Duma-Wahl in Russland Denkzettel für den Kreml?

Am Sonntag sind Duma-Wahlen in Russland. Die Kremlpartei hat in den vergangenen Monaten an Popularität eingebüßt. Die Bevölkerung ist unzufrieden mit der Regierung, die Wirtschaftskrise setzt dem Land zu.

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Vor allem ein gutes Ergebnis auf der Krim ist für die Machthaber um Wladimir Putin wichtig. Quelle: Reuters

Moskau Ein Kreuzfahrthafen für Jalta und eine Brücke nach Russland: Kurz vor der Duma-Wahl hat Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Krim versucht, mit Zukunftsversprechen zu punkten. Die Halbinsel, die 2014 nach einem international nicht anerkannten Referendum von Russland annektiert wurde, galt lange als Hochburg der Kremlpartei „Geeintes Russland“. Im Regionalparlament haben 95 der 100 Abgeordneten das Parteibuch der Kremlpartei. Die übrigen fünf gehören der nationalistischen „Liberaldemokratischen Partei“ (LDPR) um Populistenführer Wladimir Schirinowski an.

Ein gutes Ergebnis auf der Krim ist für den Kreml wichtig – für seine Legitimation. Doch zuletzt verbreitete die Regierung Missstimmung auf der Halbinsel: Als Ministerpräsident Dmitri Medwedjew im Sommer auf der Krim war, verärgerte die Bewohner. Als eine Rentnerin über hohe Preise und niedrige Pensionen klagte, sagte Medwedjew: „Wir haben kein Geld, halten Sie durch. Alles Gute, viel Spaß und bleiben Sie gesund“. Dies sorgte für Wirbel im Internet.

Dabei hatte der Premier eigentlich nur die Wahrheit gesagt: Russland leidet seit drei Jahren unter einer Wirtschaftskrise. Im vergangenen Jahr brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wegen niedriger Ölpreise um 3,7 Prozent ein, das Haushaltsdefizit lag bei 2,6 Prozent. Für das laufende Jahr prognostiziert das Wirtschaftsministerium einen weiteren BIP-Rückgang von 0,5 bis 0,7 Prozent. Die Weltbank erwartet sogar, dass die Wirtschaft voraussichtlich um 1,2 Prozent schrumpfen wird. Das Haushaltsdefizit ist trotz Sparmaßnahmen auf 2,9 Prozent (Stand: Ende August) angewachsen.
Dass die Regierung unter diesen Umständen auf eine fällige Rentenerhöhung verzichtet hat, ist nicht der einzige Grund für ihre Unbeliebtheit: Rubelentwertung und Inflation haben den Lebensstandard der Bevölkerung massiv sinken lassen. Hinzu kommen mehrere Korruptionsskandale. Jüngst wurde ein Korruptionsjäger aus dem Innenministerium festgenommen, der 120 Millionen Dollar in seiner Wohnung gehortet hatte.
Wohnungs-, Gesundheits- und Bildungspolitik stehen seit Jahren in der Kritik. Der verhasste Bildungsminister Dmitri Liwanow wurde im Sommer gefeuert – als Notfallmaßnahme vor der Duma-Wahl.

Doch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist groß: „Alles, was Medwedjew anfasst, wird Mist“, schimpft Tamara, eine Rentnerin aus der Kleinstadt Alexandrow, 100 Kilometer von Moskau entfernt. Ob es die Umbenennung der Miliz in Polizei, die Zeitumstellung oder die Bildungsreform betreffe: Am Ende werde alles nur noch schlechter.


Massendemonstrationen in Russland

Viktor, Vorarbeiter in einem Kabelwerk von Podolsk, kritisiert Medwedjew wegen der Erweiterung der Moskauer Stadtgrenzen. Einen praktischen Grund dafür gebe es nicht, sagt Viktor. „Das wurde alles nur gemacht, um die Grundstückspreise in die Höhe zu treiben“, sagt er.
Das schlechte Image der Regierung färbte schließlich auch auf die Kremlpartei ab: „Geeintes Russland“ fiel in den Umfragen im Sommer deutlich. Dem Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum zufolge kommt die Partei nur noch auf 31 Prozent. Dennoch dürfte die Kremlpartei wieder deutlich stärkste Kraft werden.

Vom Absinken der Kremlpartei in der Wählergunst könnten vor allem die Kommunisten und mit Abstrichen die LDPR profitieren. Ob die sozialdemokratische Partei „Gerechtes Russland“ wieder ins Parlament einzieht, ist noch unklar. Ihre Umfragewerte schwanken um die fünf Prozent.

Andere Parteien, speziell die Liberalen, haben kaum Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Das liegt einerseits an der harten Medienkampagne und administrativen Barrieren, die der Kreml gegen die Opposition auffährt, andererseits aber auch an der Zerstrittenheit der Liberalen selbst und ihrem oft fehlenden Verständnis für Probleme der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass angesichts der Spannungen mit dem Westen derzeit eher nationalistische Kräfte en vogue sind.

Die Duma spielt in der Moskauer Politik eher eine geringe Rolle. Die meisten Gesetze werden in der Präsidialverwaltung oder Regierung entworfen, auch die parlamentarische Kontrolle der Exekutive ist nur nominell vorhanden.

Trotzdem wird die Wahl mit Spannung verfolgt. Der Kreml hatte nach den Protesten von 2011 die Direktmandate zur Stärkung der Demokratie wieder eingeführt. Tatsächlich könnten auf diese Weise einige Oppositionelle doch noch in die Duma einziehen, auch wenn allgemein der Kreml darauf setzt, mit den Erststimmen den Anteil an Sitzen im Parlament auszubauen, um die Mehrheit doch noch zu erreichen.

Möglichkeiten zur Manipulation – ein Verdacht, der 2011 zu den Massendemonstrationen in Russland führte – sind diesmal allerdings begrenzt. Mit der Einsetzung der Bürgerrechtlerin Ella Pamfilowa als Wahlleiterin hat der Kreml ein Zeichen gesetzt, um Vertrauen zu gewinnen, sich damit aber auch selbst die Hände gebunden. Fälschungen bei der Auszählung wird sie zumindest nicht tolerieren.

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