnete ihrer Partei.

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