Dubai-Crash In Dubai kehrt der Optimusmus zurück

Ein Jahr nach der Beinahe-Pleite seiner Staatsholding kehrt der Optimismus zurück. Doch der große Boom bleibt ein Traum.

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United Arab Emirates President Quelle: REUTERS

Kurz vor dem ersten Jahrestag des Dubai-Crashs eröffnet der französische Konzern Accor ein Hotel in Dubai. Das neue Pullman-Hotel mit 481 Zimmern auf 24 Stockwerken ist ganz offiziell ein Viersternehotel. Keine fünf, wie bei den nicht mehr ganz ausgelasteten 250 Wettbewerbern, schon gar keine sieben wie beim legendären Prestigeobjekt Burj al-Arab. Der Stern weniger beim neuen Riesenhotel zeigt, dass sich Dubai von dem großen Absturz infolge der Krise der Staatsholding Dubai World vor einem Jahr noch immer nicht erholt hat. Erneut geriet jetzt mit der Dubai Holding ein Staatsunternehmen in Turbulenzen. Zwei Milliarden Dollar pumpte das Emirat in das strauchelnde Unternehmen.

Der Schock war nicht ganz so groß wie vor einem Jahr. Da führte erst die weltweite Krise zum Schwund der Bankeinlagen aus den Nachbarländern, worauf der Abzug einiger Banken folgte und dann das Platzen der absurden Immobilienblase. Das brachte den Konzern Dubai World an den Rand der Pleite. Das Multi-Unternehmen im Besitz der Herrscherfamilie musste die Rückzahlung gewaltiger Verbindlichkeiten aussetzen. Am Ende ging es darum, die Einwilligung der Gläubiger zur Umstrukturierung von Schulden in Höhe von 24,9 Milliarden Dollar zu erreichen. Jetzt macht das Emirat weiter, aber alles ist eine Nummer kleiner geworden.

Noch immer kommen Touristen, aber die achten ganz anders als früher aufs Geld. Englische und saudi-arabische, iranische und deutsche Gäste scheinen keine Lust mehr zu haben, mehrere Hundert Dollar die Nacht dafür zu bezahlen, dass es in ihrem Hotel einen Ballsaal gibt und ein Eiscafé mit aus Rom importiertem Konditor. Auch Geschäftsreisende sparen sich das Geld für Hotelzimmer mit Schreibtischen oder Gebetsteppichen, die in ihren heimischen Bürohäusern nicht durch die Eingangstür passen würden.

Dubai passt sich an. An das veränderte weltwirtschaftliche Klima sowieso und an das abrupte Ende vom Traum eines grenzenlosen Booms.

Vormacht Abu Dhabi

Zu verdanken ist das gemächlichere Weiter-So auch Dubais Nachbaremirat. Abu Dhabi, das reichste der sieben Emirate, hat mehr als ein Jahrzehnt lang seine gigantischen Öleinnahmen weltweit klug angelegt und verzeichnet ein stetes Wachstum. In der Krise vor einem Jahr hat Abu Dhabis Herrscher Khalifa bin Zayed al-Nahyan Dubai zu einer Art Vasallen gemacht. Keiner gibt es zu, aber alle wissen, dass Abu Dhabi die Dubaier Herrscherfamilie vor dem Ruin gerettet hat. Das sichtbarste Zeichen dafür ist 828 Meter hoch und steht mitten in Dubai: das höchste Gebäude der Welt, mit offiziellem Namen Burj Khalifa – „Khalifas Turm“. Der Name sagt alles, und dass der Dubaier Herrscher Mohammed bin Raschid al-Maktoum immer noch Besitzer des gewaltigen Hochhauses sein darf, wird ihn nicht so besonders trösten. Denn 40 Prozent der Immobilien stehen in Dubai leer. Von den 900 Luxuswohnungen im Khalifa-Turm standen im Oktober nach einem Bericht der Zeitung „Gulf News“ 825 leer.

Umso besser läuft es beim reichen Patron. So soll sich die Bevölkerung der Stadt Abu Dhabi von derzeit knapp einer Million in den kommenden drei Jahrzehnten vor allem durch Zuwanderung vervier-fachen, eine Dependance des Pariser Louvre soll Museumstouristen anlocken und eine neue, ganz nach ökologischen Grundsätzen konstruierte Großstadt das heutige Ölscheichtum zum Mekka der Umwelt- und Klimaschützer aus aller Welt machen.

Der Ehrgeiz von Abu Dhabis Herrscher erinnert zwar unangenehm an die Sprüche der Dubaier Machthaber und Propagandisten vor der großen Krise. Weil Abu Dhabi aber im Gegensatz zu Dubai auf gewaltigen Ölreserven sitzt – den sechstgrößten weltweit –, erscheinen die Pläne keineswegs weltfremd.

Dennoch müssen die Emiratis zum ersten Mal seit vielen Jahren sparen. Der zusammengebrochene Dubaier Immobilienmarkt hat in erster Linie damit zu tun, dass bis zum Ausbruch der Krise weit mehr als 80 Prozent der Einwohner Ausländer waren – nicht nur die vielen Bauarbeiter aus Indien und Pakistan, sondern auch alle möglichen Fachleute von den Bautechnikern bis hinauf zu Ärzten, Professoren, Top-Managern aus arabischen Staaten, aus Asien und vielen europäischen Ländern – 2008 zählte die deutsche Botschaft 12 000 Landsleute in den Emiraten, die meisten in Dubai.

Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Jüngere offizielle Zahlen gibt es nicht, aber seit Mitte 2008 verlor mindestens ein Drittel der Ausländer den Job. Wer aber keine Arbeit mehr hatte, musste binnen weniger Wochen das Land verlassen – und gab natürlich seine Wohnung auf. Weswegen die Wohnungsmieten 2009 um ungefähr 25 Prozent und 2010 noch einmal um durchschnittlich 13 Prozent gesunken sind. Eine Wende ist trotz der optimistischen Washingtoner Prognose nicht abzusehen, weil Banken, Hotels und Staatsbehörden in Dubai aufgehört haben, in signifikanter Zahl weitere qualifizierte ausländische Mitarbeiter anzuwerben.

Die Einzigen, die das tun, sind paradoxerweise die Bauunternehmen wie der große staatsnahe Konzern Emaar. Sie bauen munter weiter – und sie finden auch Käufer für Wohnhochhäuser und auch für neuen Büroraum, trotz aller Leerstände. Vor allem chinesische Investoren, berichtet der arabische Fernsehsender al-Dschasira, kaufen derzeit Immobilien in der einstigen Boomstadt Dubai. Sie nehmen offenbar an, dass die Krise in Dubai ihren tiefsten Punkt durchschritten hat und die heute relativ niedrigen Preise in wenigen Jahren gewaltig anziehen werden. Im gesamten Jahr 2010 werden in Dubai etwa 35 000 neue Wohnungen und 650 000 Quadratmeter Bürofläche fertig gestellt. „Wer dort einziehen soll, ist ganz unklar“, sagt ein deutscher Bauingenieur, der im Dezember vor einem Jahr über Nacht von seinem Dubaier Arbeitgeber entlassen und so mit Familie aus dem Land geworfen wurde: „Die Leute müssen doch wissen, dass es ihnen jederzeit ergehen kann wie mir im vorigen Jahr!“

Keine Rede von Verkauf

Nein, sagt das offizielle Dubai heute: Das Horror-Jahr 2009 wird sich nicht wiederholen. Seit der Umschuldungsvereinbarung ist in Dubai keine Rede mehr davon, dass sich der Herrscher von wertvollen Bestandteilen seiner Holding trennt. Ganz im Gegenteil: Die Immobilientöchter von Dubai World und der internationale Hafenbetreiber DP World sollen so viel Geld verdienen, dass sich ab 2015 die riesigen Schulden bedienen lassen.

„Meine Regierung weiß, dass wir zu den besten und gesündesten Unternehmen des Landes gehören – darum ist es in ihrem Interesse, uns weiter zu besitzen“, sagt Mohammed al-Muallem, Geschäftsführer der Region Emirate von DP World. Der Hafen der Dubaier Freizone Jebel Ali, wo Muallem residiert, gilt allgemein als modernster Hafen im Nahen Osten – weiterer Ausbau ist zwar aufgrund der umgeschlagenen Stückzahlen derzeit nicht unbedingt nötig, aber dennoch in Planung. Außerhalb der Emirate betreibt DP World – zu 80 Prozent im Besitz der Holding Dubai World – 50 Hafenanlagen in 31 Ländern, modernisiert und erweitert Terminals anderer Betreiber von London und Rotterdam bis Qingdao in China. Allein das Projekt London Gateway hat einen Auftragswert von umgerechnet mehr als 1,7 Milliarden Euro. „Die Sache mit Dubai World hat uns bei DP World am Ende nicht geschadet“, sagt Muallem.

Neuer Auftrieb

Die Umschuldung könnte jetzt sogar ganz Dubai neuen Auftrieb geben, sagt James Sadler von der Schweizer Großbank UBS, die wahrscheinlich zu den Leidtragenden des drohenden Zahlungsausfalls gehört hätte. Nach Sadlers Meinung wird die Umschuldung jetzt auch das Vertrauen in die emiratischen Banken wiederherstellen, die wegen des drohenden völligen Zahlungsausfalls hohe Rückstellungen bilden mussten. Abu Dhabi Commercial Bank, die drittgrößte Bank in den Emiraten, hatte im Juli von Rückstellungen in Höhe von umgerechnet 400 Millionen Euro berichtet. Dubai World schuldet der Bank im Nachbaremirat insgesamt fast 1,8 Milliarden Dollar.

Aber kann jetzt wirklich alles gut -werden? Khalid Howladar, Analyst der -Ratingagentur Moody’s in Dubai, äußerte vor einheimischen Journalisten vorsichtigen Optimismus: „Nach der Umschuldung sieht man, dass so etwas in den Emiraten gut funktioniert. Wir werden jetzt wahrscheinlich wachsende Stabilität der Preise für Immobilien sehen, und das würde die Investoren aus dem Ausland -zurückbringen.“

Vielleicht nicht nur die spekulationsfreudigen Chinesen.

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